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Michael We.

BRUME: The Sun (und anderes)

Fragen, Pausen, Ärger und Antworten


BRUME: The Sun (und anderes)
Kategorie: Spezial
Wörter: 957
Erstellt: 15.09.2009
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INTERVIEW von ALEXEY

1) Woher kommt Deine Leidenschaft für Musik? Hast Du eine musikalische Ausbildung? Und welche Musik hat Dich in den vergangenen Jahrzehnten bewegt, beeinflusst?

Zunächst mal: Musik war und ist keine 'Leidenschaft' und wird auch nie eine sein, also im Sinne von 'sich etwas Schönem widmen’. Der kreative Prozess, etwas Hör- oder Sehbares herzustellen, hält mich ganz einfach am Leben.
Als ich klein war, hat meine Mutter Klavier gespielt, ebenso meine Schwester, die eine klassische Tanzausbildung hatte. Unser Haus war immer voller Musik, jeden Nachmittag, jeden Tag. Irgendwann, so zwischen 1965 und 68, habe ich durch Freunde Rock'n'Roll und Pop kennen gelernt. Was ich damals hörte, hat sich in mein Gehirn eingebrannt, vor allem die allererste schöne und verrückte Single, die ich damals mit sieben Jahren einfach haben MUSSTE: "They’re Coming To Take Me Away, Ha-Haaa!" von NAPOLEON XIV. Erschien 1966. Ich hatte irgendwie Angst vor dem 'Zeug' und ließ mich gleichzeitig verführen. Später habe ich beschlossen, dass ich kein Passivhörer bleiben, sondern selbst Musik machen will, die mir gefällt. Das fing so ungefähr 1978/79 an, als ein Freund mir eine kaputte Orgel und ein paar billige Analogeffektgeräte schenkte. Lustig, seit ich sehr jung bin, habe ich also in Musik gebadet. Jeder, mit dem ich zu tun hatte, hatte wiederum mit Musik zu tun. Tag um Tag wuchs mein Verlangen, endlich auch 'irgendwas mit Tönen' zu machen.
In dieser Phase entdeckte ich wundervolle Dinge wie KING CRIMSON, ENO, FRIPP & ENO ... Und vor allem der deutsche Krautrock hat mich dazu bewogen, billige und später auch ein paar teurere Instrumente zu kaufen: eine Bassgitarre, analoge Synthesizer und Sequenzer, eine Rhythmusmaschine und ein Revox 38/s Tapedeck. Das war eine tolle Zeit, weil alles möglich war. Bevor ich akzeptable Aufnahmebedingungen hatte, bastelte ich mir meine Loops mit auseinandergeschraubten Kassetten selber. Aber die Möglichkeiten haben sich so rasend schnell geändert. Heute ist es so, dass man blind und taub sein und trotzdem mit der Technik arbeiten kann. Das macht alle Kreativität kaputt. Mich nervt fast alles Moderne wie Radio oder Fernsehen, dieser Konsum, Chemiehühnchen aus dem Supermarkt ... Aber das ist die Welt, in der wir leben. Auf die pfeife ich allerdings!
Wir hören, sehen, essen, ficken, alles mit einem Ganzkörperkondom. Die Musikindustrie – genauso wie alle anderen Medien – stinkt nach einem Haufen vorgefertigter, kalibrierter Elemente. Aber den meisten Menschen genügt das offenbar. Auch deshalb ist für mich Musik eine Art von Teufelsaustreibung. Ich manipuliere die Sounds so, dass sie eine Resonanz in Deinem Körper, Deinem Stoffwechsel erzeugen, beziehungsweise dass vorhandene Resonanzen verstärkt werden. Ich arbeite dabei mit fraktalen Strukturen, so würde ich es nennen. Keine Pseudointellektualität, eher die Suche nach dem universellen Loop! Eine andauernde, persönliche Schlacht, die manchmal Übelkeit erregende Ergebnisse zur Folge hat, welche auf die zerbrechliche Schönheit aller Dinge auf dieser Welt aufmerksam machen sollen.

