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Dominik T.

HILMAR ÖRN HILMARSSON (Interview)


HILMAR ÖRN HILMARSSON (Interview)
Kategorie: Spezial
Wörter: 1261
Erstellt: 28.03.2007
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Wir nähern uns nun langsam einem Namen, der bei allem bisher gesagten, stets hintergründig präsent war: Der Filmkomponist HILMAR ÖRN HILMARSSON - besser bekannt als HÖH - ein (teilweise) jahrelanges Mitglied bei (u.a.) PSYCHIC TV, CURRENT 93 und SIGUR RÓS, denn dieser HÖH wurde 2002 zum neuen Allhersjagodi von Island gewählt, nachdem der wenig glücklich agierende und direkte BENTEINSSON-Nachfolger JORMUNDR INGI HANSEN abgesetzt worden war (auch Isländer streiten sich untereinander). Eine willkommene Gelegenheit, einen hochinteressanten Künstler zu interviewen, dessen Musik ich liebe und der einen immens hohen Einfluss auf das frühe Wirken der alten "World Serpent Family" zu ihrer Kristallisationszeit ausübte. Dieser Einfluss wurde in Interviews mit anderen Protagonisten meist nur etwas geheimnisvoll angedeutet. Dort ist oft nur achselzuckend von einem "Okkultismus-Experten", einem "Crowleyana- Sammler", einem "Strippenzieher" usw. die Rede, kurz, von einem, der Künstler mit ähnlichen Interessen in und um London zusammenführte, vergleichbar mit FREYA ASWYNN, der offensichtlich eine ähnliche Funktion in "Englands Hidden Reverse" zukam.
Musikalisch indes hinterließ HÖH seine Spuren jedoch vor allem bei CURRENT 93 (mit der "Sünde" ARYAN AQUARIANS "Meet Their Waterloo" braucht man sich nicht weiter zu befassen). Beeindruckenden Werke aus der Hochzeit CURRENT 93s, ich spreche von "In Menstrual Night", "Imperium"; die urkomische "Crowleymass" EP und vor allem "Island" sind zu einem durchaus großen Teil musikalisch auf Hilmars magischem Mist gewachsen – oft auch in Zusammenarbeit mit seinem langjährigen isländischen Gefährten EINAR ÖRN und GODKRIST (der laut seinem "Wikipedia"-Eintrag auch als Mathematiker recht erfolgreich ist). Bei all diesen Verdiensten wunderte ich mich immer, warum es so wenig Interviews mit HÖH gibt. Selbst nach exzessiver, auch internationaler, Recherche, konnte ich nur drei Interviews auftreiben, dabei steht Hilmar neben seinen religiösen Verpflichtungen möglicherweise kurz vor einer Hollywood-Karriere (dazu später mehr) und hat schon mehrere Preise abgesahnt, wie etwa 1991 den "Felix" für die beste europäische Filmmusik für den bereits angesprochenen "Children Of Nature"-Film.
Nach meiner ersten Kontaktaufnahme mit Hilmar, seinem Einverständnis für ein Interview und den folgenden Monaten des Wartens, wusste ich, warum! Nun, ich hatte bereits herausgefunden, dass Hilmar der Ruf vorauseilt, etwas chaotisch und "faul" zu sein, aber das es so "schlimm" ist, wusste ich nicht! Doch mein ständiges Nach-Island-Anrufen und Hilmar an die Beantwortung zu erinnern, fing uns beiden langsam aber sicher an Spaß zu machen, zumal es kein Zurück mehr gab und mein Ehrgeiz, diesen Mann im ZINNOBER zu haben, bei solch allzumenschlichen Hindernissen erst richtig erwachte. Dich will ich im Heft haben, auch wenn es das Letzte ist, was ich tue, dachte ich mir, und so konnte das "Und täglich grüßt das Murmeltier" zwischen Hilmar und mir beginnen! Er versprach mir nahezu alle 24 Stunden, jetzt sofort in den nächsten paar Minuten das Interview zu beantworten, er sei nur wahnsinnig beschäftigt, allein ich hatte das Gefühl, dass Hilmar nach jedem Telefonat wieder anfing dem Wind zu lauschen oder einfach nur auf seinem Sofa zu sitzen, um zu überlegen, was er als nächstes tun könnte. Letztendlich ist jedoch alles gut gegangen und ich kann im Folgenden ein interessantes Interview mit vielleicht dem genialsten aller Musiker des ZINNOBER-Interessenkreises präsentieren, welches allerdings wild zwischen E-mail-Zitaten und Telefon-O-Tönen hin und her switcht und auch sonst diverse Erklärungen einschiebt. Das Ganze entfachte eben etwas meinen "Recherche-Geist", immerhin ist es nicht übertrieben, in Hilmar auch den "Spiritus Rector" großer Teile der isländischen Musikwelt zu sehen.


Interview

Lieber Hilmar, fangen wir ganz am Anfang an. Zu den Urgesteinen der isländischen Post-Punk Bands zählen ÞEYR, PURRKUR PILLNIKK (mit EINAR ÖRN) und später die auch international recht bekannt gewordenen KUKL (mit einer rothaarigen BJÖRK als Sängerin), die alle aus "Anarcho-Punk"-Zusammenhängen herstammten - KUKL war neben den POISON GIRLS und CRASS selbst die einzige Band, die mehr als ein Tonträger über CRASS RECORDS veröffentlichte. Bei meinen Recherchen las ich, dass Du schon damals so etwas wie der "weltanschauliche Berater" von ÞEYR warst, speziell bezogen auf "okkulte Fragen". Wie war all das?

