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Martin L.

WHO CAN I TURN TO STEREO?

Nurse With Wound in Deutschland


WHO CAN I TURN TO STEREO?
Kategorie: Spezial
Wörter: 1172


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Die Volksbühne Berlin hatte in den letzten Jahren das Verdienst, diverse Legenden der frühen "Industrial Culture" zu Konzerten einzuladen. Bisher waren zu sehen: COIL, WHITEHOUSE, THROBBING GRISTLE und CURRENT 93. Selbst in diesem illustren Rahmen war der Auftritt von NURSE WITH WOUND (NWW) am 21. 11. 2007 etwas Besonderes. Das bereits 1978 von STEVEN STAPLETON, JOHN FOTHERGILL und HEMAN PATHAK gegründete Projekt war über 20 Jahre lang nicht live zu sehen; selbst zu ihrer "legendären" Zeit in den Achtziger Jahren gaben NWW gerade mal 1-2 Konzerte. Ein Grund dafür ist sicher, daß NWW in erster Linie ein Studioprojekt ist. Stapleton, der heute alleinige Kopf von NWW,  ist ein manischer Soundtüftler, dessen nunmehr über dreißig Alben (und zahllose kleinere Veröffentlichungen), der vielleicht einzig gelungene Versuch sind, "surrealistische" Musik zu schaffen. Dabei werden sowohl konventionelle Instrumente zweckentfremdet "malträtiert", es wird aber auch viel mit Elektronik, Loops, Samples und Tonbandmanipulation gearbeitet. Die kryptischen Songtitel, die von Stapleton meistens selbst gestalteten Cover, die bizarren "Geräusche", die schrägen Dissonanzen und "Soundtracks" weisen deutlich auf den klassischen Surrealismus und Dadaismus hin. Die Songs und Alben tragen sublime Titel wie "Gyllensköld Geijerstam and I at Rydbergs", "Brained By Falling Masonry", "A Sucked Orange" oder "Music From The Horse Hospital". Die raren Vinyls werden inzwischen zu astronomischen Summen versteigert.

Anders als Stapletons zweites Langzeitprojekt CURRENT 93 (Er ist neben dessen Mastermind DAVID TIBET das einzige fixe Mitglied.), das um religiöse und okkulte Themen kreist, hat NWW keine andere "Message" als sich selbst. Die Sperrigkeit von Stapletons Musik ist der ideale Anknüpfungspunkt für Avantgarde-Snobs und Sammler-Nerds aller Art. Die Einbettung in eine lange Tradition "alternativer" und "schwieriger" Musik ist dabei Programm. Das Debütalbum von NWW,  "Chance Meeting on a Dissecting Table of a Sewing Machine and an Umbrella"  (1979. Der Titel ist den GESÄNGEN DES MALDOROR von LAUTRÉAMONT entnommen.) beinhaltete eine legendäre "Liste" von einflußreichen Bands, die inzwischen zum Wegweiser für Sammler obskurer Musik geworden ist. Grundsätzlich gibt es keine musikalischen, strukturellen oder formalen Grenzen für NWW: alles und jedes kann benutzt, verfremdet, ad absurdum geführt werden. Frei nach dem Motto aus JAC BERROCALS "Rock'n'Roll Station" (Das von NWW großartig gecovert wurde.): "Jac's bicycle is music to my ears... we can do what we want to... Everything is possible!" So ist zum Erstaunen selbst der in dieser Hinsicht recht abgebrühten NWW-Fans seit langem ein Hip-Hop-Album mit ausschließlich weiblichen Rapperinnen angekündigt. MC Stapleton selbst ist, wieder im Gegensatz zu seinem Dauer-Kompagnon David Tibet, eine eher zurückhaltende, ausgeglichene Erscheinung. Geboren wurde er in London am 3. Februar 1957, also im Zeichen des Wassermann und Uranus, dem Signum der Exzentriker, Unkonventionellen und Erneuerer ("...der Freak unter den Zeichen. Fortschrittlich, kreativ und ein wenig verrückt.")  Er lebt ein beschaulich-alternatives Dasein mit seiner Frau DIANA ROGERSON und seinen vier Kindern auf einer kleinen Farm in Irland. Als Teenager trampte er durch Europa, wo es ihn vor allem wegen seiner Begeisterung für den deutschen KRAUTROCK hinzog. "I'm really happy in my life", sagte er in einem Interview mit der Zeitschrift WIRE: "I've got my goats, my lovely family, I've got everything that anybody could really want and I've also got my music."

