Die Seite wird geladen... einen Moment bitte.
Michael We.

Wilder Mann - Fragen an CHARLES FRÉGER

Interview mit dem französischen Fotografen zum neuen Buch


Wilder Mann - Fragen an CHARLES FRÉGER
Kategorie: Spezial
Wörter: 1128
Erstellt: 21.07.2012
Kaufen bei: Amazon


Schrift vergrößern Schrift verkleinern

Hallo CHARLES! Bislang hast Du Dich häufig um Uniformen, um Standardisiertes gekümmert, jetzt um das Wilde, Unberechenbare – wie kam es zu diesem Sinneswandel?

Das ist eigentlich gar kein so großer Unterschied, denn es geht immer noch um Gemeinschaften. Wenn ich fotografiere, dann nie Einzelpersonen, sondern Menschen, die Teil einer Gruppe sind. Wenn Du Dir die Bilder anschaust, dann siehst Du auch nie nur ein einzelnes, singuläres Kostüm, sondern viele ähnliche. In den Dörfern, in denen ich war, ziehen sich vielleicht 20, 30 Männer die gleichen Kostüme an. Du könntest es also beinahe als 'Uniform' betrachten. Natürlich haben die Kostüme nicht ganz die Standards einer Uniform. Der größte Unterschied ist wohl, dass die Serie spiritueller geworden ist als alle vorigen.

Wie sah Deine Vorbereitung aus? Hast Du zum Beispiel bestimmte Maskenfeste in Europa besucht?

Alles fing in Österreich an, dort habe ich zum ersten Mal einen Krampus gesehen und fotografiert. Von da aus folgte ich einer Spur nach Ungarn, und dort bekam ich Hinweise auf Masken in Kroatien und so weiter. Ab einem gewissen Punkt fühlte sich das an wie eine Mine, in der ich weiter und weiter graben musste, um herauszufinden, worum es eigentlich geht. Also habe ich mich zwei Monate lang hingesetzt und versucht, Informationen über entsprechende Länder zu sammeln und mir einen Ablauf für den darauffolgenden Winter erstellt. So war ich in der Lage, in einem kurzen Zeitraum  so viele Masken-Gruppen wie möglich zu besuchen. Zu diesem Zeitpunkt war ich bei zwölf Ländern angelangt, die für so eine Fotoserie interessant zu sein schienen. Als dann immer weitere dazu kamen, habe ich mir ein Limit gesetzt und eine Route festgelegt und bestimmte Regionen ausgeklammert. Anschließend habe ich Kontakt zu den entsprechenden Gruppen gesucht, manchmal alleine, oft aber auch mit einem Übersetzer oder mit der Hilfe eines Museums vor Ort, und dann bin ich losgefahren.

Wie bist Du vor Ort an die Fotomodelle gekommen? Also woher wusstest Du, in welchem Landesteil, in welchem Dorf die Menschen solche Masken tragen?

Das war eine Mischung aus allen möglichen Ansätzen. Manchmal hat es gereicht, in eine Bar vor Ort zu gehen und zu plaudern, dort hat Dir einer was vom Nachbardorf erzählt, wo die Männer Masken tragen. Ich habe mit Ethnologen gesprochen, Bücher gelesen, alte Bücher; da standen aber auch viele Sachen drin, die es heute leider nicht mehr gibt. Ich habe das Projekt allerdings ganz bewusst auf zwei Winter begrenzt. Deshalb ist es jetzt so, wie es ist. Ich wollte es nie auf sieben oder zehn Jahre anlegen. Die Fotos zeigen quasi stellvertretend das, was in der Winterzeit in noch vielen weiteren Ländern geschieht. Das ist mir besonders wichtig zu erwähnen. Alle Gruppen kennen sich auch untereinander. Die Ungarn die Kroaten, die Kroaten die Mazedonier und so weiter. Du würdest also immer jemanden finden, der noch jemanden kennt, den Du noch nicht fotografiert hast.

Wenn ich Dich richtig verstehe, war "Wilder Mann" also nicht von Beginn an generalstabsmäßig geplant, sondern hat sich von einem Winter zum anderen auch sehr stark von alleine entwickelt ...

Genau. Für den zweiten Winter habe ich schon viel organisiert, im ersten war alles sehr improvisiert, ein Schrittchen nach dem anderen. Das ging irgendwann nicht mehr, weil ich die meisten Strecken selbst gefahren bin. Ich musste mir also sinnvolle Routen überlegen von Frankreich nach Deutschland, dann nach Österreich und Slowenien, Mazedonien und am Ende zurück über Italien nach Frankreich. Es war nötig, das gut zu durchdenken, sonst hätte die ganze Reise sooo scheißviel gekostet. Es war so oder so ein teures Projekt, aber ich habe die Kosten im Rahmen gehalten, weil ich fast alles selbst gemacht habe, fahren, organisieren ... Ich bin auch alleine zu den meisten Gruppen gegangen, ein paar Tage bei ihnen geblieben.

