|
Roy L.
Rückschau: Ein Sommernachtstraum
jena.minimal
Genre: Minimal
Wörter: 759
Erstellt:
30.08.2006
Kaufen bei:
Amazon
Kategorie: Vorschau
Artikelbewertung:
Noch keine abgegeben
Samstag, 26.08. | Schottplatz, Jena
ICH WOLLTE ICH KÖNNTE SILENT SIGNALS
Kaum jemanden verschlägt es Samstag abends in die bergig-waldige Umgebung Jenas, der Otto-Schott-Platz ist ein lauschiges, abgelegenes Areal, das, ist man zu Fuß unterwegs, mit wachen Sinnen erwandert werden möchte. Am vergangenen Wochenende war das jedoch alles ein wenig anders, die selige Idylle wurde minimalistisch elektrisiert, der Schottplatz mit einer respektablen Anzahl von obskuren Musikliebhabern bevölkert und ein frostiger Augustabend ließ sich für zwei, drei Stunden dazu hinreißen, reichlich Imaginationsstoff für Sommernachtsträume zu liefern. Mag dieser Konzertabend auch ein Treffen zweier sogenannter "Nebenprojekte" gewesen sein, zu hören gab es dabei ganz und gar nicht Nebensächliches. Als erstes stiegen ICH WOLLTE ICH KÖNNTE in die muschelförmige Betonkuppel, die als stimmungsvoll mit Kunsthirsch und Fackeln dekorierte Bühne zu später, dunkler Stunde sehr anmutig und zeremoniell wirkte. Hinter der 80er-inspirierten Arthauselektronik-Unternehmung mit dem konjunktiven Namen steckt Laszlo P.S. von WERMUT, der bei Auftritten natürlich von Mitverschwörerin Sofia E.R., ebenfalls WERMUT, an des Traumes sanften Tasten unterstützt wird. Nach einem sphärisch-beschwörerischen Intro à la HIS DIVINE GRACE flammten auch schon die ersten brodelnden Sequenzen in den Nachthimmel. Auf das kahlwandige Innere der Kuppel projiziert, lief Laszlo's grobkörniger Film "A Day At The Office", ein beängstigend nüchterner, zyklischer Trip durch die kantigen Schemata bürokratischer Architekturen. Wir erleben mit dem Protagonisten das hermetische Wesen der Suche, des Fliehenwollens, den kaltschimmernden, stummen Glanz der Korridore, das Umherschweifen und In-sich-hinein-irren. "Welcome to the hallway, the exits are lies…", und hinter jeder Tür öffnet sich eine Tür, öffnet sich eine Tür, öffnet sich eine Tür... Ebenso isolationistisch, sinnsuchend, wie von elektrostatisch-metaphysischen Trennmauern umfangen, wirkte die Performance von Sänger Laszlo P.S., im Rücken die pulsierenden Wellenzüge, schien dessen markante Stimme post-apokalyptische Monologe für sich zu rezitieren, wie ein selbstverlorener Darsteller in einem überdimensionalen Theaterstück. Neben zwei Titeln von der limitierten 7" "Musique Au Mètre" wurden auch die zwei Samplerbeiträge "This Hour" und "No Tomorrow" vorgestellt. Bei einigen neuen Stücken, die einen sehr vielversprechenden Eindruck hinterließen, schlichen sich Laszlo's mandolinenartig vibrierende, gezupfte Gitarrensaiten in die unterkühlten Sequenzen, untermalt von Synthieflächen, die das Ausmaß des Begriffes "Klangweite" neu zu definieren vermögen. Ein traumwandlerischer Seiltanz auf den Schwingen minimalelektro-psychedelischen Krautrocks, nostalgisch und futuristisch zugleich. Andächtig wie dereinst NOVÝ SVETs Mitternachtsritual in Leipzig, anarchisch wie eine Reise durch die Ruinen von Utopia, elektrifizierend wie das Rauschen der Funkzentralen im