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Roy L.
Vestfalia's Peace
Kategorie: Interview
Wörter: 1238
Im folgenden ein recht kurzes, aber doch sehr aufschlussreiches Interview mit Gianni, dem Kopf von VESTFALIA'S PEACE - einer italienischen "New Wave" Band die, wie sich herausstellen wird, sich noch gar nicht richtig bewusst ist, dass ihr Konzept hundertprozentig den Ideen des Neofolks entspricht...
Hallo Gianni. Da Deine Band der deutschen Hörerschaft noch völlig unbekannt zu sein scheint, stelle Dich doch bitter erst mal kurz vor. Wieso habt Ihr Euch diesen eher seltsamen Namen "Vestfalia's Peace" ausgesucht? Gibt es da etwa eine Verbindung zum "Westfälischen Frieden", der 1648 den sogenannten dreißigjährigen Reformationskrieg beendete?
Als erstes, möchte ich mich ganz sehr für Deine Rezension bedanken... es ist eine große Sache für eine kleine Band wie uns, in Eurem Magazin besprochen zu werden. Nun gut, wir haben 1997 angefangen Musik zu machen und haben seitdem Jahr für Jahr Demos aufgenommen, meist unter dem Einfluss der britischen New Wave Bewegung der frühen 80er. Wir sind jahrelang damit aufgewachsen, Goithicbands wie THE CURE oder JOY DIVISION zu hören und wir liebten und schätzten auch die weniger bekannten Gruppen AND ALSO THE TREES, DANSE SOCIETY und CLASSIX NOUVEAU. Ich denke, dass die alten Demos (1999 bis 2004) diesen Cold-Wave Geist ziemlich gut reflektieren. Wir waren auch immer sehr von diesen träumerischen Atmosphären der 4AD Bands und dem Friedhofambiente, typisch für Leute wie SCOTT WALKER oder DAVID SYLVIAN angezogen... das kann man auch schon in unseren letzten Aufnahmen hören.
Ich glaube, es ist nicht so wesentlich ist, wer wir sind - ich kann sagen, dass wir zuallererst vier Freunde sind, die Musik lieben. Es ist uns sehr wichtig, Musik in erster Linie für uns zu machen, und dann erst für eine Hörerschaft, auch wenn sich das irgendwie blöd anhört. Unser Name stammt von einem historischen Ereignis (der Friedensvertrag von 1648, wie Du schon bemerktest) und es wäre wirklich seltsam, auf diese Art unsere Leidenschaft für Geschichte zu zeigen ("Vestfalia" ist die italienische Bezeichnung für die dt. Region "Westfalen"). Wir finden es auch schon ein bisschen dumm... oder nicht? Wahrscheinlich werden wir ihn eines Tages ändern...!
VESTFALIA'S PEACE begann ja eher als Darkwave/Indie-Rock Projekt, aber mit dem aktuellen Demo wagt Ihr Euch nun einige Schritte weiter in Richtung Folk. Wie kam es zu dieser Stiländerung? Hört Ihr Euch auch andere italienische Neofolkbands an?
Jedes Demo hat eine ganz eigene Attitüde: das Erste klang wirklich sehr nach Gothic/New Wave und vielleicht auch etwas rockorientiert. Mit den anderen Aufnahmen haben wir allmählich kleine Stiländerungen vorgenommen und so sind wir nahezu bei den romantischen Alben von AND ALSO THE TREES angelangt. Unsere Musik könnte als ländlicher New Wave definiert werden und unsere Intention war es, dem Ganzen die mysteriösen und ursprünglichen Gefühle zu verpassen, die vom Leben auf dem Land herrühren. Letztes Jahr haben wir das Demo "The Peasant" aufgenommen, ein Konzeptwerk über das Leben der Landarbeiter und Schäfer, aber eigentlich war es schon zu dicht an der eher britischen Stimmung von AND ALSO THE TREES dran und daher auf der musikalischen Seite noch zu unpersönlich. Wir wollten bezüglich dieser Lebensart etwas viel mehr originelles und einzigartiges ausdrücken, also entschieden wir uns dieses Jahr dafür, einen gänzlich neuen Schritt zu machen, indem wir in unserer Muttersprache schrieben (und ich möchte hier Mercy und Stefania von IANVA für ihre guten Ratschläge wirklich meinen Dank aussprechen). Hierfür waren wir sehr von italienischer Musik beeinflusst, die Sänger aus den 50ern und 60ern, der 70er Progressivesound, Soundtrackkomponisten, um das alles dann natürlich im Zeichen des britischen New Wave zu bearbeiten. Es hätte eigentlich wie ein alter Soundtrack von 1800 für vergessene Orte und deren Atmosphäre klingen sollen. Ich hoffe, es klingt wirklich so! Folk ist für uns eine Art Symbol unserer Wurzeln, also haben wir uns da reingestürzt und aus unserer differenzierten, "düsteren" Sicht heraus neu arrangiert.
