http://www.nonpop.de/nonpop/index.php?nav=1&area=1&p=articles&action=showdetails&id=1510&artpage=2&type=review
NONPOP - Artikel > Rezensionen > Tonträger > Der Meister und Margarita (Hörbuch)



Michael We.

Der Meister und Margarita (Hörbuch)

Ich bin ein Teil von jener Kraft, die stets das Böse will...


Der Meister und Margarita (Hörbuch)
Genre: Hörbuch
Verlag: Der Hörverlag
Erscheinungsdatum:
2007
Medium: Box
Preis: ~50,00 €
Kaufen bei: Der Hörverlag
Amazon


Schrift vergrößern Schrift verkleinern




Der Roman

"Der Meister und Margarita" erschien zum ersten Mal 1966, als (gekürzter) Fortsetzungsroman in einer Moskauer Zeitschrift. Die rund 150.000 Exemplare waren innerhalb weniger Stunden ausverkauft. Die Generation der damals 20- bis 30jährigen kann heute noch viele Passagen des Romans auswendig. Zwei Jahre später kam eine (auch zensierte) Version in Buchform in der DDR auf den Markt und wurde dort ebenfalls zu einem 'Kultbuch'. Die von der Zensur gekürzten Teile besorgten sich die Leser zwei Jahre später aus Westdeutschland, wo das Buch zwar ungekürzt erschien, aber weitgehend ignoriert wurde.
Die Protagonisten leben und handeln im Moskau der 1930er-Jahre, und der Roman ist eine pralle, aus allen Nähten platzende, fantastische Gesellschaftssatire auf die damaligen Umstände. Auf den ersten Seiten entfaltet sich der slapstickartig gezeichnete Kampf der Moskauer ums tägliche Überleben, umgeben von der starren Bürokratie und dem blinden Atheismus des russischen Überwachungsstaates, der Gott zu einer Erfindung erklärt hat. BULGAKOW spricht allerdings nie direkt von 'sozialistischen Zuständen' (auch wenn es zum Beispiel gleich zu Beginn am Bier- und Mineralwasserstand weder Bier noch Mineralwasser gibt), was ihm den ein oder anderen Vorwurf von Regimegegnern einbrachte, er würde Kritik nicht unmittelbar genug üben.
In die betonierte Hauptstadt des Kommunismus hinein also etabliert BULGAKOW den TEUFEL in Gestalt von VOLAND, einem Varietékünstler und jovialen und süffisanten Professor für Schwarze Magie. Dieser und seine liederliche Anhängerschar (KOROWJEW, Übersetzer von VOLAND, ein Mann mit einem riesigen, gesprungenen Zwicker; ASASELLO, ein Mann mit einem riesigen Vorderzahn; BEHEMOTH, ein sprechender schwarzer Kater; GELLA, eine schöne, vampirische Hexe) stellen den sowjetischen Alltag der Stalinzeit auf den Kopf, denn plötzlich verlieren Menschen in Moskau ihr Haupt oder fliegen durch die Nacht, und ehrliche Bürger landen in der Irrenanstalt, kurz: Im wirklichen Moskau geschehen nur noch fantastische Dinge, wobei der Leser irgendwann nicht mehr weiß, ob die Vorstellung des TEUFELs in Moskau nicht realer ist als die absurde Wirklichkeit. Der TEUFEL ist darüber hinaus ein seltsamer, denn er bestraft die Eitlen, Habgierigen und Dummen, während er den Schlauen und Liebenden hilft. Er bringt Gerechtigkeit und befördert die ins Jenseits, die im Leben an nichts geglaubt haben.
Eingeflochten in dieses großartige Tohuwabohu ist die Geschichte der Begegnung zwischen JESUS und PONTIUS PILATUS, in einer speziell auf die STALIN-Diktatur zugeschnittenen Form, so dass die eigentliche Kritik an unterdrückender Macht in die Zeit kurz nach der Geburt CHRISTI ausgelagert wird. Erzählt wird die PILATUS-Geschichte vom MEISTER, einem Schriftsteller, der viele Züge BULGAKOWs trägt: Er hat einen von der parteikonformen Kritik zerrissenen Roman (eben jenen über PONTIUS PILATUS) geschrieben, sitzt verbittert im Irrenhaus und ist unglücklich in seine Muse MARGARITA verliebt. Beide werden zum Schluss, in einer sich überschlagenden Zusammenführung aller Handlungsstränge, von VOLAND gerettet.
Diese quer durch alle literarischen Gattungen galoppierende Abrechnung mit einer menschlichen Welt, in der alles auf Politik reduziert ist, hat in den vergangenen Jahren eine zweite Aktualität gewonnen: Auch im heutigen Russland leben auf der einen Seite wenige in Luxus und Bequemlichkeit, während auf der anderen Seite für viele Umstände durchschlagen, wie sie auch das Russland der 20er- und 30er-Jahre prägten: bittere Armut, das Fehlen alltäglicher Bedarfsgüter, Beamtenwillkür und Korruption, die Verhaftung von kritischen Oppositionellen und manipulierte Wahlen. Die Moskauer (bzw. die Russen insgesamt) sind also heute genauso wie damals gezwungen, gegen das ihnen innewohnende Phlegma Eigeninitiative zu entwickeln, da ihnen sonst der Teufel ihr Land in Einzelteile zerlegt.

1) Der Autor
3) Das Hörbuch

 
Michael We. für nonpop.de


Verweise zum Artikel:
» ausführliche Seite (eng.) zum Roman
» BULGAKOW-Seite mit weiterführenden Links
» BULGAKOW-Bibliographie (eng.)


Anzeige:
Namentlich gekennzeichnete Beiträge spiegeln ausschließlich die Meinung des jeweiligen Verfassers bzw. Interviewpartners wieder. Nachdruck (auch auszugsweise) nur mit schriftlicher Genehmigung durch den Betreiber dieser Seite.
Link-Code zu diesem Artikel:
Wöchentliche Artikelübersicht per Mail
Werde NONPOP- Redakteur...
» Diesen Artikel bewerten
» Kommentar zum Artikel verfassen
Zusammenfassung
Von den 692 Minuten dieses Hörbuches ist keine zuviel. Die pralle Gesellschaftssatire BULGAKOWs wurde, handwerklich hervorragend und mit Bedacht, auf 10 CDs gebannt. BULGAKOW holt den Teufel mit seinem Roman nach Moskau. Diese Hörfassung bringt ihn in unser Wohnzimmer.

Inhalt
Der 10-CD-Box liegt ein zwar kompaktes, aber dennoch informatives Booklet bei, aus dem sich ein guter Überblick über den Roman, seine Entstehungsgeschichte und die Hörbuch-Produktion ergibt.
NONPOP RADIO
Nonpop Radio starten:

Hier Popup
Ebay- Angebote zum Thema:
Bulgakow