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Michael We.

Black Metal auf Bayerisch

Ein Interview mit LUNAR AURORA zum neuen Album "Hoagascht"


Black Metal auf Bayerisch
Kategorie: Spezial
Wörter: 1530
Erstellt: 19.05.2012
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Hallo BENJAMIN! Welche Rolle spielt Sprache überhaupt im Black Metal? Um ehrlich zu sein – die meisten Lyrics versteht man doch gar nicht, unabhängig von Sprache oder Dialekt ...

BENJAMIN: Ob man sie später in der Musik versteht oder nicht: In erster Linie dienen die Texte dem jeweiligen Selbstausdruck des Verfassers. Und eine gewisse Klangfarbe hat jede Sprache. Diese Klangfarbe erkennt man auch im Black Metal.

Bevor ich mich als Nicht-Bayer in die Nesseln setze, lass uns Fakten klären: Sind Eure Texte bayerisch oder oberbayerisch, und gibt es da überhaupt einen Unterschied?

B: Unsere Texte entsprechen dem oberbayerischen Dialekt aus der Gegend von Rosenheim und Ebersberg. Aus dieser Ecke stammen wir. Aber es gibt in jeder bayerischen Region unterschiedlichste Dialekte. Teilweise variieren die Dialekte in kleinsten Nuancen von Landkreis zu Landkreis. Oder sogar von Ortschaft zu Ortschaft. Die Franken und Schwaben lasse ich an dieser Stelle mal außen vor. Das wäre wieder eine eigene Geschichte, obwohl sie zu den Regierungsbezirken von Bayern zählen.

Wie hat es sich ergeben, dass Ihr alle Lieder auf "Hoagascht" im Dialekt singt? War das von vorneherein eine bewusste Entscheidung oder eine langfristige, sozusagen zufällige Entwicklung?

B: Nachdem wir während der Entstehung von "Hoagascht" feststellten, dass die neuen Lieder in eine sehr erdige und ruhige Richtung gehen werden, war uns schnell klar, dass hier unser heimischer Dialekt gut passen wird. Außerdem wollten wir eh mal so texten, wie uns der Schnabel gewachsen ist. Im Alltag sprechen wir – mal mehr, mal weniger – Dialekt. Selbst wenn wir Schriftdeutsch sprechen, hört man uns die Herkunft an.
Die Texte für "Hoagascht" entstanden teilweise in wenigen Minuten. Keine Schachtelsätze, keine Tiefenpsychologie ... geradeaus und karg, wie es das Naturell unserer Herkunft gebietet. Zumindest in Teilen. Die ganze Atmosphäre und Thematik von "Hoagascht" kam uns so sehr entgegen, dass wir fast Passagiere wurden.

Was drückt Ihr mit den bayerischen Texten aus? "Hoagascht" scheint ja dennoch kein thematisches Konzeptalbum zu sein, sonder eher ein Fotobuch mit Momentaufnahmen ...

B: Wir sind in den späten 70ern und in den 80ern sehr ländlich im südoberbayerischen Raum aufgewachsen. Und leben dort bis heute. Wir sind schon als Kinder oft in den Alpen gewesen, wir haben die harte Dorfschule mitsamt Watschn und Ohrenziehen überstanden, den Misthaufen und das Wirtshaus neben der Kirche gehabt, unser Religionslehrer war zugleich der Pfarrer, wir haben früh Perchtenläufe bestaunt, wir haben Brauchtum hautnah im eigenen Dorf mitbekommen und zum Teil mitgemacht, wir haben beim Bauern mit auf dem Traktor gesessen und uns dabei den Arm am Auspuff verbrannt, wir haben in Heuschuppen und zwischen Heumandl gespielt, wir haben unsere altvertrauten Waldwege und (un)heimlichen Orte, wir haben bayerische Wirtshausluft inhaliert, wir haben die ganze Mentalität der Menschen hier verinnerlicht und sind selbst ein Teil davon. Wir haben die ganzen Eigenheiten der hiesigen Natur in allen Jahreszeiten genossen. Da war es nur eine Frage der Zeit, bis sich das auch mal in einem Album niederschlägt. Insofern ist "Hoagascht" in der Tat eine Art Fotobuch oder Audiobuch mit Momentaufnahmen.

