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Michael We.

GRAUZONE - Albträume von Eisbären

Das Interview zur neuen Doppel-CD "1980-1982 Remastered"


GRAUZONE - Albträume von Eisbären
Kategorie: Spezial
Wörter: 1175
Erstellt: 29.01.2011
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Ihr habt damals ja einiges getan, um nicht nur auf "Eisbär" reduziert zu werden. Zum Beispiel habt Ihr den Song auf Konzerten gar nicht gespielt. Wie waren die Reaktionen?

MARCO: Wir hatten das Konzept, Studioaufnahmen und Konzerte gänzlich zu differenzieren. Im Studio wurde Klangforschung in Perfektion betrieben, während wir live unberechenbar blieben und eine Art Klangperformance mit Super-8-Filmen betrieben. Die Reaktionen waren natürlich schon da von enttäuschten Besuchern, welche "Raum" oder den "Eisbär" hören und nicht ein chaotisches Konzert erleben wollten.

Auf "1980 - 1982" ist eine englische Version von "Eisbär" drauf. Ist die wirklich nie veröffentlicht worden?? Das wäre vielleicht sogar Euer internationaler Durchbruch gewesen ... So wie "99 Red Balloons" von NENA.

MARCO: Dazu kann ich sagen, dass der Gesang und Text in der deutschen Originalfassung einfach perfekt und treffend für die Zeit waren, der "Eisbär" in der Originalfassung wurde ja weltweit verkauft. Ich glaube definitiv nicht, dass die englische Fassung nur annähernd das gleiche Potential gehabt hätte wie eben der "Eisbär". Aber historisch wertvoll, dass diese Version vollständigkeitshalber nun auf der Doppel-CD ist.

BRUNO: Die Aufnahmen zu "Polar Bear" waren verschollen und wurden im Rahmen dieses Remastering-Projektes wieder entdeckt und restauriert. Die Gründe der damaligen Nicht-Veröffentlichung sind aus heutiger Sicht nicht mehr klar bzw. gibt es unterschiedliche Erinnerungen.

Ihr habt bewusst keine Fernsehauftritte gegeben, spieltet jedes Konzert mit anderem Repertoire und in einer anderen Stimmung, mit langen Synthie-Improvisationen – wolltet Ihr nicht berühmt werden?

MARCO: Schlussendlich sind wir es trotzdem geworden. Wir sahen uns auch als sich wandelndes Kunstprojekt, das tut, was es tun muss. Ich glaube nicht, dass wir uns überlegten berühmt zu sein, wir waren zu fest am 'Machen und Wirken'. Als sehr sensible Menschen durchlebten wir auch Ängste und konnten deshalb nicht auf ein breites Publikum los, vor allem als Liveband nicht.

Wer hat sich eigentlich den Text zu "Eisbär" ausgedacht, und warum?

MARCO: MARTIN hatte einen Albtraum von sprechenden Eisbären an den Wänden, den er zum genialen Text und Titel des Songs verarbeitete.

BRUNO, auch das Cover von "1980 - 1982" zielt auf "Eisbär" ab – unvermeidlich?

Wir haben verschiedene Cover-Vorschläge erarbeitet. Schlussendlich hat sich MARTIN EICHER für das Foto mit dem Eisbären entschieden.

Gibt es eigentlich auch eine Geschichte zum Bandnamen GRAUZONE?

MARCO: Das war die Idee von CHRISTIAN, dem Bassisten. Er kam einmal zu den Proben mit dem Namen, welchen wir auf Anhieb übernahmen. Das passte zu uns, wir waren oft grau und schwarz angezogen mit weißen Schuhen. Zudem hatte MARTIN EICHER dauernd einen grauen Overall an. Zuerst wollten wir uns DAS KINO oder CINÉ nennen. Das allererste Konzert im März 1980 gaben wir im Berner Punk- und Waveclub SPEX als XXX.

GRAUZONEs Affinität zum Thema 'Film' war offensichtlich. Wie schon von Euch erwähnt, wurden zum Beispiel Super-8-Filme auf den Konzerten abgespielt – was habt Ihr da eigentlich gezeigt?

MARCO: Das waren Experimental-Aufnahmen, welche STEPHAN EICHER machte. Was ich noch weiß, ist, dass er uns einmal in einer Hochhaussiedlung filmte, das lief bei einem unserer Konzerte dann zu Blaulicht.

Nach dem ersten Album habt Ihr Euch, so steht es in den meisten Biografien, auf Filmarbeiten konzentriert. Was heißt das, habt Ihr einen 'richtigen' Soundtrack komponiert? Eure Stücke "Film1" und "Film2" waren doch für einen fiktiven Film, oder?

MARCO: Ja, das waren wirklich fiktive Filme. Vor allem für STEPHAN und MARTIN war es eine Kunstform, 'Soundtracks' zu spielen, damals einfach revolutionär und vor allem neu für uns, es auf Platte zu bringen neben 'normalen' Songs.



