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Michael We.

Relatively Close To NAEVUS

Neue Songs, ein erstes Buch und andere Überraschungen


Relatively Close To NAEVUS
Kategorie: Spezial
Wörter: 2004
Erstellt: 29.04.2010
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lyrics


Für mich sind NAEVUS-Lyrics in der Regel eher zu spüren als zu verstehen. Viele der Texte sind abstrakt, reich an Bildern, sehr lyrisch. Ich meine aber, immer wieder nihilistische und misanthropische Anwandlungen zu entdecken. Deckt sich das mit Eurer Absicht?

LLOYD: Ich hoffe eigentlich, dass meine Songs nichts Misanthropisches an sich haben! Ich mag Menschen. Menschen sind interessant. Das einzige Stück, welches als misanthropisch einsortiert werden könnte, ist "Kill Your Friends". Es sollte allerdings nicht so wörtlich genommen werden, im Gegenteil, es ist wohl das ironischste Lied, das ich je geschrieben habe.
Nihilistisch, hm, ich denke nicht. So würde ich mich selbst nicht beschreiben, denn das würde ja unterstellen, dass ich sämtliche objektiven Werte ablehne, was ich nicht tue. Gut, manche Lieder scheinen vielleicht ein bisschen verzweifelt, besonders ein paar der früheren. Aber insgesamt würde ich mich wohler damit fühlen, wenn uns die Menschen beim Hören als bereichernde und nicht als deprimierende Erfahrung empfinden.


Beneath my knife, upon my fork
At my lips, between my teeth
In my stomach, in my bowel
In my toilet, in our sewer
(aus "Meat On Meat", 2008)


Ein immer mal wieder auftauchendes Thema ist 'Fleisch' bzw. 'Tiere'. Seid Ihr Vegetarier?

LLOYD: Nein! Ich mag Tiere, und ich mag Fleisch.

JOANNE: Ich bin ebenfalls keine Vegetarierin.

"The German" vom letzten Album "Relatively ..." ist natürlich ein Song, der uns als deutsches Magazin allein vom Titel her schon besonders interessiert. Ich fasse mal notdürftig zusammen: Ein Deutscher, der in einer britischen Bar um Vergebung für seine Vergangenheit und die seines Volkes bittet, wird trotzdem kaltgemacht. Was hat es mit diesem Song auf sich? Hat Euch eine besondere Begegnung mit einem Deutschen dazu inspiriert?

LLOYD: Interessante Interpretation. Stimmt, manche Passagen legen diese Deutung wohl nahe. Aber das Verbrechen, das unser Hauptdarsteller begangen hat, wird nie eindeutig benannt. Wir wissen nur, dass er verdächtigt wird, in der Vergangenheit etwas Falsches getan zu haben. Er könnte ein Mörder, ein Verbrecher, ein Pädophiler usw. sein. Er ist gerade umgezogen (irgendwo nach England), um ein neues Leben anzufangen. Die Menschen, die er dort trifft, erkennen ihn, vermutlich aus irgendeiner Reportage in den Nachrichten, und sie bringen ihn um. Im Sterben schließt er Frieden mit seinem Schicksal, weil er erkennt, dass der Tod die einzige Möglichkeit für ihn ist, seine begangenen Verbrechen hinter sich zu lassen. Er akzeptiert seine Ermordung durch die Einwohner als persönliche Bestrafung.

Ich kann mich gar nicht mehr genau daran erinnern, warum ich mir ausgerechnet einen Deutschen ausgesucht habe, aber wahrscheinlich hatte es schon damit zu tun, dass der Song unterbewusst auf die Verbrechen des Zweiten Weltkriegs verweist. Ich habe eine Doku im Fernsehen gesehen, da ging es um Deutsche, die zu Beginn des Zweiten Weltkriegs in Großbritannien lebten, und sie mussten Schikanen und Verfolgung ertragen. Als ich den Song schrieb, war mir gar nicht so bewusst, dass mich diese Doku beeinflusst hatte. Aber als ich neulich eine Wiederholung sah, wurde mir klar, dass dieser Einfluss beim Schreiben ganz sicher vorhanden war.


He didn't think it was too much to ask
To be separated from his past
From all of his transgressions
And from all what he'd done
The German
(aus "The German", 2008)


LLOYD, alle Texte schreibst Du, obwohl JOANNE 'offiziell' die Schriftstellerin ist (dazu kommen wir später noch) – führt das nicht zu Diskussionen?

LLOYD: Überhaupt nicht. Wir haben uns öfter Mal beim Thema Musik in die Haare gekriegt, zum Beispiel als wir am Rhythmus von "For The Weak" und "Bobby Shafto" arbeiteten, aber niemals, wenn es um Texte ging. Gelegentlich bitte ich JOANNE um ihre Einschätzung, ob ein Text gut genug ist oder nicht, um ihn zu verwenden. Ich wollte zum Beispiel den kompletten Text zu "The German" ausmustern, weil das eigentlich nur ein Versuch war, wie NICK CAVE so einen 'Typ kommt in eine Bar'-Song zu schreiben, aber JOANNE hat mich davon überzeugt, ihn nicht wegzuschmeißen.

