FACTORY RECORDS: Communications 1978-92

Aus dem FACTORY-Poesiealbum der NONPOP-Redakteure

Kategorie: Spezial
Wörter: 796
Erstellt: 22.03.2009
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Redakteur: NEMESIS

1) Dein(e) wichigste(r) FACTORY-Band / -Künstler

Kurzantwort: JOY DIVISION. Insgeheim hatte ich aber wie jeder Nerd immer eine Liebe zu diesen seltsamen Bands, von denen man in der guten, alten Zeit mit NME-Abo, aber ohne WWW nichts in Erfahrung bringen konnte. Am besten wird dieser Typus von Band für mich von CRAWLING CHAOS verkörpert. Denen war ich mit Erscheinen ihrer Single "Sex Machine" b/w "Berlin" verfallen. Auf Album konnten CC leider nie restlos überzeugen, diese beiden Songs gehören hingegen zum Besten, was nur Ignoranten Post-Punk nennen wollen. 

"I've got a brand new pair of genes
I've been to the doc, he's got the means
He's turned me into a sex machine
He's given me a pair of enormous balls
That could even fill the Festival Hall
With schoolgirls screaming for more and more ..."

(siehe auch 5.)

2) Der beste / wichtigste Song, der je bei FACTORY rausgekommen ist

Ganz einfach: "Dont walk away, in silence ..." > "Atmosphere" – halt, lieber "Transmission" – wobei, wenn ich es recht bedenke, noch lieber "She's Lost Control" – das ist zumindest der Song, den ich seit Erscheinen mit mir rumschleppe – damals in einem blauen Walkman der ersten Generation, heute in den Untiefen meines Taschentelefons. Das ist wie mit einem Taschentuch oder Taschenmesser, man weiß ja nie, wann man es mal wirklich braucht. Übrigens: Vergleicht man die frühe Aufnahme auf "Unknown Pleasures" mit der ein Jahr später als B-Seite von "Atmosphere" veröffentlichten Version, fällt vor allem auf, dass der Song von CURTIS um eine letzte Strophe ergänzt wurde, die beginnt mit dem Klassiker "I could live a little better with the myths and the lies / When the darkness broke in, I just broke down and cried."

3) Die unterbewertetste Band

In der Reihenfolge ihres Erscheinens: Frühe DURUTTI COLUMN, den kann man in seiner essgestörten Zartheit gar nicht oft genug hervorheben; danach CRAWLING CHAOS, E.S.G. und viel von dem, was über die Benelux-Unterabteilung bzw. in Zusammenarbeit mit LES DISQUES DU CREPUSCULE erschienen ist – Bands wie THE NAMES ("Calcutta") und THE WAKE, die viel zu schnell als JOY DIVISION-Clones vorverurteilt wurden ... Eher lustig als unterbewertet: die Berliner SHARK VEGAS ... Checkeralarm: frühe A CERTAIN RATIO, neben 23 SKIDOO die größten Angst-Funkster unter Englands nebelverhangener Sonne, auch heute noch ein Erlebnis – aber bitte nur das Frühwerk, später wird's grausig. (Ich erinnere mich an STEVIE WONDER-Coverversionen und ähnliches Ungemach.)

4) Warum war FACTORY stilprägend?

Das wüssten die Tausenden von Indielabel-Betreibern, die seit dem vergeblich versucht haben, etwas Ähnliches auf die Beine zu stellen, auch gern. Ich vermute: weil dort die richtigen Menschen zur richtigen Zeit die richtige Idee gemeinsam (!) realisiert haben. Ein glückliches Zusammentreffen, unter der wahnsinnig leuchtenden Ägide von TONY WILSON, einem Madman, wie er nur im Vereinigten Königreich gemacht werden konnte. Ohne ihn – und ohne die SEX PISTOLS! – hätte es kein(e) FACTORY gegeben. Ansonsten reichen drei Namen: JOY DIVISION, MARTIN HANNET, PETER SAVILLE. Für die Rave-Generation wären es wohl aber eher: NEW ORDER, HACIENDA, HAPPY MONDAYS ... "E is for England" – hihi.

5) Dein 'first contact'?

Das war tatsächlich FAC 2, "A Factory Sampler". Die habe ich irgendwann Anfang '79 bei einem älteren Freund gehört. Ein total verrückter Single-Sammler, später auch DJ, den ich als Kartenabreißer im Kino kennengelernt hatte – damals erkannte man sich ja noch am Aussehen, bereits der Haarschnitt (siehe 6.) war Zeichen einer Zugehörigkeit. Egal, die Doppel-Single konnte keinen bleibenden Eindruck hinterlassen, nur CABARET VOLTAIRE wegen des Titels "Baader Meinhof". Der Kult um FACTORY begann aber schon wenig später mit "Unknown Pleasure" von JOY DIVISION. Im SOUNDS, damals die einzige lesbare Musik-Zeitschrift Deutschlands, schrieb der Schweizer HANS KELLER über die Platte – das Cover in seiner Leinenstruktur erinnerte ihn an einen Bibeleinband ... Eine Sternstunde des Musikjournalismus.

6) Das Artwork von FACTORY ist ...

... immer einzigartig. Fortsetzung von 1.: Unsere Verehrung für die Single ging damals so weit, dass wir das Cover im Kopierladen aufgeblasen haben, um es dem Frisör zu zeigen – "so hätte ich das gern, ja hinten und an den Seiten kurz, am besten rasieren, nein, das muss kein Übergang haben und nein, den Scheitel bitte so lang lassen ..." Das hat in meiner kleinen Welt kein anderes Artwork, kein anderes Label und kein anderer Designer geschafft – dazu bedurfte es schon eines PETER SAVILLE. Eine echte Künstlerseele. SAVILLE legte ja auch einen besonderen Kickstart hin und verkackte sogleich das Poster zur Eröffnung der FACTORY, ein tolles Ding, aber leider einen Tag zu spät fertig gestellt – und dann die Geschichte mit dem Groschengrab "Blue Monday" – so eine durche Type ...

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