ÞEYR waren tatsächlich in "Anarcho Punk"-Zusammenhängen aktiv, was jedoch bis heute immer wieder übersehen wird, war, dass wir sehr humoristisch an unsere Musik herangingen und uns selbst auch nicht sehr ernst nahmen. Ich war damals Teil von ÞEYR, allerdings mochte ich es nicht, auf der Bühne zu stehen – zu schüchtern – so dass ich für ÞEYR nur im Studio einige Instrumentalparts einspielte, zudem schrieb ich den Großteil der Texte, die meistens "Anti-Establishment" waren, aber auch "Okkultes" einbezogen. Wir waren jedoch höchst demokratisch in Allem, so dass von einer "Beratertätigkeit" nicht die Rede sein kann.

Die international bekanntesten ÞEYR-Songs waren sicherlich die englischsprachigen Stücke wie "Killer Boogie", den HÖH im Soundtrack zu "Cold Fever" wieder verwendete oder "Rudolf", der sich natürlich auf Rudolf Hess bezieht und mit Hitler-Samples arbeitet. Der Föhrer brüllt die Weisheit: "In uns marschiert Deutschland, vor uns marschiert Deutschland und hinter uns marschiert Deutschland" aus sich heraus. Ich kenne eine ÞEYR 12" mit dem Titel "The Fourth Reich", auf dem Cover ist WILHELM REICH mit Armbinde zu sehen, der wohl ein Kreuz trägt. Musikalisch bieten hier ÞEYR sehr guten, rituellen Dark-Punk. (Auch wenn der Sänger manchmal fatal an einen wütenden, isländischen HERBERT GRÖNEMEYER erinnert.) Was hat es damit auf sich?

Nun, ich war damals sehr stark an WILHELM REICH interessiert. Vor allem seine "Massenpsychologie des Faschismus" interessierte mich irgendwie sehr. Speziell die darin geäußerte Meinung, dass Hass auf einen äußeren, imaginierten Feind, die Massen viel effektiver eint, als etwa die Liebe.

Anmerkung: HÖH war zudem eine Art Manager der ÞEYR-Band. Er leitete damals zusammen mit einem Freund ESQUIMAUX MANAGEMENT, eine Art Verlag zur Verbreitung der Ideen von WILHELM REICH und Punk.
ÞEYR war generell eine hochinteressante Gruppe, im Prinzip genau das "Missing Link" zwischen CRASS auf der einen und Projekten wie PSYCHIC TV, CURRENT 93 oder COIL auf der anderen Seite.
Unbedingt erwähnenswert auch der Sampler "Geyser - Anthology Of The Icelandic Independent Scene Of The Eighties" (1987), auf dem sich ÞEYR genauso finden wie PURRKUR PILLNIKK und BENTEINSSON ("Rimur"-Gesang). Soweit mir bekannt ist dort auch das erste Stück von HÖH-Solo zu finden. Es heißt "Ad Astra", und es wurde auch später nicht mehr wiederveröffentlicht.

Es heißt immer, es bestanden sehr enge Verbindungen zwischen ÞEYR und KILLING JOKE, speziell zu JAZ COLEMAN, dessen Interesse an ALEISTER CROWLEY ja hinlänglich bekannt ist, speziell festzustellen bei dem Song "The Fall Of The Because" (auf "What's This For…!" , 1981). JAZ COLEMAN soll sogar kurzzeitig Mitglied gewesen sein…

Ja, das stimmt. Coleman kam 1982 nach den Aufnahmen von "Revelations" (1982) nach Island, weil er davon überzeugt war, dass das Ende der Welt, die Apokalypse, bevorstand und dies wollte er anscheinend in Island erleben. Er machte also tatsächlich einige Monate mit uns Musik, bis er merkte, dass die Welt immer noch steht. Er ging dann zurück nach England. Wir möchten gerne das gesamte ÞEYR-Material auf CD wiederveröffentlichen, darunter auch einige unveröffentlichte Tapes, auf denen COLEMAN mitwirkte. Eine dieser CDs gibt es bereits und zwar "Mjotvidur Til Fota", die die gleichnamige LP und eine 10" namens "Idur til fota"
vereint.

Besteht noch Kontakt zu JAZ COLEMAN?

Oh Nein!!

Dann vielleicht kurz zu Island und Musik im Allgemeinen. Die bekanntesten Musiker Islands sind gegenwärtig sicherlich BJÖRK, EMILLIA TORRINI und SIGUR RÓS. Wie ist es, wenn eine Szene, die sich gut untereinander kennt, auf einmal Weltstars hervorbringt?

Och, man könnte dies eine "Strategie" nennen, die erfolgreich war. Die, die Erfolg hatten, schleppten andere mit. Im Grunde stecken ja hinter all diesen Projekten nur etwa 10 – 15 Musiker.


 
Dominik T. für nonpop.de


Verweise zum Artikel:
» HÖH auf Wikipedia


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