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Michael We.

[ PARVOART ] <=> ARVO PÄRT

Portrait des minimalistischen Labels aus Wismar


[ PARVOART ]  <=>  ARVO PÄRT
Kategorie: Vorschau
Wörter: 1211
Erstellt: 18.02.2010
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Wo wir gerade über Dich sprechen: Ein junger Mann aus Dublin mit irisch-schottischen Wurzeln, der sich selbst das Bassspielen beigebracht hat und irgendwann in der schönen Hansestadt Wismar strandet – steckt da eine spannende Geschichte dahinter, eine unsterbliche Liebe vielleicht?

Wäre schön, wenn ich das sagen könnte, aber leider nein. Deine zusammenfassende Frage lässt zwei wichtige Punkte aus: Ich wohnte zwar früher in Dublin, stamme aber nicht von dort, und zwischen Dublin und Wismar liegt ein langjähriger Aufenthalt in Düsseldorf. Eigentlich bin ich nur nach Deutschland gekommen, um ein paar Monate lang (!) ein Gefühl von Abenteuer zu erleben und ein bisschen Geld in einer Coverband zu verdienen. Dieser Plan ist ja wohl so was von schief gegangen! Der Umzug nach Wismar ergab sich einfach aus einer Änderung in meinem Leben.

Du bist nicht nur Musiker – inzwischen mit vielen Auftritten und einigen Veröffentlichungen – und Fotograf. Du komponierst auch für andere, zum Beispiel Musik für eine "Othello"-Aufführung in Schwerin. Wie klingt Othello bei Dir?


Der Soundtrack für die "Othello"-Interpretation des SCHWERINER STAATSTHEATERs habe ich während der Proben zusammen mit dem Direktor NILS BRÜCK entwickelt. Er hatte ein paar Ideen, an denen ich mit weiterem Material herumimprovisiert habe. Neben den typischen Militärtrommeln aus dem 17. Jahrhundert und übereinander gelegten Drones und 'field recordings' hatten wir eigentlich eine ziemliche Bandbreite an Ideen. Desdemona sollte eine Liebesmelodie wie von ERIK SATIE bekommen, Jago ein tangobeeinflusstes Klavierstück, die Feier auf Zypern wollten wir mit der Überarbeitung eines SCHOSTAKOWITSCH-Walzers untermalen, außerdem waren da noch ein derbes Seemannslied ("Friggin' In The Riggin") und sogar eine Tanzszene mit R&B-Beat und -Bass. Wenn ich das jetzt so beschreibe, ist es ein Wunder, dass am Ende alles so gut zusammenlief.

An welchem Punkt Deines aufregend klingenden Lebens war Dir klar, dass Du ein Label gründen willst? Und war Dir auch schon klar, was für Eines?

In umgekehrter Reihenfolge – ich hatte eigentlich schon lange die Vorstellung eines Labels in meinem Kopf. Eine wieder erkennbare Ästhetik in Inhalt und Gestaltung sollte es haben, und die Genres sollten natürlich in der Nähe meines eigenen musikalischen Herzens liegen. Zum ersten Punkt der Frage – und hier unterschlagen wir mal, dass ich mein Leben gar nicht besonders aufregend fand: Das mit der Gründung hat ewig gedauert. Selbst noch 2006 wäre es ehrlich gewesen zu sagen, dass ich noch nicht so weit war. Zuallererst hatte ich vor, mein eigenes Material bei irgendeinem anderen Label unterzubringen.

Um diese starke, spezielle [ PARVOART ]-Atmosphäre zu erreichen – ist es notwendig, dass Du allein das Sagen hast? Suchst zum Beispiel ausschließlich Du die Künstler aus?

Wahrscheinlich hilft es, dass ich die Hand am Ruder habe. Es stimmt, ich suche die Künstler aus, aber genau genommen bin ich nicht mal der einzige, der was zu sagen hat. JOHN ist an der Planung beteiligt, wobei er meinem Urteil letztlich vertraut, was gleichzeitig ein Kompliment ist und viel Verantwortung bedeutet.
Wenn sich eine Veröffentlichung ergibt, versuche ich den Künstlern Flexibilität innerhalb eines gewissen Rahmens zu erlauben, was Artwork und Reihenfolge der Titel angeht, zum Beispiel. An dieser Stelle muss ich mal sagen, was für eine Freude es war, mit allen Künstlern auf [ PARVOART ] arbeiten zu dürfen. Die meisten von ihnen kannte ich vorher nicht, und es ist ein Segen, mit solchen Leuten Kontakt geknüpft zu haben. Von all den Menschen, die ich kontaktiert habe wegen einer möglichen Zusammenarbeit mit dem Label, war nur einer nicht kompatibel. (Er erscheint auf keiner unserer Veröffentlichungen.) Alles in allem freue ich mich über eine prima Trefferquote bisher!

Mit den zwölf bislang auf [ PARVOART ] veröffentlichten CDs sei eine erste Phase abgeschlossen, heißt es in der Info zu "Advent", dem jüngst veröffentlichten Sampler. Bedeutet das irgendeine Art von Richtungswechsel für die kommenden Veröffentlichungen?