Das einzige offizielle GRAUZONE-Video (zu "Film 2")

Wenn man sich die Doppel-CD heute anhört, steckt da unglaublich viel Potential drin. So unterschiedliche Songs, von denen viele musikalisch nichts mit "Eisbär" zu tun haben. Das verzweifelte, punkige "Plastikherz" (erinnert mich übrigens sehr an JOY DIVISION), das düstere und monotone "Kälte Kriecht", das nur mit Beats und verwehten Vocals arbeitet. Aber auch Stücke wie "Marmelade und Himbeereis", die sicher ein prima NDW-Hit hätten werden können ... bis auf die Textzeile "Wir sind alle prostituiert" vielleicht. Warum habt Ihr Euch getrennt, statt noch ein Album aufzunehmen, bei den vielen Ideen?

MARCO: Es war eine ungesunde Mischung aus höchsten Erwartungen von der Plattenfirma mit ihren Bemühungen, eine 'saubere' und 'handliche' Band zu machen, sowie unseren psychischen und Drogenproblemen. Auf einmal redeten uns Leute drein von weither, welche wir nie sahen, geschweige denn kannten. CHRISTIAN und ich stiegen dann nach den Albumaufnahmen aus, weil wir uns nicht mehr in der neuen Konstellation fanden und wohl nicht mehr ins Konzept der Gebrüder EICHER passten.

Viele Beobachter machen ausgerechnet "Eisbär" für die Trennung verantwortlich, weil Ihr – nach dem Erfolg des Titels – den Wechsel zu einem Major angeblich nicht verkraftet habt. Steckt da ein Stück Wahrheit drin? War das aus heutiger Sicht ein Fehler, die Unterschrift?

MARCO: Ein Fehler war meiner Meinung nach, dass die Plattenfirma EMI, an welche OFF COURSE die GRAUZONE-Aufnahmen lizenziert hatte, nicht Klartext mit uns gesprochen hat. Sie hätte uns diesbezüglich besser betreuen sollen.

Wenn Ihr mal mit Blick auf die Doppel-CD versucht, zusammenzufassen, was GRAUZONE vor 30 Jahren waren, wie sie klangen, was sie sein wollten – wie würde ein Fazit lauten?

MARCO: Schlussendlich muss ich mir eingestehen, dass vielleicht die tragische Geschichte um GRAUZONE diese Band zu dem gemacht hat, was sie ist. Mir hat diese Geschichte viel Kraft gegeben in allem, was ich musikalisch bis heute mache. Es sind noch viele Grundgedanken in meinem Handeln aus dieser Zeit, welche mich, wie anfangs erwähnt, so sehr geprägt haben. Keine Sekunde möchte ich aus meiner GRAUZONE-Vergangenheit vermissen, rückblickend hatten wir in einer sehr kurzen Zeit unsere Musik gelebt, ohne jegliche Kompromisse einzugehen. Das alles hat schmerzhafte Spuren und Folgen hinterlassen, jedoch hat die Zeit unsere Tränen getrocknet und unsere Liebe erwidert.

MARCO, hast Du noch Kontakt mit den anderen Ehemaligen?

Manchmal und ab und zu.

Gibt es GRAUZONE-Pläne? Zum Beispiel das Konzert aus dem Jahr 1980 komplett zu veröffentlichen?

MARCO: Das könnte ich mir irgendwann mal vorstellen.

BRUNO, MARCO, was macht Ihr beide heute?

BRUNO: Verschiedene Tätigkeiten, neben Label (MITAL-U) unter anderem Dozent an einer Hochschule.

MARCO: Als noch einziger aktiver Musiker der Urformation von GRAUZONE arbeite ich im Bereich der elektronischen Musik. Bewege mich zwischen Techno-, Ambientklängen und Klanginstallationen für bildende Künstler. Betreibe das Künstlerlabel INZEC RECORDS, auf dem ich meine Releases veröffentliche. Auf den Sommer 2011 erscheint eine Zusammenarbeit mit der wunderbaren Hackbrettformation ANDERSCHT aus dem Appenzell. Später werde ich an meinem neuen BIGENERIC-Album arbeiten, welches im Herbst dieses Jahres ebenfalls auf meinem Label veröffentlicht wird. Musikalisch wird’s für mich ein sehr entspanntes und chilliges Jahr.

MARCO, BRUNO, vielen Dank für das Interview, viel Erfolg für die Retrospektive und hoffentlich bis bald zur Besprechung der ersten GRAUZONE-Konzert-CD ...



Die Band 1982: MARTIN EICHER, STEPHAN EICHER, INGRID BERNEY


 
Michael We. für nonpop.de


Verweise zum Artikel:
» Bezugsquellen für "1980-1982"
» GRAUZONE-Homepage mit Archiv & Diskografie
» GRAUZONE @ myspace (inoffiziell)
» MITAL-U @ myspace
» MITAL-U @ youtube
» Swiss Wave @ Wiki
» Punk in der Schweiz @ Wiki
» GRAUZONE im Schweizer TAGBLATT
» GRAUZONE in der BERNER ZEITUNG
» NDW-Wiki

Themenbezogene Newsmeldungen:
» "Automaten" von MITTAGEISEN in neuer Auflage

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