HECATE ENTHRONEDWährend sich Leipziger und schwarze Szenemenschen Sonntag Nachmittag im Clara-Zetkin-Park sonnten, gellten hohe, gellende Schreie durch die idyllische und nach Bärlauch riechende Anlage. Der Ursprung war schnell ausgemacht: Auf der Parkbühne trat der wieder formierte CRADLE OF FILTH-Ableger
HECATE ENTHRONED auf. Die Hoch-Zeit des Sextetts endete 1999, als sich die Briten vom symphonischen Black Metal ab- und rauen Death Metal-Klängen zuwandten – und damit eine ziemliche Bauchlandung erlebten. 2013 sind wieder Donald Duck-Gesang und Bienenschwarm-Gitarren das Gesetz und Stücke wie „As Fire“ machten der Menge mächtig luziferanisches Feuer unterm Arsch. Nur das Make-Up haben die Teufelsanbeter anscheinend endgültig abgelegt. (RK)
PANKOWNachdem BRIGADE WERTHER ihren nahe an FRONT 242 angelehnten Sound auf die Bühne gebracht hatten, war es Zeit für den Auftritt von
PANKOW. PANKOW, die irgendwo im EBM/Industrial-Bereich eingeordnet werden können, erleben seit ein paar Jahren eine Art zweiten Frühling. Die Band, die seit Anfang der 80er Jahre Platten veröffentlicht – gerade als Industrial/Minimal-Fan sollte man die ersten Platten mal gehört haben – ist dabei im Grunde die Geschichte von MAURIZIO FASOLO – oder auch FM – und dem deutschen Sänger ALEX SPALCK. Drumherum kamen und gingen dagegen so manche Musiker.
Was PANKOW so interessant macht, ist dabei die Tatsache, dass die recht konsequente, stets ideenreiche und dynamische Elektronik auf den anarchischen Geist eines ALEX SPALCK trifft. Einerseits war die Zusammenarbeit mit SPALCK nicht immer einfach, was zu langen Unterbrechungen zwischen den Alben führte bzw. sogar zum Split in den 90ern. Andererseits scheint es auch nicht ohne ihn zu gehen, so dass es erst nach dessen Rückkehr ein neues Album gab – wenn man das etwas halbgare selbstbetitelte 1996er Album mit GIANLUCA BECUZZI (Ex-LIMBO, NOISE TRADE COMPANY) als Sänger weglässt. Aber gerade SPALCKs Texte und seine Herangehensweise als Performer sind unnachahmlich, weil sie die manchmal etwas zu bierernste EBM/Industrial-Landschaft mit wüstem Anarchismus fluten, ohne dabei aber als albern herüberzukommen. So gesellen sich neben Songtiteln wie „Das Wodkachaos“, „Deutsches Bier“ oder „Me & My Ding Dong“ auch Titel wie „Freiheit für die Sklaven“, „Let Me Be Stalin“ oder „Radikal“ – irre? Vielleicht – oder unbedingt!
Da ALEX SPALCK nicht mehr live auftreten will, übernimmt dessen Rolle auf der Bühne seit zwei-drei Jahren der Belgier BRAM DECLERCQ (ex-NTRSN), der neben SPALCK auch einige Titel auf dem jüngsten Album „And Shun The Cure They Most Desire“ singt. Geht so ein Wechsel des Frontmanns oft schief, so ist mit dieser Besetzung ein absolut passender Ersatz gefunden – der Begriff „Rampensau“ passt jedenfalls absolut und ist definitiv nicht negativ gemeint. Etwas reduzierter als sonst schon mal – also z.B. ohne Schlagzeug - absolvierten FM, DECLERCQ und ein etwas überflüssig und hyperaktiv wirkender junger Herr am Keyboard das Set und sorgten für ordentlich Bewegung im alten Landratsamt. Die älteren Titel wie natürlich „Kunst und Wahnsinn“, „Das Wodkachaos“, „Sickness Taking Over“ oder „Gimme More“ wurden wie auch schon zuletzt in sorgsam restaurierten Fassungen dargeboten und auch Stücke von der neuen Platte wie „Crash And Burn“ kamen zur Aufführung. Richtig Fahrt nahm die Geschichte dann am Ende noch einmal mit dem Kracher „Me & My Ding Dong“ auf, so dass man mit dem Auftritt nur rundum zufrieden sein konnte. (TF)
A SPLIT SECONDIm Anschluss wurde es etwas nostalgischer, da die Belgier von den Mitte der 80er gegründeten
A SPLIT SECOND nun an der Reihe waren. Immer irgendwie unter EBM eingeordnet waren A SPLIT SECOND eigentlich mehr – oder anders. Obwohl elektronisch agierend, waren sie auf den späteren Platten von den Strukturen her eigentlich die Brücke zum Rock. Andererseits machten sie am Anfang aber auch feinste Elektronik und begründeten den New-Beat-Stil mit. Nach vielen Jahren ohne sichtbare Aktivitäten tritt auch diese Band wieder live in der schon früher praktizierten Aufstellung Keyboarder, Gitarrist und Sänger auf, wobei MARC ICKX neben dem Mikrophon ab und an noch seine Drum-Pads bearbeitet.