Was braucht es heute, viele Jahre später, damit Du Dich 'dahoam' fühlst?

B: Dafür braucht es die Gegend, aus der ich stamme. Und die großartige Kulisse der Alpen, die man hier vor der Nase hat.

Siehst Du eine Parallele zwischen Eurer Musik und der Naturverbundenheit des skandinavischen Black Metals?

B: Kann schon sein. Aber im Prinzip kann jede Band, die ihre Wurzeln gekonnt hörbar macht, Verbundenheit darstellen. Skandinavien ist ein etwas überstrapaziertes Aushängeschild, aber es gibt auch ergreifenden, heimatgefärbten Black Metal aus vielen anderen Ländern.

Andere Inhalte des (nicht nur skandinavischen) Black Metals lehnt Ihr strikt ab: Satanismus, Okkultismus und die Politisierung des Genres. Eine Gretchenfrage: Was heißt denn dann 'Black Metal' für Euch?

B: Es ist uns gar nicht wichtig, als Black Metal-Band bezeichnet zu werden. Uns entspricht lediglich die Art der Klangbildung, da sie - vereinfacht gesagt - verträumt und zugleich wütend wie die Naturelemente sein kann. Es ist eine sehr instinktive Musik. Wir sehen dies alles aus einer eher metaphysischen und egozentrischen Form heraus. Wenn wir komponieren, bewegen wir uns im Innern, nicht im Außen.

Deinen Erklärungen bis hierhin entnehme ich, dass auch die Geister- und Sagenwelt bei Euch keine Rolle spielt, im Gegensatz zu anderen alpinen Mundart-Bands wie etwa STURMPERCHT. Richtig?

B: Die Sagenwelt weniger, aber das Thema 'Geister' in diversen Ausführungen schon. Wobei wir uns nicht ausschließlich auf 'Geister' im Sinne von unerlösten Menschenseelen beziehen, als vielmehr auf Naturgeister. Aber das ist wieder ein weites Themenfeld für sich, das ich hier nicht vertiefen möchte.

Um welche Geister geht es in "Geisterwoid"?

B: In diesem Lied beziehen wir uns eher auf den 'Geist', der gewisse Orte bewohnt. Sowohl auf Naturgeister als auch auf umherirrende Seelen. Aber auch auf den übergeordneten Hüter eines Ortes. Das alles ergibt natürlich nur für diejenigen Sinn, die an weitere Existenzformen glauben, als wir sie mit unseren Augen wahrnehmen können.

Gerade was Bayern angeht, gibt es ja jede Menge Klischees rund um die Bekleidung: Lederhosen, lustige Hüte ... Spiegelt sich die Verbundenheit zu Eurer Heimat bei Euch auf der Bühne wieder, also erkennt man Eure Herkunft?

B: Da wir keine Konzerte mehr geben, erübrigt sich dieses Thema für uns. Aber selbst, wenn wir weiterhin Konzerte geben würden, hätten wir dabei keine Tracht oder ähnliche Dinge an. Das Album "Hoagascht" darf hier nicht überbewertet werden. Es war uns ein persönliches Verlangen, aber es wird keine generelle Ausrichtung herbeiführen. Unser Umgang mit unserer Herkunft findet eher dezent im Alltag statt, als sie einem Ausverkauf gleich in die Öffentlichkeit zu transportieren.

Jetzt noch ein paar Detailfragen zum Album: Was ist eigentlich ein "Hoagascht"?

