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Michael We.

NICOLAS WIESE: Living Theory Without ...

... Anecdotes. Streicher, modern aufbereitet


NICOLAS WIESE: Living Theory Without ...
Genre: Experimental
Verlag: Corvo Records
Erscheinungsdatum:
Frühjahr 2013
Medium: Vinyl LP
Preis: ~20,00 €
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Living theory without anecdotes

Es ist schwer und schmerzlich einzugestehen, dass viele Formen von Motivation und Zuversicht aus einer naiven Ambitioniertheit heraus existieren. Denn mit naiver Ambitioniertheit ist man in dieser Welt selten gut beraten, und sie stößt schnell an die Grenzen ihrer kommunikativen Möglichkeiten, ihres kommunikativen Gehalts.

Für manche stellt es eine banale Tatsache dar, dass Künstler autistisch, oder zumindest weltfremde Narzissten sind. Ich habe diese Sichtweise nie akzeptiert, und nie ernst genommen. Sie ist auch sicher nicht objektivierbar oder generalisierbar; aber es lohnt sich, sie immer wieder am gegebenen Beispiel (also: als Künstler auch an sich selbst) zu überprüfen.

Was ist nun schmerzhafter, Naivität oder Wirkungslosigkeit? Oder besteht das Problem nur in der Selbstüberforderung, in der nervlichen und ethischen Belastung durch eine Ambitioniertheit, welche die Belastungsgrenzen, die Machbarkeit und die Verhältnismäßigkeit der Resultate nicht realistisch einschätzen kann? (Wie auch immer 'realistische Einschätzung' definiert und eingegrenzt werden kann….)

Anders herum betrachtet, mittels einer simplen Typologie: es gibt Künstler, denen es gefällt, einschätzbare und verläßliche Produkte herzustellen. Und es gibt andere Künstler, denen genau dies ein Graus ist – die sich zwar auch notwendigerweise gelegentlich wiederholen, jedoch stets das Wagnis suchen, die Herausforderung.

Herausforderung, challenge, ist eine weit verbreitete Vokabel des Unternehmertums. Im Unternehmerischen ist jedoch das letztendliche Ziel der Herausforderung stets von vornherein festgelegt: Profit, Wachstum, Konkurrenzfähigkeit, Innovation als Wettbewerbsvorteil. Die andere, unter Umständen künstlerische Art von Herausforderung drängt zur Ergebnisoffenheit, und vermeidet das klar definierte Ziel.

Der allzu leichtfertige Rückgriff auf verläßlich vorhandene skills und Techniken, der ein schnell 'funktionierendes' Ergebnis zeitigt, wird hier trotz allen Funktionierens als Kompromiss empfunden, als allzu einfache Lösung auf allzu sicherem Terrain. Ebenso wird die Kompromisshaftigkeit des Ergebnisses anhand eines allzu leicht definierten (kommunikativen) Ziels empfunden.

Aus unternehmerischer Sicht ist diese Art des Herausforderungsdenkens irre, realitätsfern, schlicht autodestruktiv. Es beinhaltet notwendigerweise die Bereitschaft, sich seiner Grenzen bewußt zu werden, und sich seine Unsicherheit und Verletzlichkeit einzugestehen. Auch nach außen kann dieses Eingestehen von Grenzen, Unsicherheiten und Verletzlichkeit nur bedingt versteckt werden, wenn man bereitwilligerweise auf ein klar definiertes Ziel verzichtet. Das nach außen hin sichtbare oder gar verbalisierte Eingeständnis von (Möglichkeits- /Machbarkeits- /Belastbarkeits-)Grenzen, Unsicherheit und Verletzlichkeit ist der unternehmerische Selbstmord. Es ist eine unwiderrufbare Schwäche oder einfach ein Beweis für ungeheure Naivität.

Im Geiste des utilitaristischen Menschseins wird alles Potenzial, alle Akkumulation von skills und beherrschbaren Techniken, alle Bereitschaft und Motivation und Ambitioniertheit zur Nutzmasse.

Es läuft immer auf die Dualität von Benutzen und Benutztwerden hinaus.