Um ehrlich zu sein, mit der italienischen Neofolkszene hatten wir nie viel zu tun, demnach ist es jetzt eher seltsam dazuzugehören.
Ihr kommt aus einem kleinen Dorf im Süden Italiens. Bitte erzähle uns etwas über Pescolanciano und das Leben dort, da dies ja als Inspirationsquelle einen großen Einfluss auf Eure Musik und Konzepte zu haben scheint...
Pescolanciano ist ein kleines Dorf wie viele andere in Molise (eine Region im administrativen Sinne, Anm. d. Red.). Vielleicht langweilig für viele Leute die hier leben, aber nicht für uns. Wir wurden hier geboren und kennen uns seit unserer Kindheit. Es ist ein mittelalterlicher Ort von etwa 800 Einwohnern, ziemlich eindrucksvoll und von Bergen umgeben, voll von einfachen Leuten, das gefällt uns. Sicher hat es einen großen Einfluss und die größte Inspiration kommt von den Tälern, den Bergen und Kornfeldern. Bei unserem letzten Demo wollten wir etwas erschaffen, das einen Bezug zur jüngeren Lokalgeschichte besitzt, also sind wir auf 1805 zurückgekommen, als unser Dorf von einem großen Erdbeben erschüttert wurde (ziemlich bekannt hier muss ich sagen) und erfanden in diesem Rahmen eine Geschichte, die aber auch eine aktuelle Thematik transportiert. Wir mochten es immer sehr, Inspiration aus dem Leben oder aus Büchern und Träumen zu schöpfen und hier ist der ideale Ort um unseren Kopf und unser Herz danach arbeiten zu lassen.
Traditionen, Geschichte, Folklore… - welche Rolle spielt das alles heute noch? Und was bedeuten Euch diese Worte auf einer persönlichen Ebene? Wie wichtig ist es Euch, "den alten Geist zu bewahren"?
Folklore und Traditionen sind Elemente, die mit der Geschichte einer jeden Nation tief verwurzelt sind. Im Falle Italiens gibt es eine Menge Traditionen, die an eine einzelne Stadt, ein einzelnes Dorf oder eine einzelne Region geknüpft sind und jede Tradition unterscheidet sich von den anderen oder wenn nicht, so birgt sie einen gewissen unterschiedlichen Sinn. Die Rolle, die diese Dinge spielen ist absolut essentiell. Die Menschen können sich dadurch selbst wiedererkennen und erhalten etwas zurück, das Teil ihrer Vergangenheit ist: es ist eine Art "Ritual", wenn ich es so nennen darf, das die Leute ausüben sollten, um sich der alten Lebensweise erinnern zu können. In unserem Fall sind diese Traditionen stärker präsent, da wir in engem Kontakt zu den alten Männern und Frauen unseres Dorfes leben, die uns helfen, diesen Geist Tag für Tag zu bewahren (es ist kein Zufall, wenn man bei "Mazurka Degli Sfollati" zwei dialektale Sprichwörter hört, in denen sich der Großvater unseres Gitaristen ausdrückt... natürlich spiegeln sich auch darin die Traditionen wider). Tradition und Folklore sind Teil der Lebensgeschichte von jeden von uns...
Zum Schluss, wie wird es mit VESTFALIA'S PEACE weitergehen. Habt Ihr Pläne für ein Debütalbum? Weitere Konzerte? Was können wir für die Zukunft erwarten?
Ich hoffe, dass wir weiterhin unser bestes tun, um neues Material aufzunehmen und im Moment haben wir viel zu viele Ideen für zukünftige Werke… Sehr wahrscheinlich werden wir weiter italienische Stücke schreiben und unseren Klang verfeinern, ein bisschen am Gesang arbeiten und versuchen gleichzeitig "frisch und alt" zu wirken. Wie ich schon sagte, möchten wir etwas von dem Gefühl und der Atmosphäre der Vergangenheit, jedoch mit einer persönlichen Note unserer Gegenwart, rüberbringen. Hinsichtlich zukünftiger (und extrem seltener) Konzerte ist zur Zeit nichts geplant... aber ich möchte Dir nicht vorenthalten, dass es eine große Freude für uns wäre, in Eurem Land aufzutreten. Die Leute dort scheinen solcher Musik aufgeschlossener gegenüberzustehen als die Italiener...
Vielen Dank, Gianni, dass Du Dir die Zeit genommen hast und alles Gute für Deine Band!
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Verweise zum Artikel:
» Kontakt Vestfalia's Peace
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