B: Der Name "Hoagascht" leitet sich von 'Heimgarten' ab und bezeichnet ursprünglich ein musikalisches Nachbarschaftstreffen vor dem Haus, im Garten. Heute verwendet man den Begriff ganz allgemein für ein Musikantentreffen. Und da wir uns nach all der Zeit immer noch als lose Musikanten verstehen, passt das. Ein "Hoagascht" ist eine der letzten nichtkommerziellen Veranstaltungen für traditionelle Volksmusik. Für uns ist unser Album auch eine Form von Volksmusik. Vielleicht sogar volksnaher als so mancher volkstümliche Kitsch. Aber auch so ist es mir von meinem Aufwachsen auf dem Land nicht fremd, wenn abends zum Beispiel der Hausmeister der Dorfschule noch Goaßlschnoizen mit Musikbegleitung in seinem Garten geübt hat.
Ich persönlich verbinde mit "Hoagascht" aber auch das Musizieren in einem inneren 'heimatlichen Garten'. Im übertragenen Sinn. Der Garten taucht in vielen Sagen als eine Welt des Jenseitigen und des Verzauberten auf. Ein in sich abgeschlossener und geschützter Raum. Das geht zurück bis zum Garten Eden. Ein Musisch-Sein und ein Kraft-Schöpfen in und aus der Welt, aus der wir Menschen kommen. Verinnerlicht im Bildnis des Gartens. Gespürte Ur-Heimat, die jeder in sich trägt.

Also ist 'Volksmusik' für Euch und Eure Musik kein Schimpfwort?

B: Nein. Volksmusik hat leider den Beigeschmack von Musikantenstadl und Konsorten, aber ursprünglich ist doch jede Form der Musik, die sich dem Regionalen zuwendet, eine Volksmusik.

Ich kann alle Songtitel auf Anhieb 'übersetzen', bis auf zwei: Was ist ein "Håbergoaß", und worum geht es in dem Stück?

B: Im Wort "Håbergoaß" steckt das Wort 'Geiß' oder 'Ziege'. 'Haber' ist ein Wort für 'Bock'. Der/Die "Håbergoaß" ist also ein Zwitterwesen, eine Kreuzung aus Bock und Geiß. Ehemals wurde darin ein Fruchtbarkeitswesen gesehen. Ein "Håbergoaß" ist heute zu vergleichen mit den Perchten. Da kann aber jetzt gerne jeder selbst nachschlagen, was Perchten sind. Der/Die "Håbergoaß" tritt mit Hörnern und Ziegenfell auf. Kurz gesagt geht es um Winterdämonen, um Reinigung und um Segnung und Fruchtbarkeit für das neue Jahr. Das ist es auch in Kurzform, um was es in dem Lied geht.

Und bitte auch noch eine Übersetzung und Deutung für "Reng" ...

B: Ganze einfach: Regen! Im Lied geht es ganz schlicht um die Stimmung eines Regentages. Wenn alles verschleiert wird und man sich auch innerlich etwas runterfährt und zurückzieht. Der Regen als Regeneration und Reinigung. Auch dies wieder nur als Erläuterung in Kurzform. Für mehr Inhalt gibt es das Lied, das es hoffentlich besser beschreiben kann.

Gut, auf die Übersetzung hätte ich tatsächlich auch selbst kommen können... Das Presseecho auf "Hoagascht" und Eure Rückkehr ist gewaltig - hat das Einfluss auf die doch recht unsicher scheinende Zukunft von LUNAR AURORA, tretet Ihr zum Beispiel doch wieder live auf, irgendwann?

B: Nein, live treten wir in dieser Formation nicht mehr auf. Was das Presseecho anbelangt, so kann ich gar nicht mal so viel dazu sagen. Ich verfolge das nur am Rande. Wir machen Musik, wann und wie es uns passt. Unabhängig von äußeren Geschehnissen. Und sollte mit LUNAR AURORA mal Schluss sein, geht es vielleicht in anderer Form weiter. Wer weiß ...

Wird ein nächstes Album wiederum bayerisch ausfallen, oder bleibt "Hoagascht" einmalig?

B: "Hoagascht" bleibt einmalig. Das brauchen wir nicht wiederholen. Das nächste Album wird wieder in eine andere Richtung gehen. Mehr kann ich aber auch noch nicht sagen, weil bisher kein einziger neuer Song fertig ist.

BENJAMIN, vielen Dank für das Interview!




 
Michael We. für nonpop.de


Verweise zum Artikel:
» LUNAR AURORA
» LA @ myspace
» LA @ facebook
» LA @ Wiki
» Shop für LUNAR AURORA
» Label von LUNAR AURORA


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