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Roy L.

Ô Paradis :: La Boca Del Infierno

El Cielo y El Infierno son la misma lágrima...


Ô Paradis :: La Boca Del Infierno
Genre: Experimental
Verlag: Punch:-Records
Vertrieb: Punch:-Records
Erscheinungsdatum:
Oktober 2005
Medium: CD
Preis: ~12,99 €
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Die Pforten sind geöffnet. Ein neues Ô PARADIS Album zieht uns schon auf den ersten Blick hin sehr tief in mythologische Dimensionen von den wahrhaft infernalischen Ausmaßen eines Dante Aligheri. Der vaginale Eingang zur Hölle, entblößt und wiederum verhüllt von der Scham in Form eines Herzens - der katalanische Künstler Demian setzt hier fast schon archaische Symbole in einen Kontext, der die musikalisch inszenierte Tragödie von Fleisch und Geist mit leidenschaftlichen Schlingen umrahmt.
Ô PARADIS zählt mit großer Sicherheit zu den seit langer Zeit erfrischendsten und angenehmsten Erscheinungen in unserer Musikszene. Wurde bereits nach den ersten drei exzeptionellen Alben der Stil für festgelegt und gefunden gehalten, so mag Demian mit dem düsteren, experimentellen "La Boca Del Infierno" selbst die puristischsten Schubladendenker in ein schieres Staunen versetzen. Die immer sehr eigenartige Gefühlsambivalenz der mediterranen Haltung aus Leichtigkeit und Schwermut verlagert sich nun von der Oberfläche in den tiefgründigeren Kern der gebotenen Tonkunst. Obenauf knistert das Verlangen der erregten Haut, brodeln mit Verzerrern gespeiste Höllenfeuer, taumelt und trauert der Reisende auf seinem Weg in ein geheimnisvolles Inneres. Seine Fixpunkte stehen im Wechselspiel von Anziehung und Abstoßung, verzehren sich bald in einem schmerzlichen Begehren, bald in gefährlicher Nähe. In dieser Verschlungenheit verlieren die einzelnen Stücke ihre Mitte und treten mühelos über die Ufer bekannter Liedstrukturen. Wie milde Süße von einem giftigen Stachel tropfend, legt sich der geschmeidige Gesang auf die stumpfdissonant gezupften Saiten. Auf dieser neuen Veröffentlichung enthüllt sich in Ô PARADIS mehr als je zuvor ein Kontrast und Kampf unter Obsessionen und Idealen, femininen und maskulinen Attributen. Hier ist es das gegenseitige Duellieren und Buhlen von Liebes- und Todestrieb, das die lebensfeiernden ebenso wie vernichtenden Bassmotoren antreibt, welche in "De Espaldas" noch einen sinnlichen Rhythmus anschlagen, um sich einige Takte später durch "La Sangre" gewaltvoll zu entladen. Es ist dieser feurige Pulsschlag, der das ganze Album nährt. So zeigt sich "La Boca del Infierno", mit kleinen, mitunter recht noisigen und für einen erlesenen Ohrenschmaus sorgenden Klangdetails garniert, in seiner Gesamtheit als ein durch und durch menschliches und dichte Körperwärme ausstrahlendes Werk. Das Versinken in den Kreisläufen des Fleisches, in einem konstanten Fluss aus schwüler Lust und Körperflüssigkeiten spiegelt und überlagert sich tausend und abertausendmal im zwiespältigen Antlitz des Eros- und Thanatoshybriden.
Dennoch steckt in jeder Faser dieser physisch intensiven Berührungswelt wieder ein ganz markantes, fieberhaftes Erleben, das Ô PARADIS seit jeher zu etwas Besonderem werden ließ. Hinter der deftigeleganten Gestaltung, der teilweise ungewohnt aggressiven Elektronik und dem lodernden, verzerrten Gesang verbirgt sich eine zerbrechliche und auch ein wenig melancholische Umnachtung. Wie ein nebliger Schleier befallen die Lieder atmosphärische, befremdliche Traumphantasien. Gerade und bezeichnenderweise in "El Sueño" ("der Traum") steigert sich jene Umfangenheit in einen somnambulen Zustand, in welchem sich Wachen und Schlaf ineinander verhaken und verschieben. Dieses Stück ist in seinem Spagat zwischen Noise und exotischem Pop einzigartig stilprägend und daher im wahrsten Sinne des Wortes avantgardistisch. Ein beklemmend düsterer Grundton auf niedriger Frequenz öffnet den rückwärtslaufenden, verträumten Sequenzen die Tore, durch die sich bis zur völligen Unkenntlichkeit verfremdete, kratzigrauschende Worte ins Innere stehlen. Darüber singt Demian ganz sanft sein surrealistisches Nachtbild, ein entspannter, unterschwellig pulsierender Bass begleitet ihn dazu. Dann verdichtet ein scheinbar fernöstliches Saiteninstrument die träumerischschwere Stimmung, durch dessen Lamellen ein nostalgisch verblichenes Gesangssample einer Chanteuse aus vergangenen Zeiten in das Stück hineingeistert. "El Sueño" ist berauschend, abgründig, beängstigend und wunderschön, alles zur gleichen Zeit.
Immer tiefer dringt Ô PARADIS durch den "Höllenmund" vor in eine dunkelrote profane und zugleich doch sakrale, unschuldige Menschlichkeit. Mit blutigen, zärtlichen Bissen stößt "La Boca del Infierno" mitten ins Herz, in das Einssein der ineinander verschlungenen Gegensätze. Dieses Werk glüht gleichzeitig vor wilder, sexueller Energie und einer geheimen, persönlichen Religiosität. Ihr gemeinsamer Schmelzpunkt mündet mit einer geräuschvollen Auslöschung ins Nichts. Hier endet das Album, der feurigsüße Atem des infernalischen Schlundes aber wird unvergänglich bleiben.


 
Roy L. für nonpop.de


Verweise zum Artikel:
» Ô Paradis
» Punch Records

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Zusammenfassung
Mit einer himmlischschönen, sinnlich-beängstigenden Höllenfahrt, die sich allen denkbaren musikalischen Zuordnungsversuchen entzieht, legt Ô PARADIS ohne Zweifel eines der besten und empfindsamsten Alben des Jahres vor, das tief unter die Haut geht.

Inhalt
Tan Lejos
Veneno
Tokyo
De Espaldas
Voces
Nuevo Mundo
La Sangre
En Círculos
El Sueño
Tan Cerca

30min

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