Beginnend mit dem hypnotischen „Colonial Discharge“ arbeitete sich die Band durch ihr an Hits wie „Mambo Witch“, „Bend My Body Armor“ und natürlich „On Command“ nicht armes Repertoire, wobei am Sound allerdings nicht groß gearbeitet wurde, sodass die Musik nach heutigen Maßstäben hier und da doch etwas überkommen klang. Gerade MARC ICKX ist aber auch ein engagierter und routinierter Frontmann, der mit seiner Bühnenpräsenz schon beeindruckt. Somit kam im alten Landratsamt bei rappelvollem Haus mächtig Stimmung auf, sodass die Qualität der Luft am Ende des Konzerts kaum noch zu unterbieten war. Einzig „Flesh“ – im Remix der New-Beat-Hit schlechthin – stand sicherlich zum Leidwesen einiger Zuhörer nicht auf der Setliste bzw. fiel der begrenzten Zeit zum Opfer, da er bei den letzten Auftritten im Programm war. Als gelungen kann man das Konzert aber auf jeden Fall bezeichnen. (TF)
SUTCLIFFE JÜGENDAbsolutes Kontrastprogramm gab es danach im Anker mit
SUTCLIFFE JÜGEND. Angesichts des Outputs von KEVIN TOMKINS und PAUL TAYLOR konnte man gespannt sein, was für ein Sound und in welcher Heftigkeit einem entgegenschallen würde. Tatsächlich wurde es dann gar nicht so „belastend“, wie ich zunächst befürchtet hatte, da die beiden ein recht abwechslungsreiches Set aus noisigen Tracks über düsteren Industrial bis hin zu abgründigen mit Spoken-Words versetzten Soundcollagen boten, sodass die Spannung durch ein beständiges An- und Abschwellen des Lärmlevels erhalten blieb.
Die Generierung der Klänge erfolgte dabei weitestgehend live mit Manipulationen der Stimme von KEVIN TOMKINS, mittels einer von PAUL TAYLOR gespielten Gitarre, der aber auch mal das Mikrophon übernahm, und mit sonstigen Controllern und Geräten, mit denen Klänge geloopt oder bearbeitet wurden. Während Tracks wie „Fuckrage“ vom Album „With Extreme Prejudice“ für den noisigen Part standen, so wirkten sich auch die ruhigeren, düster-morbiden und abgründigen Sounds auf die Performance aus. Gerade der Abschluss mit „Lucky“ steigerte sich dabei von abgründigen Atmosphären bis ans Limit in ein intensives Industrialwerk erster Klasse. Aber auch das düstere „Blue Rabbit“-Album hinterließ soundtechnisch seine Spuren. Was die Performance anging, so gab vor allem KEVIN TOMKINS alles, als er wie außer Kontrolle geraten auf der Bühne agierte und seine Texte proklamierte bzw. herausschrie. Eine gewisse Breitbeinigkeit in der Darstellung konnte man den beiden als Zuschauer da sicher verzeihen. Insgesamt auf jeden Fall ein überraschend interessanter Auftritt. (TF)