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Michael We.

GRAUZONE - Albträume von Eisbären

Das Interview zur neuen Doppel-CD "1980-1982 Remastered"


GRAUZONE - Albträume von Eisbären
Kategorie: Spezial
Wörter: 1310
Erstellt: 29.01.2011
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Die Urbesetzung: MARCO REPETTO, CHRISTIAN TRÜSSEL, MARTIN EICHER

Hallo BRUNO, hallo MARCO. Was heißt denn 'remastered' im Fall der neuen Doppel-CD? Wie habt Ihr die Stücke technisch bearbeitet, verbessert?

BRUNO: Ein wesentlicher Teil des Remastering-Prozesses war die komplette Restaurierung und Digitalisierung der Originalaufnahmen. Die Tonbänder waren nach rund 30 Jahren teilweise defekt, und nur mit großem Aufwand konnten sämtliche vorhandenen Aufnahmen (inklusive der drei unveröffentlichten Stücke und zwei Konzerte) digitalisiert werden. Um eine bestmögliche Tonqualität zu erreichen, wurden unerwünschte Störgeräusche und Rauschen minimiert, ansonsten jedoch möglichst wenig an den Originalaufnahmen verändert.

Was für ein Gefühl ist das, 30 Jahre altes Material noch einmal so intensiv zu hören? Oder habt Ihr Euch ohnehin immer wieder mit den Liedern von damals beschäftigt?

MARCO: Um den "Eisbär" bin ich die ganze Zeit nie gekommen, nicht zuletzt durch meine Arbeit als Elektronik-Musiker der ersten Stunde. Für fast alle Macher und Protagonisten der Technogeneration galten der Song "Eisbär" bzw. GRAUZONE als Kult hin bis zur Götterverehrung. Dadurch genieße ich viel Respekt von der Community als Original und Pionier der zeitgenössischen elektronischen Musik. Dafür bin ich dankbar – auch etwas stolz dabei gewesen zu sein – und respektiere zurück :-) Während und nach dem großartigen Remastering-Projekt von BRUNO hab ich mich natürlich wieder vermehrt mit der Musik von damals beschäftigt – es war sehr emotional, Erinnerungen kamen hoch, aber auch die Enttäuschung unserer Zerbrechlichkeit von damals, im speziellen die zerschlagenen Träume. Die deutlich stärkste GRAUZONE-Besetzung war die Anfangsformation mit CHRISTIAN TRÜSSEL am Bass, MARTIN EICHER (Gesang-Gitarre) und mir am Schlagzeug. Nicht zu vergessen die wunderbare CLAUDINE CHIRAC mit ihrem Saxophon. Sporadisch wirkte später STEPHAN EICHER mit, welcher uns immens half, unsere Qualitäten als Band in jeder Hinsicht freizustellen, sei es musikalisch wie stilistisch, ein Talent, das ihn bis in die heutige Zeit auszeichnet.

BRUNO: Für mich war/ist GRAUZONE ein bedeutender Teil des Soundtracks zu einem wichtigen Lebensabschnitt.

Wieso fehlt mit "Schlachtet!" (im Original auf dem ersten und einzigen Album "Grauzone") ein einziger Song aus dem Backkatalog von GRAUZONE?

BRUNO: Das Stück wurde auf ausdrücklichen Wunsch des Autors/Komponisten nicht veröffentlicht und in einem solchen Fall haben für mich als Produzent/Verleger die Rechte des Künstlers Vorrang.

MARCO: Dieser Song passte MARTIN nicht mehr, warum weiß nur er selber. Persönlich fand ich das sehr schade, der Song widerspiegelt das Gefühl und die Ohnmacht der bleiernen Achtzigerjahre. Da MARTIN alleiniger Besitzer der GRAUZONE-Rechte ist, hatte ich nicht die Möglichkeit, mich beim neuen Release einzubringen.

MARCO, kannst Du Dich noch an das erste GRAUZONE-Konzert erinnern, 1980 in Bern? Auf der Doppel-CD ist ja ein Stück von diesem Konzert ("Plastikherz"), bislang unveröffentlicht. Wie war die Stimmung, wie viele Leute waren da?

MARCO: Ja, daran erinnere ich mich noch gut, schließlich hatte ich das Konzert organisiert. Da wir mit unserer ersten Punkband, den GLUEAMS ziemlich bekannt waren, kamen einige hundert Besucher in den GASKESSEL Bern, das war, soviel ich weiß, unser zweites Konzert. Die Stimmung war so postpunk-mäßig, das heißt, es hatte nicht mehr nur Punks, sondern auch vermehrt Waver dabei, sophisticated people sowie 'Normalos' – die Szene war gewachsen. Man spürte förmlich den zweiten Aufbruch seit 1977. Die musikalischen Interessen waren wie ein Feuer entfacht, das allmählich begann, lichterloh zu brennen und sich nach allen Seiten auszuweiten. Einen Bekannten von mir hatte ich beauftragt, das Konzert mit einer REVOX-Bandmaschine aufzunehmen. Die Aufnahme von "Plastikherz" ist Teil davon. Dank dieser Aufnahmen, welche ich an URS STEIGER (OFF COURSE) schickte, gelangte unsere Musik zu OFF COURSE RECORDS, welche später GRAUZONE unter Vertrag nahmen und den "Eisbär" und das Album herausbrachten. Als Musiker wurden wir so ziemlich zum ersten Mal so richtig ernst genommen. STEPHAN EICHER und CLAUDINE CHIRAC spielten da auch mit.

