FOLKDOVE ist ein Geheimtipp für Freunde puristischer, “echter” Folkmusik, also kein “Neo” davor. Die Band stammte aus der Bretagne in Frankreich (Brest) und veröffentlichte 1975 ihre einzige selbstbetitelte Langspielplatte. Diese wurde nun 2005 auf dem verdienten, nur Vinyl Wiederveröffentlichungslabel AMBER SOUNDROOM aus Bottrop erneut gepresst. FOLKDOVE werden in Mailordern unter der Sparte “Acid Folk”, “Psychedelic Folk” oder wie auch sonst folkloristische Musik genannt wird, die von Hippies zelebriert wurde und meist einen mehr oder weniger heftigen LSD “Drall” hat, geführt. Für FOLKDOVE ist das jedoch eine ziemlich irreführende Bezeichnung. Nichts an ihnen erinnert an die auf ihre Weise phantasievollen Acid getränkten Songstrukturen der Psychedelia Folk Vorreiter a la INCREDIBLE STRING BAND oder C.O.B. und schaut man sich die Schwarzweißphotos auf der Rückseite der LP- Hülle an, muss man auch feststellen, dass die fünf Männer und die zwei Frauen von FOLKDOVE ein bisschen zu wohlerzogen aussahen, um sie mit hippiesken Drogeneskapaden in Verbindung zu bringen. Eher erinnern FOLKDOVE da schon an die legendären Vorreiter des englischen Folk (- Rock) Revivals, also an Bands wie FAIRPORT CONVENTION, PENTANGLE oder STEELEYE SPAN, die auch keine Hippies waren und in deren zeitlichen Kontext FOLKDOVE auch gehören (Interessanterweise sind zwei der zentralsten Figuren jenes Revivals RICHARD THOMPSON (Fairport Convention) und DANNY THOMPSON (Pentangle), ohne welches es auch kein Neofolk geben würde, zum Islam übergetreten, und musizieren heute manchmal mit ihrem alten Kumpel CAT STEVENS bzw. YUSUF ISLAM). FOLKDOVE sind aber auch im Unterschied zu den genannten Bands kein bisschen rockig und spielten fast ausschließlich überlieferte Volkslieder, allerdings überwiegend nicht bretonische, wie man vermuten könnte, sondern angelsächsische Lieder. Insofern wäre es sowohl von der Musik, als auch von der ganzen Attitude nicht verkehrt FOLKDOVE vor allem im Zusammenhang mit Sängerinnen wie ANNY BIGGS und SHIRLEY COLLINS mitsamt Schwester (durch die CURRENT 93 Connection halbwegs szenegeläufig) zu nennen. Geboten werden 14 Lieder, nur 3 davon sind kurze, 2- 3 minütige Eigenkompositionen (“Niebelung 1” und 2, sowie “Borogove”). Die angelsächsischen Lieder werden natürlich auf englisch gesungen, wenn auch ein französisch- charmanter Accent rauszuhören ist (oh ja!). Dazu kommt ein französisches Lied und mit “Loibere Risen” auch eines mit deutschem Text, der Dialekt ist mir allerdings nicht ganz klar (elsässisch?, lothringisch? saarländisch?). Die Traditionals waren mir alle unbekannt, auf so Gassenhauer wie “The Wind that Shakes The Barley” oder “John Barleycorn” verzichtete man also. Wem der recht konsequente A- Capella Purismus einer SHIRLEY COLLINS etwas zu anstrengend ist, kann bei FOLKDOVE aufatmen. Die Instrumentierung ist reichhaltig, neben den schönen, dominierenden Akustikgitarren, kommen vor allem ein Spinett, ein Psalter, ein Dulcimer und Geige zum Einsatz (glaube ich). Der Gesang ist typisch für echten Folk dieser Art, sollte also jemand SHIRLEY COLLINS irgendwie “komisch” finden, wird er auch den weiblichen FOLKDOVE- Gesang ähnlich einordnen. Im Übrigen sollte man sich dann aber auch eingestehen, dass man mit Folkmusik an sich nicht viel anfangen kann, denn zumindest die Pionierfiguren des englischen Folks haben alle so gesungen. Ab und zu singt auch ein Mann und manchmal wird auch zweistimmig geträllert. Hoffnung besteht also auch hier für Collins Verächter.
Die Platte verströmt eine ungeheure Friedfertigkeit, sowie Ursprünglichkeit, die nicht immer zu ertragen ist. Reinheit im Sinne von Katharsis, wäre auch so ein Stichwort, das die entwaffnende Wirkung der Musik gut beschreibt. Nach dem Hören möchte man allen Menschen, die man mal als Arschloch bezeichnete, ein Entschuldigungskärtchen senden, aber das Gefühl verlässt einen auch glücklicherweise wieder. Dennoch schön zu wissen, so etwas im Plattenschrank zu haben! Wer sich so richtig mit Folklore- Musik auskennt, wird möglicherweise einwenden, dass es unzählige Platten dieser Art gibt, die besonders in den 70er Jahren irgendwo privat gepresst wurden. FOLKDOVE scheinen hier dennoch so eine Art Klassiker abgeliefert zu haben. Kenner, zu denen ich mich nicht zähle, ziehen noch Vergleiche zu TICKAWINDA, STONEANGEL und den deutschen LANG’SHINE’ und OUGENWEIDE. Bescheinigt wird FOLKDOVE außerdem ein “mittelalterliches” Flair. Naja, zum Glück lese ich das jetzt erst, sonst hätte ich mir die LP nicht gekauft. Wer im Bereich des Neofolk auf CHANGES oder die letzten Kompositionen von WERKRAUM oder gar BLOOD AXIS steht und auch schon erlebt hat, wie es ist, wenn einem bei SHIRLEY COLLINS buchstäblich das Herz aufgeht, wird FOLKDOVE schätzen und vielleicht sogar lieben! Bis eben dachte ich, das Album gibt es nur auf LP, aber anscheinend veröffentlichten AMBER SOUNDROOM auch eine CD, wenn auch auf ihrer Seite jeder Hinweis verschwunden ist. Nach Folkperlen dieser Art lohnt es sich beim “Longhair Mailorder” (http://www.longhairmusic.de/) zu suchen, dort ist auch FOLKDOVE erhältlich!
Dominik T. für nonpop.de
Verweise zum Artikel: » Amber Soundroom
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Zusammenfassung
Traditionelle Folklore, 14 Lieder, rund 42 Minuten
Inhalt
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