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Roy L.

Severin Bestombes :: Auszug/Abgesang

Herr Weber vom Horse Gore Club


Severin Bestombes :: Auszug/Abgesang
Genre: Avantgarde
Verlag: Punch:-Records
Erscheinungsdatum:
Februar 2006
Medium: Vinyl LP
Preis: ~18,00 €
Kaufen bei: Punch:-Recor...


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Wenn man zu vorgerückter Stunde der verdächtigen Phantasterei anheim fällt, der heimische Plattenteller würde ungeklärterweise das Dunkel des Raumes wie von Geisterhand erleuchten, dann liegt das in erster Linie nicht an der falschen Sorte Pilze, die man unter Umständen mal wieder zu leichtfertig verzehrt hat, nein, es sollte sich lieber schnell besonnen werden, dass die lang erwartete dreizehnte Punch Productions Platte nun endlich von den Nadeln malträtiert werden darf, auf dass das fluoreszierende Plastik wahlweise in giftgrün oder türkisblau erstrahlt. Als wäre das nicht schon reizvoll genug, bietet uns die erste Manifestation des seltsam-mysteriösen HORSE GORE CLUBs zudem unerhört exquisite Tonkunst.
SEVERIN BESTOMBES ist das dreihundertsiebenundfünfzigste Pseudonym eines gewissen Herrn Jürgen Weber, der, so erzählt die Legende, im vergangenen Jahrtausend in einer nicht unbekannten österreichischen Metropole, respektive dem slawischen Bezirk "Neue Welt", mehrere Hundert der denkbar wildesten musikalischen und antimusikalischen Orgien dem Tonband anvertraut haben soll und sich inzwischen, vielleicht zur Kontemplation, in ein katalanisches Dörfchen zurückgezogen hat, von wo aus er jedoch von Zeit zu Zeit, aber leider immer seltener, nicht minder wilde Geistesblitze in die gepeinigte Welt hinaussendet. "Auszug & Abgesang" ist ohne Zweifel einer dieser Geistesblitze, der darüber hinaus wohl oder übel dem angesprochenen Rückzug ins Kontemplative wie eine bittersüße Frucht entsprungen zu sein scheint.
Der erste Part dieser LP-langen Abrechnung mit dem Wiener Gesangsverein trägt den mit düsterer Symbolik überschütteten Titel "Lilien aus dem Garten des Gegenpapsts". Das akustische Gewächshaus dieser Spiegelbildikone fühlt sich jedoch an wie ein klaustrophobisches, von gespenstischen Erinnerungen heimgesuchtes Mythologieaquarium, dessen Innenwände zur Dämmerstunde zwischen Kuckucksruf und Spieldosengedudel von psychopathischen Rhythmen rituell verziert werden. In einer noch dunkleren Ecke liegt ein abgesoffenes Diktiergerät und gibt die befremdlich geflüsterten Chiffren eines kleinwüchsigen Wesens zum besten. Dann zieht ein sphärischer Wind in das Fast-Vakuum dieses Mikrokosmoses ein und alles wird erschreckend leise. Ist dies etwa die Ruhe vor dem persiflierten Militärparadenrummelplatzsturm? Haaaauuu Rrruckkk! Einmal kräftig dran gezogen und die schwerwiegend stachligen Lilien sind auch schon gepflückt. Zur Belohnung wird zwei-, dreimal auf die Klaviertasten gehauen und die Rillen flüchten sich hustend ins Platteninnere.
"Musik für Dolores" schwebt ebenso wie die A-Seite im Umkreis experimenteller, elektroakustischer Tonkunst des nahezu gesamten zwanzigsten Jahrhunderts und verarbeitet dabei womöglich sämtliche jemals aufgeschnappte Einflüsse. Zuerst werden NURSE WITH WOUND, Ghedalia Tazartzes, Edgar Varèse und wer weiß schon wer sonst noch alles durch den cut-up Fleischwolf gedreht und anschließend samt rudimentären Groovebruchstücken auf eine kaum noch wahrnehmbar leise Minimalambientfläche breitgeschmiert. Irgendwann brechen dann einige atonale Klavierklänge durch den fragilen Schleier, begleitet von dezenten Stimmexperimenten und schließlich einmündend in sehr sparsam platzierte Abstraktionen, die im Grunde völlig auf elektronische Klangforschung reduziert wurden. Das ganze wurde dazu mit einem heimlich munkelnden "live at Schlafzimmer" Charme aufgenommen und wirkt daher umso staubiger, direkter und echter.
"Auszug & Abgesang" bietet zwei hartnäckige Kompositionen zum Schlussstriche ziehen und neue Anfänge finden. Gerade letzteres will seitens der fragmentarisch aufgerissenen und minimalistisch verwesenden Klangstrukturen bewusst nicht leicht fallen. All die einzelnen Szenen dieser Collage sind wie Mittelteile ohne signifikanten Beginn und Ende, an ihren ungeraden Kanten aneinandergefügt, montieren sie eine diffuse, mit Schräglage in sich verschachtelte Sinfonie, die mit einem Bein auch im traditionsreichen Avantgardezimmer steht. Art bruit!


 
Roy L. für nonpop.de


Verweise zum Artikel:
» Punch:-Records

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Zusammenfassung
Jürgen Weber alias Severin Bestombes bastelte hier an zwei LP-seitenlangen Titeln, die vielen Nový Svet Anhängern wahrscheinlich zu ruhig und zu schräg sein werden. Ein hervorragendes Stück Avantgardesalat mit süß-saurem Ambientdressing.

Inhalt
hier:
Lilien aus dem Garten des Gegenpapsts

da:
Musik für Dolores

PP013 | limitiert auf 333 Kopien in Silk-screened Plastikcover

davon:
223 auf grünem fluoreszierendem Vinyl
110 auf blauem fluoreszierendem Vinyl
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