Sternenrechteck. Beim Heimatlabel Treue Um Treue steht schon bald eine Debüt-LP ins (neue) Haus... man darf Großes erwarten. Nach kurzer Umbaupause war es für SILENT SIGNALS an der Zeit, düsterere pfatschend-stampfende Klänge anzureißen. Das Projekt ist sozusagen ein etwas sperrigerer, minimalistischerer und unkommerziellerer Ableger von ECHO WEST, die, im Ruhrgebiet zumindest, schon seit Mitte der Neunziger keine Unbekannten sind. Wenn meine Aufzeichnungen an dieser Stelle etwas knapper ausfallen, dann tut mir das aufrichtig leid. Mir schienen die konventionellen, routiniert vorgetragenen Rhythmen und Flächen, wenn auch tanzbarer, schlichtweg etwas weniger inspirierend als der vorangegangene Auftritt, die Performance wirkte zuweilen sogar allzu plakativ und posenreich. Im Vergleich zu ICH WOLLTE ICH KÖNNTE vermisste man hier auch das "irrationalistische Dahinter". Nichtsdestotrotz hatte die frostig kristalline Minimalelektronik von SILENT SIGNALS ihre Reize, zumal der Sound am Schottplatz überwältigend abgemischt war. Auch Stücke von ECHO WEST, wie die gruftig-triumphale Elektrorockhymne "Some Thought Us Dead" fanden sich wohlintoniert im Programm des Duos. Der sehr beeindruckende Titel "Cinema Antarctica" vom "Sacrifice Moderne"-Sampler kam dagegen leider weniger cineastisch-breitwandig als auf Platte daher, was der wunderbar wandelfähige Hit "A Cheer To Leslie", ebenfalls auf dieser 12" vertreten, jedoch ausbügeln konnte. Nach knapp einer Stunde Spielzeit verabschiedeten sich SILENT SIGNALS gemeinsam mit den beiden ex-Hamburgern mit einer elektronisch bastardisierten, nichtsdestoweniger lagerfeuergitarrenschraddelnden Coverversion von "But What Ends When The Symbols Shatter?". Ein augenzwinkerndes Tribut in den Wipfeln von Black Jena. Nach den Auftritten lockte die kühle Nachtluft, die zuvor mit heißem Met überstanden wurde, in die überdachten Gefilde des Veranstaltungsortes. Dort drinnen angelangt, kam zunächst die lokale Gothic-Gemeinde, die sich vor Ort für eine "subkulturelle" Grillparty getroffen hat, bei DJ Zinsi auf ihre Kosten. Danach ging es mit den Konzertveranstaltern vom DJ-Projekt Hirn.Holz auf deutlich industrielleren und mediterran-folkigen Pfaden durch die Nacht. Für einen Sommernachtstraum äußerste sich das Wetter abwechselnd jähzornig und wohlwollend, aber das ist bei Freiluftveranstaltungen ja fast schon Usus. Die sympathischen Künstler beider Projekte brachten nach langer Zeit wieder etwas alternativen Wind in die Region, auch wenn man ihnen wenigstens eine Handvoll mehr Besucher gegönnt hätte. Dennoch, minimalistisch war hier nur die Musik (und die sozialen Eintrittspreise von 6 (VVK) bzw. 8 EUR) und das in rein positivem Sinne.
Bitte bewerte den Artikel fair und nach sachlichen Gesichtspunkten. Deine Stimme gibt dem Redakteur eine wichtige Rückinformation über seine Arbeit.
Verweise zum Artikel:
» Hirn.Holz
» Silent Signals
» Ich Wollte Ich Könnte
Themenbezogene Artikel:
» "Meine Ehre heißt Reue"
» FIENDISH FIB/WERMUT: The Nervous Split
» ICH WOLLTE, ICH KÖNNTE: In Memoriam
» Ich Wollte, Ich Könnte
» Getreu Allezeit: TuT/RuR - Filme
» Wermut :: Anna
» Rückblick vom Konzertwochenende (26.11.)