JOANNE: Lyrics zu schreiben ist eine ganz besondere Kunst, bis auf ein paar dürftige Versuche für unsere erste Band vor ungefähr zehn Jahren habe ich es noch nie wirklich probiert. Außerdem ist LLOYD nun mal der Sänger, und dazu ein exzellenter Texter, also ist es doch sinnvoll, dass er die Lyrics schreibt.

musik

"Perfection Is A Process" wird von vielen Eurer Hörer (von mir auch) als Höhepunkt gesehen, als das erste Album, das diesen unverkennbaren, eigenen NAEVUS-Sound hatte. Seht Ihr das Album als ähnlich wichtig an?

LLOYD: Meiner Meinung nach war das erste Album, mit dem wir unsere Mitte gefunden haben, "Behaviour" aus dem Jahr 2002. Damals hatten wir den Mut, die Songs mit genug Luft zum Atmen zu arrangieren, so dass sie ein Eigenleben entwickeln konnten. Zwei Jahre später erschien mit "Perfection Is A Process" die logische Weiterentwicklung dieses Ansatzes, aber noch deutlicher, klarer. Da sind einige Songs drauf, die ich persönlich sehr gerne mag, etwa "Clay Hats". Nach "Perfection Is A Process" entwickelte sich unser Sound mehr Richtung Band, jedes Mitglied arrangierte seine Instrumentalparts selbst, ohne allzu starke Vorgaben durch JOANNE und mich. So gesehen könnte "Perfection Is A Process" für das Ende der 'zweiten Phase' von NAEVUS stehen, und in diesem Sinne ist es sicher auch eine Art Höhepunkt. Mit Ausnahme von "Soil", unserem zweiten Album, war jede Veröffentlichung besser als ihr Vorgänger. Aber ganz ehrlich, eigentlich bin ich viel zu nah dran, um die Verdienste von NAEVUS zu analysieren.

JOANNE: Also ich bin sehr stolz auf "Perfection Is A Process", aber das kann ich auch von anderen unserer Arbeiten sagen. Ich habe Lieblingslieder auf jeder unserer Veröffentlichungen. Besonders gefällt mir, wenn sich ein Stück über Jahre hinweg entwickelt und ein neues Gesicht bekommt, bei Liveauftritten zum Beispiel.

Auch das Akkordeon kam auf diesem Album (zum ersten Mal, wenn ich mich nicht irre) dazu, was manchen Songs eine gewisse Seefahrerromantik verleiht, an Shanties erinnert. Habt Ihr was mit See und Meer am Hut?

LLOYD: Die erste NAEVUS-Aufnahme mit Akkordeon war "Sail Away" (Anm. der Red.: eine Single aus dem Jahr 2003), Du warst also nah dran. Die Ecke von Südwales, in der ich aufgewachsen bin, ist an drei Seiten von Wasser umgeben. Also war das Meer tatsächlich allgegenwärtig in meiner Kindheit. Meer ist für jeden eine starke Metapher: Es ist riesig, es ist elementar, es ist gefährlich und steht für Reisen und andere Möglichkeiten. Ich denke, deshalb taucht es regelmäßig in NAEVUS-Songs auf.

JOANNE: Zufällig spielt die Seefahrt in meiner Familiengeschichte eine kleine Rolle. Mein Großvater väterlicherseits arbeitete in einem Hafen, meine Großmutter mütterlicherseits war in der NAVY, mein Vater in der Handelsmarine. Aber es wäre übertrieben, das mit den Meerliedern von NAEVUS in Verbindung zu bringen. Wie LLOYD schon sagte, steht das Meer überall auf der Welt für Drama und Romantik, wie wir das ja auch zum Beispiel in "Sail Away" anklingen lassen. Es bietet Dir die Möglichkeit, etwas zu verändern, zu entfliehen und Frieden zu finden, neu anzufangen in einer unbekannten Welt, die irgendwo jenseits des Wassers liegt.

Ihr habt schon einige Songs von anderen Bands gecovered (LAIBACH, KIRLIAN CAMERA ...). Welcher Eurer Songs müsste unbedingt mal gecovered werden, und von wem?

LLOYD: "Kill Your Friends" von JEROME DEPPE, weil er eine wunderbare Singstimme hat, die dem Song prima stehen würde. Tatsächlich hat er das Stück letztes Jahr in London einmal live gesungen, und ich meine, dass er kürzlich eine Version davon aufgenommen hat, die demnächst erscheinen soll. Außerdem wäre ich sehr neugierig, wie sich MORRISSEY bei "Meat On Meat" machen würde – auch da würde die Stimme perfekt passen. Aber ich habe so ein Gefühl, als ob ich das nie hören werde ...