2) BRUME hat also eine eigene, musikalische Sprache. Warum hast Du das Projekt für tot erklärt? Hast Du keine Lust mehr auf die analogen Spielereien, oder gibt es andere Gründe?

Am Ende des Jahres 2000 habe ich entschieden, mit BRUME aufzuhören. Mir fiel auf, dass meine Art, zu arbeiten inzwischen etwas von einer Schnellküche hatte, immer nach dem selben Rezept. Mir wurde das einfach langweilig. Es war Zeit, meine Musik zu ändern. Ich ahnte zwar, was ich gerne hören würde, wusste aber nicht, wie ich da hinkommen sollte. Ich schloss daraus, dass ich eine komplett neue Ausrüstung UND einen neuen Namen brauchte. Aus BRUME wurde C. RENOU. Freunde hatten mir in den Jahren davor schon einige Geräte geschenkt, kranke, kaputte, alte Computer. Die Idee, mit labilen Maschinen zu arbeiten, faszinierte mich.
Dieser 'Spieltrieb' – ich nenne die Methode 'dislocated digital devices' (DDD) – hat vielen C. RENOU-Alben Leben eingehaucht. Das erste davon war "7 Kisses", für mich immer noch das interessanteste dieser Experimentierphase. Heute würde man wohl 'clicks’n’cuts' dazu sagen. Aber danach ... um ehrlich zu sein, erschien mir diese Art der Musikproduktion sehr bald steinzeitlich und beschränkt. Also: Wieder alles ändern! Die Zeit zwischen 2000 und 2008 war sowieso die Zeit der Experimente, also habe ich auch Hybriden getestet, akustische und analoge Quellen vermischt mit Computern, zum Beispiel. Aus allem kann alles werden, das ist es.
Plötzlich spürte ich, dass irgendwo in meinem Kopf und meinen Maschinen noch der Geist von BRUME steckt. Er ist daran schuld, dass ich kein klares Konzept habe und nie eines hatte. Alles ist erlaubt! Als ich das verstanden habe, schien es mir plötzlich so logisch und klar, dass ich auch BRUME wiederbeleben konnte.

3) Du hast sehr viele Alben auf dem russischen Label WAYSTYX veröffentlicht Wie kam es zu dieser Zusammenarbeit?

TAMARA von WAYSTYX hat mich kontaktiert, damals kannte ich das Label noch gar nicht. Nachdem ich mir ein paar Sachen angehört hatte, habe ich mich sofort entschieden, mit ihnen zu arbeiten, weil sie originell sind, gute Qualität veröffentlichen und eine wunderbare Einstellung haben. Inzwischen sind wir Freunde, und viele großartige – oh, Entschuldigung, ich wollte nicht protzen an dieser Stelle – C. RENOU- und BRUME-Alben sind auf WAYSTYX rausgekommen. Wir haben in allem die selbe Wellenlänge. Und wir arbeiten schon an weiteren CD- und Vinylabenteuern, die demnächst erscheinen werden.

4) Du arbeitest nicht nur solo, sondern auch mit vielen anderen Musikern zusammen – ist das eine andere Art von Kreativität?

Absolut! Du musst eine Osmose herstellen zwischen Dir und dem anderen. Das ist eine große Herausforderung, besonders dann, wenn er ganz andere Musik macht als Du. Das beste Beispiel dafür ist meine Zusammenarbeit mit BASTARD NOISE. Unsere erste gemeinsame Veröffentlichung "Brainstorming #1" war ein Erfolg, und demnächst wird die zweite Folge auf dem US-Label HOUSEPIG erscheinen!

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Michael We. für nonpop.de


Verweise zum Artikel:
» tolle BRUME-Musikbox
» BRUME @ last.fm

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