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Michael We.

[ PARVOART ] <=> ARVO PÄRT

Portrait des minimalistischen Labels aus Wismar


[ PARVOART ]  <=>  ARVO PÄRT
Kategorie: Vorschau
Wörter: 1070
Erstellt: 18.02.2010
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In dem Anagram [ PARVOART ], welches den Namen Deines Labels darstellt, verbirgt sich der estnische Komponist ARVO PÄRT. Er verarbeitet ausschließlich religiöse Thematiken und unterstützt diese spirituelle Anmutung durch besonders schlicht gehaltene Musik. Worin bestehen die Parallelen zu den Veröffentlichungen auf [ PARVOART ]?

Du hast einen wichtigen Punkt in Deiner Frage erwähnt: Die Musik, die auf [ PARVOART ] erscheint, hat eine minimalistische Ästhetik. Ob es um Arrangements, Akkorde, Noten, Aufnahmetechnik, die verwendeten Instrumente, die Drucktechnik usw. geht. Bezüglich des spirituellen Elements... Hm, eigentlich unglaublich, aber ich habe noch mit keinem unserer Künstler außer JOHN (R. CARLSON) eine Unterhaltung geführt über den spirituellen Aspekt unserer Arbeit, oder dessen Nichtvorhandensein. Ich denke, das spricht alles für sich selbst, muss allerdings zugeben, dass es hier um meine Interpretation der Musik geht. Die kann jetzt mit der der Künstler übereinstimmen – oder auch nicht.

In Eurem Portfolio tauchen (überraschenderweise) auch Begriffe wie 'Post-Rock' oder 'Techno' auf – kannst Du uns ein paar der [ PARVOART ]-Künstler kurz vorstellen, die die Bandbreite des Labels abdecken?

Wenn es um Techno geht, wählen wir schon ganz genau aus. Wir befassen uns mit dem Ende des Spektrums, an dem Ambient und Dub stehen. Das wurde bislang ausschließlich von VAN DER PAPEN repräsentiert, Zwillingen aus dem Ort, in dem auch ich wohne. Vor Post-Rock haben wir uns lange Zeit gedrückt, aber mit MARC OSTERMEIER und "Percolate" haben wir eine Veröffentlichung, die ein Echo der Post-Rock-Band LABRADFORD sein könnte. Ganz ehrlich, ich habe sogar selbst ein paar Stücke irgendwo auf meiner Festplatte liegen, die in beide Genres – Techno und Post-Rock – passen würden, aber ich arbeite so elend langsam, dass es noch keines davon auf eine Veröffentlichung von [ PARVOART ] geschafft hat.

Der Musik von PÄRT werden in Kritiken fast wundersame Auswirkungen zugeschrieben: Völker verbindend, Frieden stiftend ... Was macht Eure Musik mit den Hörern?

Da fragst Du wohl den Falschen – ich habe keine Ahnung. Also mal ganz realistisch: Manche werden die Musik als monoton, langweilig oder vielleicht beunruhigend beurteilen. Andere finden sie anregend und filmisch, was auch immer.

In einem Fanforum habe ich aufgeschnappt, dass sich Bewunderer von PÄRT ein Werk wünschen, das aus nur einem einzigen Ton besteht, die Perfektion seines Ideals der Einfachheit. Sollte PÄRT das nicht mehr gelingen – wäre das nicht eine Aufgabe für Euch?

Zum einen ist das ja schon passiert und findet heute sogar ziemlich oft statt – Drone-Musik besteht ja per Definition zunächst mal aus einer einzigen Note. Zum anderen würde ich diese Vorgabe ohnehin anzweifeln: Minimalismus ergibt ja nicht automatisch Perfektion, sonst wäre ein Generator perfekt, der eine Sinuswelle mit immer derselben Frequenz produziert. Und ist er's? Nein, natürlich nicht, das menschliche Ohr schaltet nach einer halben Minute ab. Es nervt oder ist langweilig oder beides. Im Gegensatz dazu existieren zwei klassische Musikstücke, die ich als perfekt bezeichnen würde. "Air on the G-string" von BACH und das "Adagio" von ALBINONI. Beide sind nicht so komplex wie Werke von RACHMANINOV, CHOPIN oder PAGANINI, allerdings auch kaum als minimalistisch zu bezeichnen. Ich erachte sie als perfekt, weil nichts hinzugefügt oder entfernt werden könnte, um sie zu verbessern. "Summa" von PÄRT würde ich auf dieselbe Stufe stellen. Ich bin gerne Minimalist, aber ich bin genau so glücklich, dass … lass uns zum Beispiel Bäume nehmen, dass Bäume große Maximalisten sind, was ihre Einstellung zum Leben angeht.

