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Michael We.

REUTOFF - aus Russlands Industriezonen

Ein Interview mit Gründungsmitglied WOWA BT


REUTOFF - aus Russlands Industriezonen
Kategorie: Spezial
Wörter: 825
Erstellt: 07.07.2014
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Eure Musik ist durchzogen von Emotionen, die ich als durchaus russisch bezeichnen würde. Insbesondere einer sehr starken Melancholie, fast Verzweiflung. Gibt es so etwas wie speziell russische Industrial-Musik mit Vertretern wie SAL SOLARIS, CISFINITUM oder eben REUTOFF?

Ich denke eigentlich eher, dass sich in der Musik persönliche Vorlieben und Eigenschaften zeigen. Obwohl eine gewisse Düsterheit tatsächlich zur russischen Nation gehört, da stimme ich zu. Aber gehört sie nicht auch zur deutschen Nationalität? Oder sie wohnt sogar der kompletten Post-Industrial-Szene inne ...



Gibt es Eurer Meinung nach dennoch Unterschiede zwischen Industrial-Musik aus Russland und ähnlicher Musik aus anderen Ländern?

Ich glaube nicht, dass es möglich ist, eine singuläre Definition für die gesamte russische Post-Industrial-Szene zu liefern, und, damit einhergehend, zeigen sich auch keine ganz deutlich umrissenen Unterschiede zu anderen Ländern. Klar geht es dabei um Unterschiede zwischen den Kulturen. Industrielle Musik hat eine lange Tradition in Russland: LEON  THEREMIN, ARSENY AVRAAMOV und seine "Symphony Of Factory Sirens", ALEXANDER MOSOLOV und seine "Iron Foundry", die ANS Synthesizer – das sind nur ein paar Beispiele. Auf der anderen Seite ist heute all das Genannte vielen Leuten völlig unbekannt, weil das Bildungsniveau Jahr für Jahr sinkt. Insgesamt halte ich Musik für zu individuell, um global gültige Definitionen zu finden.

Diese Frage kann man auf viele Arten und Weisen stellen, ich versuche es mal ganz platt: Wie russisch seid Ihr?

OK, ich bin Russe! Ich bin mit russischer Kultur groß geworden, und nationale Identität ist für mich sehr wichtig.

Wenn Ihr Russland gestalten könntet – was würdet Ihr angehen?

Die Eliten austauschen. Für einen Wechsel in Politik und Wirtschaft braucht es neue Eliten. Momentan sind diejenigen, die die Macht in Russland haben, nicht an Fortschritt von Land und Leuten interessiert. Sie wollen sich nur persönlich bereichern und Kapital außer Landes schaffen. Jeder weiß das. Eine substanziellere Diskussion überlasse ich aber lieber den entsprechenden Experten.

Habt Ihr eine Meinung zum so genannten 'Ukraine-Konflikt'?

Ich vermeide es eigentlich, zu diesem Thema etwas in der Öffentlichkeit zu sagen, denn es ist äußerst schmerzhaft. Viel zu viele Idioten äußern ihre Meinung, sie sollten lieber die Klappe halten. Oder wenigstens ein Mal in ihrem Leben nachdenken, bevor sie was sagen. Aber wenn Du schon konkret fragst – ich sympathisiere mit den Menschen in Donezk, Lugansk, in der Ost- und Südukraine, die das Opfer eines Völkermordes wurden, verübt von der neuen, kriminellen oligarchischen Regierung der Ukraine. Ich wünsche den Menschen, dass sie einen neuen Staat ins Leben rufen können, unabhängig sowohl von Kiew als auch von Moskau.



"ReuTRauM" ist zwar abgeschlossen, aber Ihr habt eine Reihe von Nebenprojekten, die "Kreuzung"-Serie läuft noch (oder??) – wie sieht Eure musikalische Zukunft aus?

Wir haben zurzeit viele Pläne. Ein neues Album ist in Vorbereitung: "No One's Lullabies". Es wird sehr unübliche, experimentelle Tracks enthalten. Außerdem sammeln wir schon Material für das Album danach, und wir verfolgen die Zusammenarbeit mit DEUTSCH NEPAL weiter – einen seiner Tracks habt Ihr ja vielleicht auf dem "Eidolon"-Sampler gehört.

Steht der nächste "Kreuzung"-Partner schon fest?

Leider kann ich nichts Konkretes über die Zukunft dieser Serie sagen. Wir hatten eigentlich ein paar Pläne, aber die Reihe haben wir gemeinsam mit EWERS TONKUNST aufgelegt, und die Zukunft des Labels sowie die Perspektive unserer Zusammenarbeit steht ziemlich in den Sternen.

2014 gab es mit "Eidolon" sogar ein REUTOFF-Tribute. Seid Ihr ein bisschen stolz? Und wart Ihr an der Auswahl der Tracks beteiligt, habt Ihr Euch die Künstler ausgesucht?

Na klar waren wir glücklich und stolz. Großartige Musiker haben mitgemacht, und entsprechend angemessen ist das Ergebnis. Wir waren tatsächlich direkt beteiligt an der Auswahl der Künstler. Wir haben einige angefragt, die uns interessieren und die uns in der Vergangenheit beeinflusst haben. So konnten wir im Gegenzug erleben, wie sie durch unsere Musik beeinflusst werden. So eine Interaktion und Reflexion zwischen kreativen Individuen macht immer sehr viel Spaß.

In Europa tretet Ihr nicht wirklich häufig auf, in Deutschland wart Ihr nur ein Mal (2013, Darmstadt). Könnt Ihr einen typischen REUTOFF-Liveauftritt beschreiben?

Konzerte in Europa sind wirklich selten. Das liegt aber nicht in unserer Hand, sondern an den Promotern. Unseren Liveauftritt beschreiben ... Was meinst Du eigentlich mit 'live'?!? Ich würde zunächst mal vorschlagen, sich einen YOUTUBE-Clip anzuschauen, aber das ist trotz allem nicht repräsentativ. Livekonzerte basieren auf einem ganz speziellen Level der gegenseitigen Beeinflussung von Musikern und Hörern. Es ist unmöglich, das auf Alben festzuhalten. Außerdem würden die Nachbarn was dagegen haben, wenn so ein Liveauftritt in der korrekten Lautstärke abgespielt würde ...

Vielen Dank für das Interview und den Ausflug nach Reutov!




 
Michael We. für nonpop.de


Verweise zum Artikel:
» REUTOFF @ Bandcamp
» REUTOFF @ Facebook
» REUTOFF @ Soundcloud
» Liveausschnitt vom D-Konzert 2013

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