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Michael We.

PAUL ROLAND im Interview

Asked Tweedledum and Tweedledee...


PAUL ROLAND im Interview
Kategorie: Spezial
Wörter: 1413
Erstellt: 31.01.2008
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Du hast Deine Leidenschaft für Soundtracks schon angedeutet. Warum hast Du eigentlich nie Musik für einen Horrorfilm geschrieben? Das würde sich doch anbieten...

Keiner hat mich gefragt! Aber ich war auch bis jetzt nicht bereit, einen Soundtrack für einen Film zu schaffen. Ich habe in der Vergangenheit immer mit einem Arrangeur gearbeitet. Erst jetzt habe ich genug Selbstvertrauen, um eigene, atmosphärische Instrumentalstücke zu schreiben. Das erste ist auf "Pavane" zu hören, ein kurzes Vorspiel, das den Stil meines großen Vorbildes, des Filmkomponisten MICHAEL NYMAN nachahmt. Er hat mir einmal angeboten, mit ihm zu arbeiten, aber ich habe in letzter Minute die Nerven verloren, was ich bis heute zutiefst bedauere. Das kleine Stückchen auf "Pavane", für das ich alles (bis auf die Streicher) selbst geschrieben habe, hat mir Mut gemacht, etwas noch Längeres und weniger Strukturiertes auszuprobieren, sprich: die schon erwähnte Passage für "Last Voyage of the Nautillus" auf dem neuen Album. Und jetzt, da ich diesen kleinen Selbsttest bestanden habe, fühle ich mich dazu bereit, ganze Soundtracks zu schreiben, und ich bin glücklich darüber, dass ich auch schon die entsprechenden Musiker im Blick habe, die mir dabei helfen werden. Der Titel dieses Projektes bleibt aber noch geheim, bis wir kurz vor der Veröffentlichung stehen. Es wird etwas sehr Spezielles, und ich will nicht, dass die Idee vielleicht geklaut wird.

Eigentlich ist es gar nicht selbstverständlich, dass wir hier über Deine Musik reden. Du hattest die Jahre vor "Pavane" alles hingeschmissen und beschlossen, mit Musik aufzuhören, ganze sieben Jahre lang. Eine Doppelfrage: Warum hat Dir Musik keinen Spaß mehr gemacht, und warum bist Du wieder zurückgekommen?

Ich habe die Musik nach den Aufnahmen zu "Gargoyles" im Jahr 1997 aufgegeben. ALLE Labels, die meine Musik verkauften, machten nacheinander pleite. Es war eine schwere Zeit für kleine Indielabels, und obwohl ich "Gargoyles" sogar auf meinem eigenen Label herausbrachte und sich das Album gut verkaufte, habe ich den Mut verloren. Niemand da, der mich unterstützte, etwa das Album zu bewerben oder Konzerte in den entsprechenden Ländern zu veranstalten. Ich war isoliert auf meiner Insel (England) und habe den Kontakt zu den Fans verloren, der mir bis dahin meinen Enthusiasmus bewahrt hatte. Ich bin so ein Typ, der dauernd Ermutigung braucht, damit er was schreibt. Sonst gehen bei mir die Lichter langsam aus. Manche Leute machen Kunst nur so zum Spaß, aber ich brauche Publikum. Also habe ich sieben Jahre lang Film- und Musikrezensionen geschrieben und natürlich viele, viele Bücher. Die haben den Teil in meinem Leben ausgefüllt, der ohne Musik leer war. Eines Tages hat mich die Neugier gepackt, und ich habe mir die alten Sachen wieder angehört, alte Fotos angeschaut und Reviews und Briefe von Fans gelesen. Das hat mir die Freude an meiner Musik langsam wiedergebracht. Mir ging es wie der Figur in einem meiner Songs, "The Poets and the Painters", der merkt, dass er seine Muse verraten hat. Das war eine sehr traurige Zeit, in der ich nicht PAUL ROLAND war, nur ein Schatten, ein Zombie. Ich sah aus wie PAUL ROLAND, und ich hatte seine Tourposter an der Wand, aber eigentlich hielt der Typ Winterschlaf. Aus jetziger Sicht war die Pause aber gar nicht so schlecht; ich hatte viel Zeit, zu überdenken, wer ich eigentlich bin, und mir fiel auch auf, dass es doch eine ganze Reihe von Leuten gab, die meine Musik mochten. Der 'Moment der Wahrheit' kam, als mir ein Auftritt in einem Schloss in Berlin ('Herbstnacht Festival') angeboten wurde. Da musste ich all meine alten Songs neu lernen, denn ich hatte sieben Jahre lang keine Gitarre angefasst. Das Konzert war ein Erfolg, und außerdem traf ich dort Leute, die mir anschließend eine deutsche Website bastelten, und plötzlich fühlte ich mich wieder nützlich.