JOANNE: Eigentlich habe ich mir darüber noch keine Gedanken gemacht, aber ich könnte mir TOM WAITS sehr gut dabei vorstellen, wie er eine bärbeißige, raue Version von "The Body Speaks In Tongues" singt. Und PJ HARVEY wäre prädestiniert für "Look To The State", wegen des bluesigen Riffs und der proklamierenden Lyrics.



privat

JOANNE, Du hast vor kurzem Dein erstes Buch veröffentlicht, was gerade auch ins Deutsche übersetzt wurde: "König Der Marionetten", ein Jugendbuch. Wie kam es, dass Du Schriftstellerin geworden bist, und worum geht es in dem Buch?

Ich wollte Schriftstellerin werden, seit ich mich erinnern kann. Als Kind habe ich schon Geschichten und kleine Bücher verfasst, aber erst während meiner ersten Pragreise im Jahr 2000 fielen mir Handlung und Inspiration in den Schoß; nach beidem hatte ich zuvor vergeblich gesucht. Ich verliebte mich in die Stadt, ihre Volksmärchen, die Legenden, die sich um die Gründung von Prag ranken. Ich fing mit einer Story an, aus der dann schließlich "König Der Marionetten" wurde.

Sie spielt 1898 in Prag, und es geht um ein Mädchen namens MILENA, dessen Vater bei einem Unfall in seinem berühmten Marionettentheater ums Leben kam und dessen Mutter verschwunden ist. MILENA gibt nie die Hoffnung auf, dass sie zurückkehrt, und sie träumt stets von dem Tag, an dem sie das Theater ihres Vaters wieder eröffnet. Alles wird anders in der Nacht, in der sie den charismatischen König der Marionetten trifft, und anschließend von ihrer Großmutter einiges über ihre Ahnen lernt. Ist LIBUSE, Prophetin, Königin und sagenumwobene Stadtmutter, wirklich ihre Vorfahrin? Und was will der mächtige Puppenkönig von ihr?

Um es auf den Punkt zu bringen: Es ist eine gruselige Abenteuergeschichte für Jugendliche, verziert mit sorgfältig eingearbeiteten Illustrationen. Das Buch verwebt tschechische Volksmärchen, Marionetten und die Geschichte von MILENA und ihrer Suche nach der vermissten Mutter. Mein zweites Buch "The Alchemist & The Angel" erscheint demnächst, im Mai 2010. Es spielt ebenfalls in Prag, aber in einer früheren Zeit, um 1583, in der pestgeplagten, alchemiehörigen Epoche von KAISER RUDOLF II.

Wird das Schreiben Auswirkungen auf Deine / Eure musikalischen Aktivitäten haben?

JOANNE: Rund um die Uhr zu arbeiten, Musik machen und jetzt auch noch Bücher zu schreiben, das macht es natürlich schwierig, genug Zeit für alles zu finden. Aber es stimmt schon: Je mehr Du arbeitest, desto produktiver wirst Du. Jede Aktivität gebiert wieder zahlreiche neue ...

LLOYD: Ich glaube schon, dass JOANNEs Schriftstellerei Einfluss auf meine Texte hat und hatte. Während sie an "König Der Marionetten" schrieb, stellte ich fest, dass sich plötzlich viele meiner Songs irgendwie auf Kindergeschichten bezogen. Zum Beispiel leiht sich "Hasty Bastard" ein paar Elemente bei "Hänsel Und Gretel", oder "Farmer Duncan" bedient sich bei "Hans Und Die Bohnenranke". "Bobby Shafto" bezieht sich auf die Kinderlieder "Bonnie Bobby Shafto" und "Mary Had A Little Lamb". Bei mir verändert sich die ursprüngliche Absicht der Originaltexte allerdings, es werden Allegorien daraus, die entweder unter dem Einfluss von MARQUIS DE SADE stehen oder einfach moderner sind.

Ich habe erst rund um das Buch von JOANNE einige persönliche Dinge über Euch erfahren; in diversen Autorenporträts wurden sie verraten: Ihr seid auch privat ein Paar, JOANNE stammt aus Wales und hat Archäologie und Anthropologie studiert. Könnt Ihr diesen lückenhaften Steckbrief noch um ein paar Geheimnisse ergänzen? Womit verdient Ihr neben der Musik Euer Geld? Was muss die Welt sonst noch von Euch wissen?

JOANNE: Wir sind beide in Pembrokeshire in Wales aufgewachsen. Mit 18 ging ich nach Cambridge, um Archäologie, Anthropologie, Sozial- und Politikwissenschaften zu studieren, bevor ich dann 1996 weiter nach London zog. Dort arbeitete ich im Buchhandel (als Ein- und Verkäuferin sowie als Verlegerin), habe natürlich Musik gemacht und schreibe seit kurzem.

LLOYD: Ich verließ Pembrokeshire zur selben Zeit wie JOANNE, studierte Philosophie in London. Dort bin ich hängen geblieben. Ich arbeite im Bildungsbereich; unter anderem prüfe ich Schüler auf ihre musikalischen und tontechnischen Fähigkeiten.

JOANNE, LLOYD, vielen Dank für das ausführliche Interview!

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Michael We. für nonpop.de


Verweise zum Artikel:
» NAEVUS-Homepage
» Texte bis 2004
» NAEVUS @ myspace
» NAEVUS @ last.fm

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