» Kostnice :: Finsterfelden
Themenbezogene Newsmeldungen:
» Labelsampler von TuT / RuR zum Geburtstag
» T(REUE) UM (T)REUE in Paris und Antwerpen
» Neue Vinyls auf Treue Um Treue
» Metal-Tributsampler auf T.u.T./R.u.R.
» Todesblei Salonfähig Gemacht
» WERMUT - Anna CD jetzt erhältlich
» REUE UM REUE Neuigkeiten
» Neues Album von Wermut
» TREUE UM TREUE Neuigkeiten
Anzeige:
Namentlich gekennzeichnete Beiträge spiegeln ausschließlich die Meinung des jeweiligen Verfassers bzw. Interviewpartners wieder. Nachdruck (auch auszugsweise) nur mit schriftlicher Genehmigung durch den Betreiber dieser Seite.
*Du bekommst max. eine Nachricht pro Woche mit allen neuen Artikeln.
Du kannst die Wochenschau jederzeit abbestellen.
Das Spartenmagazin für authentische Musik...
Seit dem ersten Januar 2007 ist das Musik- und Kulturmagazin NONPOP offiziell auf Sendung.
NONPOP richtet seinen Fokus auf jene Themen, die im Niemandsland zwischen Mainstream und Subkultur nur mäßig oder nie in ihrer gesamten Vielgesichtigkeit ausgeleuchtet werden.
Talentierte Redakteure gesucht...
Du wolltest schon immer professionell über die Themen schreiben, die Dich ganz besonders interessieren und Deiner Meinung nach zu wenig beachtet werden? Trotz Deiner Fachkenntnis bist Du wissbegierig und neuen Themen gegenüber aufgeschlossen? Dann wollen wir gern mehr von Dir erfahren!
Erfahrungen sammeln...
Als Redakteur profitierst Du bei uns von der Arbeit mit einer professionellen Autorensoftware, der Hilfe einer Lektorin und dem Fachwissen aller Redakteure. Für den praktischen Einstieg werden Dir zudem wichtige Informationsmaterialien zur Verfügung gestellt. Innerhalb der Redaktion steht man sich jederzeit mit Rat und Tat zur Seite.
Eine Idee verwirklichen…
NONPOP ist ein unkommerzielles Magazin. Es ist uns daher nicht möglich, Autorengehälter zu zahlen. Als Mitarbeiter erhältst Du jedoch kostenfreie Rezensions-Exemplare, Akkreditierung zu bestimmten Veranstaltungen und natürlich wertvolle journalistische Erfahrungen. Wirke mit an einer gemeinsamen Idee!
Schreib uns...
Für einen ersten Eindruck reicht eine formlose und kurze Vorstellung mit einem kleinen Überblick zu Deinen musikalischen & kulturellen Schwerpunkten und ein aussagekräftiger Probetext. (Das Thema kann frei gewählt werden.) Wenn Du bereits eine genaue Vorstellung davon hast, an welcher Stelle Du Dich bei uns besonders einbringen kannst, schreib das bitte gleich dazu.
Sollte eine regelmäßige Mitarbeit für Dich nicht in Frage kommen, kannst Du auch als freier Redakteur beim Magazin mitarbeiten.
(Werde Online-Redakteur bei NONPOP!)
Bitte kontaktiere uns über unser Kontaktformular.
Um die Funktion vor Mißbrauch zu schützen, ist es nur registrierten Mitgliedern möglich, diesen Artikel zu bewerten. Bitte logge Dich ein.
Um die Funktion vor Mißbrauch zu schützen, ist es nur registrierten Mitgliedern möglich, diesen Artikel zu kommentieren. Bitte logge Dich zuerst ein.
|
NONPOP RADIO
Nonpop Radio starten:
Hier
Ebay- Angebote zum Thema:
wermut
|