Naiv ist aus unternehmerischer Sicht, wer das klare Ziel aus den Augen verliert (oder gar bewußt verwirft), wer Schwächen eingesteht und wer handelt, ohne zuvor abzuwägen, was es ihm nützt. Naiv ist es in jeder Hinsicht, zu handeln, ohne sich zuvor darüber im klaren zu sein, ab wann und unter welchen Bedingungen und in welchem Maße das Benutztwerden einsetzt.

Subfertilität, geringe Fruchtbarkeit, ist ein Problem der unabschätzbaren Wirkungsmöglichkeiten und der mangelhaft analysierten Wirkungsfelder – Ohnmacht trotz permanenten Handelns, das phänotypische Gelingen im genotypischen Scheitern. Sie ist der Preis für die Verweigerung, ein Wirkungsziel zu definieren.

Die innerbürokratisch-technokratische Dienstnachricht 'away due to idle' , welche eine Nichterreichbarkeit im Firmennetzwerk anzeigt, beinhaltet mehr Ambivalenz als es zunächst scheint. Die Untätigkeit, die der Begriff idle per definitionem bezeichnet, ist im gegenwärtigen Arbeitsleben ein ungeheurer Balanceact zwischen  produktivkrafterhaltender Rekreation, sozialer Kontrolle, der Erprobung von soft skills und arbeitsplatzsichernder Wahrung des Scheins in der erschöpfenden Ausübung von Pseudo-Tätigkeiten.

Die Ziele all dessen stehen immer schon vorher fest, und sie werden stets von jemand anderem definiert. Man billigt den Tatbestand der Nutzmasse, und die Ambitioniertheit muss wohlbedacht ausbalanciert werden, ebenso wie die ihr verwandte, und im Wirkungsgrad identische Untätigkeit.

Die Anekdote ist das Fortleben des Mythos im rationalisierten heutigen Kommunikationsnetz. Sie gibt vor, ein heiterer, mehr oder weniger tatsachengetreuer Bericht eines mehr oder weniger unbedeutenden Ereignisses zu sein. Sie ist jedoch immer suggestiv aufgeladen, sie kommt in der Regel nicht ohne Metaphern aus, sie gemahnt an Wertesysteme und an die Unausweichlichkeit moralischer Urteile.

Eine Theorie der Naivität muss mit jedem Zeitalter (wie auch immer Zeitalter definiert und eingegrenzt werden können….) neu erdacht und neu geschrieben werden. Es ist eine irrige Annahme, dass naives Hinterfragen grundsätzlich weniger naiv ist als naives Hinnehmen. Es ist eine Frage der Perspektive, und somit des Zeitalters, dem man verhaftet ist, ob die Einwilligung in das Benutztwerden naiv oder seinerseits utilitaristisch ist, also ein kalkulierter Teilkompromiss zum letztendlichem Erlangen eines kompromisslos definierten Ziels. Es ist eine Frage der Perspektive, und somit des Zeitalters, dem man verhaftet ist, wo instrumentelle Vernunft beginnt und wo nicht-instrumentelle Vernunft aufhört, und wie groß die Grauzone dazwischen sein kann.

Es gibt wahrscheinlich genau so viele verschiedene Naivitätsgrade und -formen, wie es kognitive Systeme, also denkende Gehirne gibt. Es gibt wahrscheinlich genau so viele verschiedene Formen von Motivation, Ambition, Zieldefinition und Wirkungsabsicht, wie es Anekdoten, Anekdotenbegünstigungen, Anekdotenüberdrüssigkeiten, Anekdotenvermeidungen und Anekdotenverhinderungen gibt.


 
Michael We. für nonpop.de



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Zusammenfassung
Was alle vier Stücke auszeichnet, ist eine ungeheure Räumlichkeit. Die Bestandteile der Kompositionen treten so deutlich hervor, dass man sie anfassen möchte. Durchweg ansprechende, optisch und akustisch durchdachte, moderne Musik.

Inhalt
A1. Due To Idle (6:05)
A2. Subfertile (11:06)
A3. Der Elefant Im Porzellankäfig (6:34)
B1. El Jardín Revisitado (20:00)
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