Mushroom's Patience :: Kino Room Tour

live at the Slimelight, London

Genre: Industrial
Verlag: Atro.Fact.
Vertrieb: Atro.Fact.
Erscheinungsdatum:
Januar 2006
Medium: CD-R
Preis: ~10,00 €
Kaufen bei: Atro.Fact....

Suchen bei:
Amazon
Ebay
Indietective
Google

+ mehr

---

 

Kategorie: Rezension
Erstellt: 08.02.2006
Wörter: 459
Artikelbewertung:
positiv:100%
negativ:0%

- schliessen

MUSHROOM'S PATIENCE sind wahrhaftig ein Phänomen. Seit über zwanzig Jahren geistert die Band von Raffaele Cerroni durch den avantgardistischen Untergrund, durchlebte Mitte der Neunziger einen nahezu vollständigen Line-up und Stilwechsel und ist schon immer nur wenigen Eingeweihten so richtig bekannt gewesen. Mit seiner CD-R Reihe auf dem eigenen Label Atropina Manufactory und dem Weggang von HauRuck! im vergangenen Jahr, rückt Signore Cerroni nun in noch spartanischere Independentverhältnisse vor. Um sich also nicht an kommerziellen Ergüssen zu verdingen, ist auch der selbstproduzierte Konzertmitschnitt des Londoner Auftritts nur in simpler, handgemachter Papphülle erschienen. Dieser war Teil des "Kino Room Tour" - Konzepts, das hoffentlich sehr bald mit weiteren Konzerten fortgesetzt wird. Kino Room evoziert die Totalität des Audio-Visuellen. Eigens für diese Performance hat Raffaele Cerroni eine Montage aus alten Experimental- und Stummfilmen, Klassikern wie Raritäten, zusammengestellt, die von MUSHROOM'S PATIENCE auf der Bühne sozusagen neu vertont werden. Die Verbindung zwischen dieser frühen Filmkunst und der modernen atonalen Tonkunst liegt a priori in der Bewegung, der Kinematik im wesentlichen Sinne, durch die beide Ebenen miteinander kommunizieren und sich gegenseitig synchronisieren können, woraufhin das Konzept einen fast schon futuristischen Charakter erlangt.
Die vorliegende CD-R kann man leider nur anhören und nicht ansehen, aber es wird genügen, einen Eindruck des letzten Oktober stattgefundenen Konzerts zu gewinnen. Für Neulinge ist dieser Mitschnitt überhaupt der idealste Einstieg in den komplexen, schwerverdaulichen Kosmos von MUSHROOM'S PATIENCE. Kenner und Sammler dürfen sich vor allem über zehn sehr gute neue, bisher unveröffentlichte Stücke, die vermutlich vom neuen Album stammen, freuen. Ungeduldige und Titelhopser werden es dagegen schwer haben, die fehlenden Indices verkraften zu können.
Ganz recht, "Live at the Slimelight" kann man nur am Stück genießen, auf diese Weise erlebt man einen tiefschürfenden elektromechanischen Trip durch einen illustren Zirkus urbanen Wahnsinns. Wahrscheinlich eingängiger als manch andere Scheibe von MUSHROOM'S PATIENCE, aber dennoch manisch-schräg und stellenweise überraschend noisig findet Raffaele Cerroni eine neue Definition und Manifestation des post-atomaren Sounds. Grundsätzlich besteht dieser aus verspielten, manchmal auch atmosphärischen Analogsequenzen und Loops, derb verzerrten, immer öfter spacigen E-Bass - Linien und den delirienartig mäandrierenden Trompetenflüssen von Flavio Rivabella a.k.a. bekannte.com">DBPIT. Besonders die beiden neuen Stücke "Platform" und "Kompass" haben sich dieser stilistischen Verfeinerung verschrieben, wobei letzteres ziemlichen Hitcharakter beweist. "Klang, Klang, Klang" mutet dagegen wie die infernalisch-klaustrophobische Vision eines Nervenklinikinsassen an. Von den bekannten Stücken überzeugen vor allem das immer wieder göttlich abgehobene "Dawn" und das vom "Roma, Wien." Album stammende "Blind", das auch hier wieder intensiv nach frühmorgendlicher Nachttrunkenheit schmeckt. Völlig abgefahren hört sich das vinylknisternde, pianonostalgische "Hello Dolly" an. Irgendwie ist das auch der seltsame Höhepunkt von 69 unglaublich fesselnden Minuten voller verrückter Einfälle und nebliger Mushroom Psychedelia. Also einmal tief einatmen und durch. Vielleicht wird man das Kino Room Tour Programm auch irgendwann hierzulande bestaunen dürfen.