Der erste offizielle Auftritt von NWW nach langer Abstinenz fand 2006 in San Francisco im Rahmen eines von
THURSTON MOORE organisierten Festivals statt. Tatsächlich gab es bereits ein Jahr zuvor, am 7. und 8. Mai 2005 zwei "inoffizielle", von der KLANGGALERIE organisierte, Quasi-NWW-Konzerte mit Stapleton, Diana Rogerson, COLIN POTTER, MATT WALDRON und ANDREW LILES in einem Hörsaal des bizarren "Pathologischen Museums" von Wien, dem sogenannten "Narrenturm" (unter den Gästen wurden ALBIN JULIUS und ANDREW KING erblickt). Seither gab es zahlreiche Auftritte in Österreich, Belgien, Frankreich, Barcelona, London und sogar Moskau. Das erste Deutschland-Konzert überhaupt fand nun am 21. 11. 2007 an der Volksbühne Berlin statt. Als Vorgruppe waren BLIND CAVE SALAMANDER zu hören, mit Mitgliedern von LARSEN (Marco Milanesio) und ANTONY AND THE JOHNSONS (Julia Kent). Im Gegensatz zu Current 93 im Vorjahr war der im schummrigen Halbdunkel liegende Saal nur halbvoll. Die Line-Up bestand aus Stapleton, Potter, Waldron, Liles und der esoterischen Astrologin HAZEL TWO TWIGGS. Der Höhepunkt für viele wird freilich der Moment gewesen sein, als unerwartet ein kauziges, barfüßiges Männchen mit einem Schlapphut auf der Bühne stand: natürlich David Tibet, der für insgesamt vier Gesangseinlagen auftrat. Der Rezensent selbst ist kein NWW-Kenner. Insgesamt konnte ich mit dem Projekt bisher wenig anfangen, nichtsdestotrotz gibt es einige Nummern, die mir unvergeßlich geblieben sind, und die in meinem Leben eine nachhaltige Rolle gespielt haben: Angefangen von dem hypnotischen "Device fashioned from behind a tree" ("Nein, Papa, ich will nicht, Papa!"; zu finden u.a. auf dem ultrararen Current 93/ NWW Split-Tape "Mi Mort", 1983) über die kosmischen Loops von "Soliloquy for Lilith" (1988) bis zu den Rhythmen von "Rock'n'Roll Station" (1994) und "Yagga Blues" (1995) oder dem "Funeral March for Perez Prado", den ich wohl an die hundert Mal gehört habe. Insofern konnte ich, bis auf die Zugabe "Maldoror is Dead" (ein alter Current-Titel, mit den Lautréamont-Zeilen "And when she fell down the stairs, I tried very hard not to laugh..."), keinen Titel identifizieren; ich nehme einmal an, dass es sich hier um ein zum Teil improvisiertes Medley gehandelt hat, das ohne Pause durchgespielt wurde. Vor einem kosmisch-ozeanischen Grundgedröhne ging es hinab in einen abwechslungsreichen Sound-Maelstrom, von dem mich in erster Linie die rhythmusorientierten Parts begeisterten. Neben Tibets Einlagen war der fetzige Höhepunkt des Abends eine von Matt Waldron (aka irr. app. (ext.) ) mit erstaunlich kraftvoller Stimme vorgetragene, völlig unerwartet kommende Blues-Nummer (laut dem Rezensenten der Berliner Zeitung vom 23. 11. 2007 eine "satanistisch modifizierte Variante des alten O.C.-Smith-Stücks "Little Green Apples"). Erwähnenswert ist auch das Experimentalvideo (wahrscheinlich von Diana Rogerson), das in einem Endlos-Loop auf einer Leinwand zu sehen war: symmetrisch multiplizierte nackte Männer- und Frauenkörper entrollten sich vor Feuergluten und Lichtblitzen wie Blütenblätter im Zeitraffer. Insgesamt oszillierte der Auftritt zwischen Faszination und gepflegter Langeweile; für einen Fan von Current 93 und Konsorten sind NWW jedoch "Kult" jenseits jeglicher Kritik. Auch wenn das Konzert, wie auch die anderen "Industrial Culture"-Events auf der Volksbühne, von einer gewissen Nostalgie umgeben war, muß man doch konstatieren, daß das Projekt nach 30 Jahren Aktivität lebendig und innovativ geblieben ist. In diesem Sinne fiebere auch ich dem Hip-Hop-Album entgegen!

Verweise:

Offizielle Homepage von NWW

NWW in der englischsprachigen Wikipedia

"United Dairies", Stapletons eigenes Label

NWW live, Juni 2006, in San Francisco

Matt Waldron und David Tibet, NWW live in Moskau, September 2007


 
Martin L. für nonpop.de


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