Wie schwer war es, nach sieben Jahren Pause wieder die alten Songs zu spielen?

Also körperlich hat es richtig wehgetan, nach so langer Zeit wieder Gitarre zu spielen. Und wie demoralisierend es ist, all die ganzen Griffe neu lernen zu müssen! Aber irgendwie war es an der Zeit, wieder zurück in die Spur zu kommen. Ich habe jeden Tag geübt und bin eine Stunde pro Tag gelaufen, um fitter zu werden. Ich habe mich gefühlt wie STALLONE in "Rocky", nur bin ich keine Stufen hoch und runter gerannt, während im Hintergrund scheußliche 80er-Jahre-Musik lief!

Es scheint so, als ob Du im Moment wirklich voller Energie steckst. Du arbeitest nicht nur an einem neuen Album, sondern hast auch die zukünftige Zusammenarbeit mit verschiedenen Musikern immer wieder erwähnt. Was haben wir von Dir musikalisch zu erwarten in den kommenden Jahren? Ist es vorbei mit der typischen Mischung aus Akustikfolk, Rockoper und Barockmusik?

Ich glaube, dass genau diese Mischung Teil meines Problems war, der Grund für den doch sehr geringen Erfolg. Ich habe versucht, alles gleichzeitig auf ein Album zu bringen und erst jetzt kapiert, dass ich mich auf einen Stil konzentrieren und dafür dessen Potential voll ausschöpfen muss. Deshalb werde ich in den kommenden Jahren eine barocke Kammeroper (wollte ich schon lange), ein Gothicrock-Album und ein rein akustisches Album machen, statt alle Varianten auf einer Platte zu haben. Die Musik für das Akustikalbum ist schon fertig, und die Texte werden sich einem Thema widmen: entweder den dunklen Märchen der GEBRÜDER GRIMM oder den Gespenstergeschichten von M.R. JAMES. Ich habe mich noch nicht entschieden, werde aber mit den Aufnahmen noch im Frühjahr anfangen, gemeinsam mit RALF JESEK von IN MY ROSARY. RALF ist auch einer meiner neuen Musikerfreunde, er wird ganz sicher etwas Neues zu meinem Sound beitragen. Er hat schon Gitarren und Keyboards zu älteren Songs dazugemischt und einige Alben so für die Wiederveröffentlichung vorbereitet. Seine kleinen, aber wichtigen Veränderungen haben mich sozusagen zur Ruhe kommen lassen. Ich hatte bei manchen Tracks immer das Gefühl, sie wären unfertig oder zum Beispiel durch die technischen Beschränkungen der damaligen Zeit irgendwie 'gehemmt'. Das kann ich jetzt nachbessern. Damit wir uns nicht falsch verstehen – das sind keine Remixe, denn ich will den ursprünglichen Sound nicht verändern. Das wäre sowieso unmöglich, weil ich die Master Tapes vor ein paar Jahren in den Müll geworfen habe!! Ich will nur ein bisschen Gitarre zu besonders 'dünnen' Songs oder ein echtes Cembalo statt eines synthetischen, alles legitim. Die Alben, von denen wir hier sprechen, werden jeweils zu zweit auf einer CD rauskommen, mit Extratracks und neuen Booklets, darin ein paar biographische Zeilen von mir. All das, vor allem das Kennenlernen von neuen Musikern, hat meinen Enthusiasmus für Musik nach vielen Jahren wieder hergestellt. Eigentlich hatte ich mich damit abgefunden, dass sich niemand für mich interessiert.