Jawoll, von jetzt an nur noch Grindcore und Death Metal!

Nur Spaß. Wenn alles nach Plan läuft, wird es eine Änderung geben, aber eher in Sachen Größe, Format und Präsentation, weniger was den Inhalt angeht. Obwohl, das Post-Rock-Ding könnte ein wenig größer werden als bisher. Unsere Kernästhetik bleibt dennoch bestehen. Wir haben uns ein kleines, aber loyales Publikum in den vergangenen zwei Jahren aufgebaut. Ich überrasche es zwar gerne, will es aber durch massive Genre-Änderungen nicht verscheuchen. Leider muss ich sagen, dass letztendlich die Finanzen bestimmen, wo es lang geht. Und ich muss endlich mal zu Potte kommen und mein eigenes Material in Form bringen, so dass es veröffentlicht werden kann. Also zusammengefasst: Wir wollen das machen, was wir schon tun, nur noch besser.

Du hast selbst vor einigen Wochen "Psalms" veröffentlicht (zur NONPOP-Besprechung), die musikalische Umsetzung dreier Bibelpsalmen. Würdest Du Dich als religiösen Menschen bezeichnen – schließlich liegen Deine Wurzeln im katholischen Irland? Und, um den Kreis zu schließen, wie viel von "Psalms" war Verneigung vor ARVO PÄRT?

Puh, eine sehr komplexe Thematik. Ich fange wieder von hinten an: "Psalms" ist, wie die meisten Werke von PÄRT, von christlichen Thematiken inspiriert. Aber ebenso will es, wie auch die Arbeiten von PÄRT – oder vielleicht nehmen wir an dieser Stelle als Vergleich mal die Slowcore-Band LOW – zugänglich sein und Menschen Freude machen, die gerne einfache Musik mögen, völlig unabhängig von ihrem Glauben, sofern überhaupt vorhanden. Ich denke, dass sich moderne christliche Kunst genau so darstellen muss: komplex, intelligent, voller Nuancen, offen – bereit, selbst paradox und humorvoll zu sein. Das ist der einzige Weg, auf glaubwürdige Art und Weise das Leben mit all seinen Facetten so wiederzugeben, wie wir es erfahren.
Also, ich würde mich selbst schon als Christen bezeichnen, genau genommen sogar als Protestanten! Meine Wurzeln haben damit aber weniger zu tun: Ulster in Nordirland, denn dort komme ich her, ist eine gemischte Region, dort leben ja Protestanten und Katholiken. Man bekommt in Deutschland ganz gut mit, dass Religion in Nordirland gerne dazu missbraucht wird, um andere Differenzen zu verstärken. Eine endlose Schande. Jedenfalls ist meine Familie mehrere Male umgezogen, zuletzt nach Großbritannien. Ich war zu jung, um das alles zu begreifen, und meine Eltern waren eher unreligiös. Spulen wir vor in die heutige Zeit: Nun haben wir die so genannten 'Kriege der Kulturen', das Wort 'Christ' ist ein klischeebeladenes geworden, das Spott und Ablehnung hervorruft, besonders unter den militanten Vertretern der so genannten 'Neuen Atheisten'-Bewegung.
Auf der einen Seite ärgert es mich, wenn Leute wegen ihres Glaubens als abergläubische, naive, selbstgefällige Menschen hingestellt werden, als Paradebeispiele für 'Schwarz-Weiß-Denker'. Ich bin weder dumm noch wahnhaft, und mein Leben und das meiner Freunde, von denen viele meinen Glauben nicht teilen, ist doch wohl unendlich viel nuancierter, komplexer und auch nicht ohne Fehler. Auf der anderen Seite betrachte ich aber auch die Wissenschaft nicht als Feind. Vielleicht kann ich mich deshalb nicht mit meinen (mir fehlt ein besserer Begriff) 'fundamentalistischen' Mitgläubigen identifizieren. Ich sitze also ganz bequem zwischen beiden Stühlen! Die Entzweiung, die an beiden Enden des Spektrums stattfindet, ist einfach zerstörend und ignoriert eine Menge im Leben, was wir gemeinsam haben und erleben. Etc. etc. Was für eine Pandora-Büchse, man weiß nicht, ob man darüber lachen oder weinen soll. Wahrscheinlich beides!

DUNCAN, vielen Dank für das Interview. Ich freue mich auf die nächsten zwölf Veröffentlichungen!

 
Michael We. für nonpop.de


Verweise zum Artikel:
» [ PARVOART ]
» Shop mit [ PARVOART ]-CDs
» sehr übersichtliche PÄRT-Seite
» umfangreiche Info-Seite zu PÄRT
» VAN DER PAPEN @ myspace
» JOHN R. CARLSON @ myspace
» Homepage von JOHN R. CARLSON
» DUNCAN @ virb
» DUNCAN @ last.fm

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» VARIOUS: Advent


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