Auf vielen Deiner Fotos sind Bäume zu sehen, Du siehst Sie als Beispiel für Maximalismus, was bedeuten Dir Bäume?

Ich mag Bäume – vor meinem Tisch am Fenster stehen zum Beispiel zwei Zitronenzypressen, und viele weitere Arten draußen. Bäume geben Schutz und eine gewisse Geborgenheit, in erster Linie für die Natur, Vögel, kleine Tiere etc. Aber ich fand die Idee von Baumhäusern - also Geborgenheit auch für Menschen - schon immer gut. Und für jemanden wie mich, der nicht so gut mit der Sommerhitze umgehen kann, ist der Wald ein erstklassiger Ort, um in Ruhe und – relativer – Kühle zu verweilen.

Hattest Du schon einmal Kontakt zu PÄRT, der im September (2010) 75 Jahre alt wird?

Nein. Keine Ahnung, ob er jemals von uns gehört hat. Ich hoffe, er wäre ein bisschen geschmeichelt durch die Verbindung zwischen uns. Was wir hier versuchen, ist ästhetisch und intellektuell zwar ganz ordentlich durchdacht und vernachlässigt dabei hoffentlich nicht die emotionale und spirituelle Seite. Aber seine Arbeit bewegt sich natürlich auf einem anderen Niveau, nicht zuletzt wegen seiner klassischen Ausbildung. Das soll erneut nicht despektierlich gegenüber unseren Künstlern klingen: Sie sind zwar sehr gut (natürlich!), aber die meisten oder vermutlich sogar alle von ihnen betrachten PÄRT einfach als Genie aus einer anderen Welt.

Als "Einflüsse" auf der myspace-Seite von [ PARVOART ] stehen neben "The Holy Trinity" (dt.: Dreifaltigkeit) viele Begriffe, die mit den Jahreszeiten Herbst und Winter zu tun haben. Ist das die Kombination, die [ PARVOART ] ausmacht – eine sakrale, geistige Atmosphäre, verbunden mit der zweiten Jahreshälfte?

Auch diese Frage kann ich natürlich nur für mich selbst beantworten. Inwieweit die anderen Musiker auf [ PARVOART ] mit Deiner Analyse übereinstimmen, musst Du sie fragen. Natürlich sind auch Frühling (den ich liebe) und Sommer (den ich weniger liebe) nicht weniger 'geistlich' als Herbst und Winter. Der Winter ist vermutlich mehr nach innen gerichtet, der Sommer nach außen, und dazwischen Herbst und Frühling als die verbindenden, die leidenschaftlichen Zeiten des Jahres. Das beeinflusst – zusammen mit der Dreifaltigkeit – natürlich meine Arbeit. Was meines Erachtens alle gemeinsam haben, ist eine Beziehung zur Zeit, die Art, wie man Zeit unterschiedlich wahrnimmt.

Alle Coverfotos und auch die Gestaltung der Homepage verstärken den "Wintereindruck", Du hast auch ein Buch mit eigenen Fotos und dem Titel "Winter in Wismar" herausgebracht. Was fasziniert Dich so an winterlichen Motiven?

Eigentlich wollte ich Dir sagen, dass Schnee einer Landschaft etwas Reines verleiht. Aber jetzt, wo ich aus dem Fenster kucke und den Matsch auf der Straße und das mit Split verkrustete Eis sehe, klingt diese Antwort nicht sonderlich passend. Da muss ich noch dran arbeiten! Schnee reinigt eine Landschaft, macht sie vollkommener. Aber das ist ja nur oberflächlich, also sollte man da nicht so viel hinein interpretieren. Ich liebe außerdem die Art, wie sämtliche Klänge von Schnee verändert werden.

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Michael We. für nonpop.de


Verweise zum Artikel:
» [ PARVOART ]
» Shop mit [ PARVOART ]-CDs
» sehr übersichtliche PÄRT-Seite
» umfangreiche Info-Seite zu PÄRT
» VAN DER PAPEN @ myspace
» JOHN R. CARLSON @ myspace
» Homepage von JOHN R. CARLSON
» DUNCAN @ virb
» DUNCAN @ last.fm

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» VARIOUS: Advent


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