Angeblich hast Du ja für die Bühne den ersten Drum-Loop der Schweizer Musikgeschichte erfunden, weil Du kein besonders guter Livedrummer warst. Hast Du mal in einem Interview erzählt. Stimmt das wirklich, oder war das Teil der GRAUZONE-Legende?

MARCO: Das stimmt so nicht ganz (grins), live ging das ganz gut, waren wir doch bei unseren paar wenigen Auftritten sehr chaotisch und immer noch punkig. Dieser Loop entstand in den SUNRISE STUDIOS während der Aufnahme zu "Eisbär". Da ich damals noch keine zwei Jahre Schlagzeug spielte, war ich noch nicht so taktgenau. ETIENNE CONOD von SUNRISE legte uns nahe, mich spielen zu lassen und dann einfach einen genauen Part als Bandschleife zu nehmen. Er erklärte uns, dass man das in München für Disco-Produktionen so mache. München war zu dieser Zeit die Disco-Produktionshochburg Europas. So entstand dieser legendäre hypnotische Eisbär-Beat.

Welche Stimmung herrschte denn damals generell in der Schweiz, was die Musik angeht? Ihr habt ja beide in Punk- / Wavebands gespielt, war das eine ähnliche Aufbruchstimmung wie zum Beispiel in London?

MARCO: 1978 / 79 war ich oft in London, verhängte voll in der Szene dort, sah unzählige Bands und saugte diese Aufbruchstimmung voller farbenfroher Kreativität auf. Gerne erinnere ich mich an diese Zeit zurück, es war wohl die Zeit, welche mich in meinem Leben am meisten geprägt hat. Die Mode, die Musik und das Bewusstsein. In London waren einfach alle Teil davon – täglich ein Riesenspaß, die Stadt lebte. Ganz nebenbei bekam ich meine gute Dosis an Sex, Drugs and Rock'n'Roll ab. Kam ich jeweils dann zurück in die Schweiz, erlebte ich eine Ernüchterung an der Grenze. Nichts war hier wie in England, alles hier war damals fein und sauber geputzt. Im Bern von damals war es beinahe schwierig, ein Papierchen auf die Straße zu werfen ohne böse Blicke oder gar Ermahnungen zu erhaschen.
Mit derartiger 'Fremdenergie' war es eigentlich im Nachhinein gar nicht so schwierig, bei uns etwas Neues zu machen. Das Spannendste an der Zeit von damals war, die Punkenergie in Sachen Musik, Mode und Benehmen wirken zu lassen. Man hatte die in sich oder eben nicht. Es war dann auch wie ein Virus, das sich rasant ausbreitete – irgendwie waren ganz viele Menschen überall mit ähnlichem Bewusstsein. Auch die unruhigen politischen 'Bewegungsjahre' waren bereits angebrochen oder kündeten sich unmissverständlich an.

BRUNO: Durch die CH-Radiosendung "Musik aus London", welche in den Endsiebziger-Jahren jeden Sonntagabend um 21 Uhr die Schweiz und die angrenzenden Gebiete Deutschlands mit aktuellen Informationen und Musik aus UK versorgte, bekam ich relativ früh einen Zugang zur damaligen Musik in London. Und so flog ich im Sommer 1978 nach London und tauchte für wenige Wochen in die dortige Punk-Bewegung ein. Ich sah und hörte unter anderem METAL URBAIN aus Frankreich, SIOUXSIE AND THE BANSHEES, THE CLASH, SUICIDE aus New York. Angesteckt von der musikalischen Aufbruchstimmung begann ich nach meiner Rückkehr für Fanzines zu schreiben (unter anderem zusammen mit Marco für SONDERNUMMER) und produzierte die erste Punk-LP (CRAZY) der Schweiz.




Cover des "Swiss Wave"-Samplers

Zu dieser Zeit – 1980 – entstand auch der legendäre Sampler "Swiss Wave", der GRAUZONE berühmt gemacht hat. Denn für diesen Sampler hat die Band "Eisbär" produziert, den großen Hit. Bis heute werden vermutlich alle ehemaligen GRAUZONE-Mitglieder auf dieses Lied – und nur auf dieses – angesprochen. Nervt das?

MARCO: Viele Leute kenne GRAUZONE ausschließlich wegen "Eisbär", das ist ja nicht verwunderlich. Schließlich war das der einzige Song, der auf irgendeine Weise weltberühmt wurde und auf unzähligen Compilations zu finden ist. Darum finde ich das vorliegende Remastering-Projekt sehr wertvoll wenn nicht gar notwendig, da es unverblümt das wahre Gesicht von GRAUZONE zeigt, unter anderem mit der Liveaufnahme oder den B-Seiten der Singles. Das erst zeigt die Vielschichtigkeit des Schaffens der verschiedenen Phasen von GRAUZONE. Gerade für die 'Nur den Eisbär Kenner'-Fraktion eine gute Lektion von einer Band, welche das bis ins letzte Detail gelebt hat, was sie sagte.

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Michael We. für nonpop.de


Verweise zum Artikel:
» Bezugsquellen für "1980-1982"
» GRAUZONE-Homepage mit Archiv & Diskografie
» GRAUZONE @ myspace (inoffiziell)
» MITAL-U @ myspace
» MITAL-U @ youtube
» Swiss Wave @ Wiki
» Punk in der Schweiz @ Wiki
» GRAUZONE im Schweizer TAGBLATT
» GRAUZONE in der BERNER ZEITUNG
» NDW-Wiki

Themenbezogene Newsmeldungen:
» "Automaten" von MITTAGEISEN in neuer Auflage

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