Wie haben die Menschen mit ihren Masken auf Deine Kamera reagiert? Musstest Du wirklich alle erst vorher kennen lernen, bevor sie sich fotografieren ließen?

Ich habe mich mit allen im Voraus darauf verständigt, dass ich sie nicht bei ihren Masken-Festen, also in Aktion fotografiere, sondern dass unsere Session separat stattfindet, in einer Umgebung, die ich auswähle. Wir haben einen Treffpunkt und eine ungefähre Dauer ausgemacht, so fünf Stunden pro Shooting ungefähr. Ich habe allen vorher Fotos gezeigt von der Stelle, wo ich sie gerne fotografieren wollte, und ja, dann fing halt die Arbeit an. Bei vielen habe ich auch privat übernachtet, wir haben lange miteinander zu Abend gegessen, das hat mir große Freude bereitet.

Wie viele Fotos pro Gruppe hast Du im Schnitt geschossen?

Puh, schwierig. Manche Gruppen bestanden aus fünf, manche aus 30 Leuten. Lass uns einfach sagen, ich habe wirklich viele Fotos gemacht, um am Ende rund 200 auszusuchen.

Kannst Du für uns in Worte fassen, wie die Kostüme, die Masken vor Ort auf Dich gewirkt haben?

Ich glaube, wenn Du Dich als Fotograf in ein Thema vertiefst, dann neigst Du dazu, dieses Thema aufzusaugen. Ganz besonders bei Porträts ist es so, dass Du Dich irgendwann selbst wie eines Deiner Modelle fühlst. Wenn ich das in einem Satz beschreiben müsste: Wenn Du Bären fotografierst, wachst Du an irgendeinem Morgen vielleicht selbst als Bär auf. Ich habe während der Arbeit zu "Wilder Mann" festgestellt, dass dieser Prozess eine Möglichkeit ist, meine eigene Wildheit auszudrücken. Das starke Gefühl, dass jeder von uns so etwas in sich trägt. Die meisten der von mir fotografierten Traditionen drücken einen sehr tief verwurzelten, dunklen, heidnischen Instinkt aus. Es gibt auch immer eine Verbindung zu Sexualität und Fruchtbarkeit. Diesem sehr starken, alles durchdringenden Geist habe ich mich verbunden gefühlt. Und ich fühlte mich wirklich sehr hingezogen zu dieser Bären-Idee, also selbst ein Bär zu sein.

Du hast in Deinem Blog tatsächlich geschrieben, das Du nun bereit bist, Dir ein eigenes Kostüm anzufertigen und selbst ein Bär zu werden. Wie weit bist Du mit diesem Kostüm? Bist Du schon teilweise zum Bären geworden?

Ja, genau das mache ich gerade, ein Kostüm! Ich arbeite mit einem Choreographen zusammen für eine Show im nächsten Jahr. Ich stelle den Prototypen für die Kostüme zur Verfügung, die selbstverständlich viel mit "Wilder Mann" zu tun haben werden. Dabei hilft mir ein professioneller Kostümmacher, mit dem ich insgesamt fünf verschiedene Modelle herstelle.

Wie genau soll diese Show aussehen, was passiert da?

Es handelt sich um eine Aufführung in einem Theater während der nächsten BIENNALE NATIONALE DE DANSE in der Nähe von Paris, zusammen mit JOZEF NADJ. Er ist bekannt für sehr organische Aufführungen. Wir wurden also von der DANCE BIENNALE beauftragt, ein gemeinsames Projekt mit vier Tänzern auf die Beine zu stellen, die alle so aussehen wie ein Wilder Mann.

=> weiter





 
Michael We. für nonpop.de


Verweise zum Artikel:
» Homepage von CHARLES
» "Wilder Mann" beim Verlag
» Definition des Wilden Mannes @ Wiki


Anzeige:
Namentlich gekennzeichnete Beiträge spiegeln ausschließlich die Meinung des jeweiligen Verfassers bzw. Interviewpartners wieder. Nachdruck (auch auszugsweise) nur mit schriftlicher Genehmigung durch den Betreiber dieser Seite.
Link-Code zu diesem Artikel:
Wöchentliche Artikelübersicht per Mail
Werde NONPOP- Redakteur...
» Diesen Artikel bewerten
» Kommentar zum Artikel verfassen
NONPOP RADIO
Nonpop Radio starten:

Hier Popup
Ebay- Angebote zum Thema:
Charles Fréger
 
cialis cialis fiyat seo sorgulamahacklink seo backlink sorgulama hacklink satış backlink satış makale programı Tanıtım Yazısı site analiz seo analiz seo aracları seo sorgula backlink satış instagram takipçi hilesi meme küçültme pubg hile al hacklink satışbacklink al google sıra bulucu
fragen mann wilder