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Thomas L.

MARTIN ARNOLD: Thor / Myth To Marvel

Auf den Spuren des Donnergottes


MARTIN ARNOLD: Thor / Myth To Marvel
Genre: Literatur
Verlag: Continuum
Medium: Buch
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Betrachtet man die akademische und esoterische Literatur zur germanischen Mythologie, so fällt einem in der Sparte der Göttermonografien ein deutliches Manko auf: Während Odin-Wodan das Titelthema zahlloser Abhandlungen darstellt (und Freya und Loki noch vereinzelt Würdigung erfahren) geht der für das „gemeine“ Volk einst wichtigste Gott, Thor, weitgehend leer aus. Dem wird nun Abhilfe geschaffen: MARTIN ARNOLD, britischer Professor für Skandinavistik und Mitglied der „Viking Society for Northern Research“, legt mit dem vorliegenden Band eine umfassende Studie zum germanischen Gott Thor vor, die, wie der Untertitel bereits andeutet, nicht mit der Christianisierung Islands endet, sondern auch die Spur des Donnergottes von Mittelalter bis Neuzeit verfolgt.
In den isländischen Sagas und der Edda hat Thor zunächst zwei herausragende Funktionen: Er erschlägt Riesen und ist ein Freund und Beschützer der Menschen. In der nordischen Mythologie lauern die Riesen chaosgleich den Göttern der Ordnung auf und bedrohen beständig das Gleichgewicht der Kräfte; doch Thor selbst stellt auch die Notwendigkeit des Gegenparts dar, denn er ist selbst Sohn einer Riesin und teilt auch seinen Lieblingssohn Magni mit der Riesin Jarnsaxa. Das hier eine Vertreterin aus dem Geschlecht der Todfeinde zur (zeitweiligen) Frau genommen wird, deutet ARNOLD als Relikt einer patriarchalischen Gesellschaft, da die Sagas und Mythen nicht die umgekehrten Rollen kennen. Während es für Odin und Thor nicht unüblich ist, sich Riesinnen zur Partnerin zu wählen, ist das für die Frauen Asgards undenkbar. Dabei ist insbesondere Freya mehrfach in der Begierde der Riesen, die jedoch, wie in den Liedern von der Heimholung von Thors Hammer oder dem Riesenbaumeister mitunter mit nicht ganz fairen Waffen geschlagen werden. Thor ist von seinem Intellekt überschaubar, aber sein Geist integer. Während sein Vater Odin wechselhaft in seiner Gunst ist, zeigt sich Thor stets loyal und beharrlich und konstant in den einfachen Dingen. Als Gewitter/Wettergott ist er der Schutzpatron einer bäuerlichen Gemeinschaft, die weder auf Krieg noch auf das Hochgeistige aus ist: Die Felder müssen bestellt und die Jagd erfolgreich sein. Der Winter ist zu überstehen. In einer kargen Landschaft muss man immer auf der Hut sein, einem Neider, der zum tödlichen Schlag ausholt, zuvorzukommen im Schädelspalten. Seine Funktion ist lebenswichtig, aber dennoch mutiert mancher Thor-Mythos zum Schwank, er ist mitunter nahe an einer Witzfigur, was seine Verbundenheit mit dem einfachen Volk nur noch weiter unterstreicht. ARNOLD verfolgt die Rolle Thors, sucht nach Widersprüchen, Wandlungen und Einflüssen. Betrachtet Thor als germanischen Wettergott, als Teil des Pantheons, als Glaubensalternative zu Jesus Christus, als universellen Himmelsgott, der von Odin abgelöst wurde.

Ähnlich wie bereits DUMEZIL in seiner Studie zum Syrdon/Loki-Komplex, weist auch ARNOLD auf die indoeuropäische Komponente der Thor-Mythen hin. In der griechischen Mythologie findet er sein Äquivalent in Herakles, in der vedischen Mythenwelt erfüllt Indra seine Rolle. Ein zentraler Urmythos liegt nahe.
Unabhängig von seiner späteren untergeordneten Rolle in der Wikingerzeit folgt Arnold auch den Spuren in die skandinavische Bronzezeit, die einen unbekannten Hammergott kennt, der wohl die zentrale Rolle einnimmt. Thor scheint eine Zeit zu kennen, in der er Odin ebenbürtig oder sogar überlegen war.
Die Bild- und Runensteine der Wikingerzeit sehen in Thor in erster Linie den Kämpfer in der nordischen Endzeit, der die Midgardschlange besiegt, aber dennoch ihrem Gift erliegt.
Ab der Hälfte des Buches beginnt die Entdeckung Thors aus dem Rückblick: Der Kult hat nur regional in der Folklore überlebt und wird durch skandinavische Gelehrte des Mittelalters neu entdeckt, der Nordischen Renaissance in Deutschland somit um Jahrhunderte vorgegriffen. In den letzten drei Kapiteln geht es schließlich in schwindelerregender Geschwindigkeit durch Deutschland, Dänemark und Amerika. KLOPSTOCK, die GEBRÜDER GRIMM, HIMMLER und WILIGUT und der Comic-Zeichner STAN LEE geben sich die Klinke in die Hand. ARNOLD spinnt hier mit zahllosen Verweisen und Bezügen ein faszinierendes Netz neuzeitlicher Thor-Interpretationen, die letztendlich auch Einzug in die Popkultur gefunden haben oder, wenn man es so ausdrücken will, schon immer Pop waren. Hier wird deutlich, dass Thor niemals von der Bildfläche verschwand, sondern immer in Gewandung des Zeitgeistes präsent gewesen ist. Und so mag es auch nicht verwundern, dass mit KENNETH BRANAGH ausgerechnet ein profunder SHAKESPEARE-Kenner angetreten ist um den Comic-Thor des MARVEL-Universums zu verfilmen. So wie SHAKESPEARE ist auch Thor fester Bestandteil europäischer Geschichte und Gegenwart und gleichermaßen ganz großes Drama und gute Unterhaltung zugleich.
Insgesamt ein ausgezeichnetes Buch, das den germanischen Donnergott umfassend darstellt und dabei weder die religionswissenschaftliche noch die populäre Auseinandersetzung mit der Gestalt des Thor scheut. Das bislang nur auf Englisch erhältliche rund 220 Seiten starke Buch ist gut zu lesen, erfordert aber viel Aufmerksamkeit, denn ARNOLDs Darstellung ist komprimiert und inhaltsstark; andere Vertreter seiner Zunft hätten für die gelieferten Informationen mitunter den doppelten Umfang benötigt.
Ein wunderbarer Überblick über einen faszinierenden europäischen Mythos, der gleichermaßen unterhält und bildet – eben ein echter Thor.


 
Thomas L. für nonpop.de



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