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Michael We.

FELIX KUBIN rettet die Welt (akustisch)

Ein Interview zum ersten Teil von "Historische Aufnahmen"


FELIX KUBIN rettet die Welt (akustisch)
Kategorie: Spezial
Wörter: 1417
Erstellt: 25.03.2011
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Du bist offenbar jemand, der sich ganz besonders Gedanken um die Wirkung des jeweiligen Formats macht und, um die gängigsten zu nennen, alles zwischen Kassette und Download als gleichberechtigt ansieht. Ist es nicht kurios, etwas 'Historisches', gesammelt für die Ewigkeit, ausgerechnet auf Vinyl herauszubringen? Wäre nicht eine CD oder sogar ein Download-Archiv praktischer gewesen?

Ich wollte unbedingt ein sinnliches, großes Format. Da fällt mir alternativ zum Vinyl nur das klassische Tonband ein, aber wer hat heutzutage noch ein Tonbandgerät. Die Haltbarkeit von CDs wird sich noch zeigen, einige meiner alten CDs funktionieren schon nicht mehr richtig, wohingegen gute Vinylpressungen aus den 60er-Jahren noch ziemlich gut klingen. Ein rein wissenschaftliches Archiv interessiert mich nicht, mir geht es ja um den künstlerischen Aspekt der Aufnahmen. Kunst und Wissenschaft waren vor hunderten von Jahren noch eng miteinander verflochten, ihre spätere Auftrennung ist dem Fortschritt des Geistes nicht unbedingt gut bekommen und hat das Leben zunehmend einem langweiligen Positivismus unterworfen.

"Sinnliche Freuden aus dem Reich des Analogen", versprichst Du, ebenfalls im Vorwort. Das Analoge scheint Dir ohnehin sehr am Herzen zu liegen: Du hast ein Vinyllabel und machst Musik auf einem KORG-MS20. Bist Du ein moderner Maschinenstürmer? Also wenn Du die Wahl hättest, würdest Du das Internet abschalten?

Ich habe keine Vorbehalte bestimmten Formaten gegenüber. Vinyl, Tonband, Kassette, mp3, CD sind zunächst einmal ganz neutrale Aufzeichnungsmedien für mich. Maschinen sind nur so gefährlich wie die Macht ihrer Anwender. Das einzige, was mich am digitalen Kosmos stört, ist seine Geruchlosigkeit. Das Internet entspringt ja dem Wunsch der Menschen, alles Weltdenken in einem komplex verlinkten System zusammenzuführen, das sie einander näher bringt. Es funktioniert wie ein großes Gehirn mit zunehmendem Aufmerksamkeitsdefizit und narzisstischer Persönlichkeitsstörung. Sollte man das abschalten? Wenn mich mein Denken nicht in Ruhe lässt, weiß ich mich zu betäuben. Aber das Riesengehirn des Erdballs abzuschalten, ist schon etwas anderes. Das kommt einer schweren Gehirnerschütterung gleich. Ich persönlich hätte nichts gegen einen Super-GAU im Internet. Endlich mal keine Emails, schwarzer Bildschirm, GOOGLE heute geschlossen. Muss man halt wieder Postkarten schreiben.



"Pygmäisches Jagdritual"
(Ausschnitt, "Historische Aufnahmen 1")


Ein Medium, das Du in Interviews immer wieder erwähnst, ist die Kassette, das Tonband des kleinen Mannes. Für wie wichtig hältst Du Tapes momentan? In den letzten Jahren sind ja unheimlich viele Kassetten-Labels gestartet ...

Die Kassette steht für schnelle Reproduktion und garantierte ökonomische und kreative Unabhängigkeit. Sie ebnete den Weg ins Zeitalter der Homerecording Studios. Ihre heutige Renaissance erkläre ich mir aus dem Wunsch nach einem Sound, der sich vom harten, sauberen Klang der digitalen Medien durch Bandsättigung, leichtes Rauschen und weichere Höhen unterscheidet. Ein bisschen Sentimentalität schwingt sicherlich auch mit. Die Plattform MYSPACE war eine zeitlang ein modernes Äquivalent der alten Tapeszene, natürlich beraubt um deren persönliche soziale Note, die mit handverpackten Paketen einherging. Ich hab unglaublich gute Sachen über MYSPACE kennengelernt. Darunter eine Künstlerin namens MELISSA ST. PIERRE, von deren Band TECHNICAL DRAWNINGS ich jetzt gerade eine LP veröffentliche. Die Plattform hat sich nach ihren Anpassungsversuchen an FACEBOOK allerdings selbst hingerichtet.

Du erzählst häufig von Kassetten-Sessions aus Deiner Jugendzeit. Welche Veröffentlichungen erwarten uns da noch? "Historische KUBIN-Aufnahmen"?