In einem Interview hast Du mal erwähnt, dass Du auch gerne mit RAMMSTEIN zusammenarbeiten würdest. Mal abgesehen davon, dass man Dich neben denen auf der Bühne gar nicht hören würde, was fasziniert Dich an deren Teutonen-Rock?

Starke Melodien und sehr stilsicher verzerrte Gitarren. Ganz zu schweigen von dem ironischen, schwarzen Humor und dem Sinn für das Makabre. Was könntest Du sonst noch meinen? Ich habe all ihre Alben und liebe jeden Track. Es gibt nicht viele Bands, von denen ich das sagen kann.

Du selbst wirst musikalisch immer wieder in die Nähe von Apocalyptic Folk-Künstlern gebracht, zum Beispiel wird Deine Musik in dem umfangreichen Neofolk-Lexikon "Looking For Europe" erwähnt, da bist Du auch auf dem 4-CD-Sampler mit einem Titel vertreten. Siehst Du Dich in der Nähe dieser oder einer anderen Szene?

Ich wusste nicht einmal, dass so eine Szene existiert. Aber wenn ich andere Künstler tatsächlich beeinflusst haben sollte und darüber geschrieben wird, würde ich das als große Ehre auffassen. Rein musikalisch sehe ich 'Neofolk' nur als kleinen Aspekt meiner Songs; die erfolgreichen Lieder würde ich als 'Gothrock' oder 'Psychpop' bezeichnen. Mein wohl erfolgreichstes Album war "Duel", das wurde von vielen Akustikfans richtiggehend gehasst, weil sie es zu 'heavy' fanden.

Eine abschließende Frage zum Thema Musik... Ein Satz von Dir wird in fast jedem Artikel über Dich zitiert: Du hast Dich mal als männliche KATE BUSH bezeichnet. Gilt das immer noch?

Ne ne, das war gar nicht ich. ROBYN HITCHCOCK sagte das über mich, und ich denke, das ist immer noch die genaueste Beschreibung, die Du über mich kriegen kannst. Ich bin damit sehr zufrieden, es ist ein großes Kompliment. Obwohl – es könnte vielleicht noch genauer werden, wenn Du mich als EDGAR ALLEN POE der Rockmusik bezeichnest.


0) Start
1) Neues Album und alte Einflüsse
3) Bücher und Engel-Workshops
4) Umzug nach Deutschland

 
Michael We. für nonpop.de


Verweise zum Artikel:
» PAUL ROLAND musikalisch (dt.)
» PAUL ROLAND literarisch (eng.)
» umfangreicher Wiki-Artikel
» ital. Seite mit vielen Interviews
» Diskografie mit Covern und Hörbeispielen
» Lyrics
» PAUL ROLAND @ myspace

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Kommentare
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Poe und Crowley
NF (31-01-2008, 13:23)
Über das E. A. Poe Gedicht "Der Rabe" bin ich vor Kurzem erst wahllos nach "Nimmermehr" übers Internet suchend gestoßen. So können sich kleine Kreise schließen. In einem alchimistischen Nachtgespräch hatte ich Ernst Jünger einem Freund mal als Mischung aus Aleister Crowley und Friedrich Nitzsche anempfohlen. Leider finde keinen Zugang mehr. Seis drum. Never throw away a key. Gelungener Artikel, Michael We.

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