Diese Aufnahmen gibt es ja schon. Vor gut zehn Jahren erschien bei dem französischen Label SKI-PP und bei A-MUSIK in Köln eine Sammlung meiner "Tetchy Teenage Tapes", die ich zwischen 1981 und 1985 mithilfe meines 4-Spur-Geräts im Wohnzimmer produziert hatte. Bis heute glauben übrigens viele, dass diese Aufnahmen gefälscht sind.




KUBIN-Musikvideo "Hotel Supernova"

Inwieweit denkst Du im alltäglichen Leben das Akustische mit, also hörst gezielt auf den Klang von Geschirr beim Frühstück, Bremsenquietschen beim Autofahren?

Jeden Tag, jede Sekunde. Ich habe schon an mehreren Kunsthochschulen Workshops zum Thema 'Futuristische Küchenmusik' gegeben, weil die Küche so ein reichhaltiges Instrumentarium bereithält. Ramm Bamm Bäng Klirr! Ein besonders hässliches Geräusch ist die umfallende, herumrollende Flasche im Kino. Es gibt auch akustische Zwangsvorstellungen: Immer wenn ich eine Straße überquere, stelle ich mir vor, wie es klingt, wenn ich von einem Auto überfahren werde. Der dumpfe Aufprall, die Erschütterung, das Knacken der Knochen. Ich höre die Welt sehr bewusst. Es gibt immer noch viele Momente, die nicht einmal mit dem besten Equipment aufgezeichnet werden können. Dazu bedarf es einer zukünftigen Generation rauschfreier Wandler und Mikrofone, mit denen auch feinste Nacht- und Nebengeräusche zu hören sind.

Was unsere Hörgewohnheiten angeht, welche Rolle kommt da momentan Hörspielen zu? Du arbeitest ja selbst als Musiker an einigen mit. Findest Du nicht, dass allein durch die schiere Masse an Produktionen ein Hörspiel zum Wegwerfartikel geworden ist?

Keineswegs! Sonst wäre ja jeder Apfel ebenfalls ein Wegwerfprodukt. Was gut ist, bleibt gut, egal in welcher Menge es produziert wird. Hörspiele sind fantasieanregend, weil sie keine Bilder vorgeben. Ich schreibe übrigens meine eigenen Hörspiele, habe nur einmal bei einer Fremdproduktion Musik beigesteuert. Das ist ein tolles Medium, nach wie vor. Hörspielredakteure gehören zu einer aussterbenden Art von Freigeistern, die das Experimentieren lieben. Verglichen mit der irren Produktionswut im Musiksektor hält sich die Menge an Hörspielproduktionen noch sehr im Rahmen. Radio wird seit einiger Zeit auch von der Kunst- und Off-Szene entdeckt, fernab vom trägen Senderbetrieb. Es gibt viele Internetplattformen, wie zum Beispiel RADIO1001.ORG, RADIA.FM oder auch RADIO WEB MACBA. Für letzteres produziere ich eine 6-teilige Serie über osteuropäische Untergrundmusik.

Du hast das Medium Radio erwähnt: Welche Rolle spielt denn der Hörfunk, gerade was Neue Musik und Experimentelles angeht, also die Erweiterung des Gewohnten?

Die Bereitschaft der Sender, den Zuhörern etwas 'zuzumuten', nimmt ab. Aber noch gibt es tolle Sendungen, z.B. beim WDR, BR, DEUTSCHLANDRADIO oder SWR, in denen Musik, die eine höhere Konzentration erfordert, auch vor Mitternacht gespielt wird. Beim NDR hat man das schon aufgegeben. Dabei ist die Erweiterung des Gewohnten der klassische Ärmeltrick der Evolution.

Eine Off-Topic-Frage ganz zum Schluss; die treibt mich um, seit ich zum ersten Mal ein Foto von Dir gesehen habe: Deine Frisur, also die rundgeschnittenen Haare, erinnert mich übermächtig an "Raumschiff Enterprise" (das Original). Dein Label heißt außerdem GAGARIN, wie der sowjetische Kosmonaut. Wirst Du irgendwann eine Rolle im STAR TREK-Universum spielen? Oder gar wirklich zu den Sternen fliegen?

Als Künstler sollte man immer nach den Sternen greifen. Bescheidenheit ist da unangebracht.

FELIX, vielen Dank und von Herzen viel Erfolg mit "Historische Aufnahmen"!



Foto: DORLE BAHLBURG


 
Michael We. für nonpop.de


Verweise zum Artikel:
» KUBIN @ myspace
» KUBIN @ last.fm
» KUBIN @ Wiki
» GAGARIN RECORDS
» "Historische Aufnahmen" @ A-MUSIK (18.90 Euro)

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