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Michael We.

TERVAHÄÄT: Kalmonsäie

Ur-Folk aus der finnischen Blockhütte


TERVAHÄÄT: Kalmonsäie
Genre: Neofolk
Verlag: Anima Arctica
Erscheinungsdatum:
Oktober 2012
Medium: CD
Preis: ~14,00 €
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Das finnische Duo TERVAHÄÄT haben wir im Rahmen des Labelinterviews mit ANIMA ARCTICA schon kurz angesprochen. Ur-Folk umschreibt die dort produzierte und vertriebene Musik wohl ganz gut; eine raue, naturnahe und erdige Folkvariante mit einem starken Bewusstsein für die finnische Landschaft und deren Geschichten. Hinter TERVAHÄÄT verbergen sich MIKKO PÖYHÖNEN (unter anderem auch der Macher von PYHÄ KUOLEMA) sowie Labelchef JUHA JAAKKO-ANTERO KAARNA KETTUNEN selbst. Er hat in unserem Gespräch die Arbeit von TERVAHÄÄT so beschrieben:

"Ritueller und spiritueller Neofolk gemischt mit unheimlichem Ambient, außerdem mit Verweisen auf Industrial, Skiffle und vieles andere. Es geht häufig um Themen wie Animismus, Atavismus, gemeinschaftliches finnisches Nationalwissen, Spirituelles und Natur. [...] Zwei neue Vollzeitalben werden wohl am Ende des Jahres (2012) erscheinen. Eines von beiden, "Patria", wie vielleicht schon am Albumtitel abzulesen ist, wird sich am klassischen Neofolk orientieren. "Kalmonsäie", das zweite, geht eher in die Richtung des Debüts, also arbeitet mit Ambient und 'ländlichem' Folk."

"Kalmonsäie" ist nun zuerst veröffentlicht worden, das insgesamt zweite Album nach dem selbstbetitelten Debüt aus dem Jahr 2009. Ambient, Folk und viele weitere Elemente sind vorhanden, allerdings weniger Prog- und Rockelemente als auf dem Vorgänger. MIKKO und JUHA beschäftigen sich wie erwähnt viel mit Atavismus, also dem Durchschlagen längst verloren geglaubter Verhaltensweisen, Eigenschaften. Und so klingt auch diese CD: Wie Rituale, wie Verweise auf eine vergangene Zeit. Obwohl TERVAHÄÄT nichts mit Melancholie zu tun haben wollen, stellt sich diese beim Hören unweigerlich ein.

"Marrasvirsi" (01) besteht aus einer Art gregorianischem Gesang, wie die gesamten Lyrics auf Finnisch. Tief und gedehnt erinnern mich die Vocals – nicht zum einzigen Mal auf dem Album – an ULVER. Musik für Dunkelheit und lange Winterabende. Der Titeltrack ("Kalmonsäie", 02) kommt besonders urig daher. Eine Art Banjo vereint sich mit einer leicht zerrenden E-Gitarre (Assoziation: KINIT HER), beide werden zunehmend wilder und unterstützt von einer sporadischen Trommel. Der mönchische Gesang wirkt erneut sehr sakral und wie in einer steinernen Halle aufgenommen. Leichter Prog-Folk mit ritualisierten, instrumentellen Wiederholungen. Der verzweifelte, langgezogene Gesang am Ende des langen Stückes erinnert an Steppe oder Eiswüste, mit leichtem Windheulen. Rituelle Trommeln, Bass und eine Art Flöte prägen "Otsontanssi" (03), der darüberliegende Gesang ist bewusst etwas schräg angelegt.
Mit "Lumelleluvattu" (04) taucht plötzlich ein metallener Einschlag auf; die E-Gitarre gniedelt zwar sanft mit einer Vierton-Melodie vor sich hin, aber der eindringliche Schreigesang erinnert deutlich an Black Metal. Eine erneut metallene Gitarre zupft zu rudimentärer Percussion in "Huolainniekka" (05), sich immer wiederholend (Assoziation: MENACE RUINE). Die Vocals bleiben eher geflüstert beziehungsweise dezent gesungen, klingen zunehmend treffsicher und graben sich ins Ohr ein. Auch hier überrascht am Ende wieder ein Wechsel hin zu schönem Acapella-Gesang, fast alpin, wie oben auf dem Berg. Auf die Erde bringen uns wieder ein ruhiges Banjo ("Ylisillä", 06) mit einigen klopfenden Hintergrundgeräuschen und sanfter Gesang. Im letzten Song dominiert dann die akustische Gitarre zu Field Recordings (wie Quietschen, Klopfen, Knistern). Lange bleibt "Saattaja" (07) ein sehr ruhiges Instrumentalstück, bis zum Schluss erneut die hervorragenden Vocals einsetzen, die sich immer perfekt der Stimmung der Songs anpassen und hier zwar leicht hallend, aber enorm ruhig und traurig sind.

In einer englischen Review des selbstbetitelten Debüts hat der Autor sehr schön resümiert, dass er sich beim Hören wie in einer vergessenen Blockhütte mitten in den finnischen Wäldern fühle, das Rauschen der Bäume höre und den kalten Wind spüre, der die Geister der Toten trägt. Auch der Nachfolger "Kalmonsäie" verkörpert eine solch fantastische Atmosphäre, die nach Waldboden, Vergangenheit und der Einsamkeit und Weite Finnlands riecht. Zu diesem urigen Ambiente trägt natürlich auch die kantige, finnische Sprache bei. Rituell, folkig und manchmal metallen – wer Ur-Folk-Bands wie SANGRE CAVALLUM, SVARROGH oder ÀRNICA mit KINIT HER und ULVER durch den Fleischwolf dreht, hat eine ganz gute Vorstellung davon, was ihn auf diesem extrem empfehlenswerten Album erwartet.

 
Michael We. für nonpop.de


Verweise zum Artikel:
» Hörbeispiele der ANIMA-Bands

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Zusammenfassung
Auch das zweite Album verströmt eine fantastische Atmosphäre, die nach Waldboden, Vergangenheit und der Einsamkeit und Weite Finnlands riecht. Zu diesem urigen Ambiente trägt natürlich auch die kantige, finnische Sprache bei. Rituell, folkig, manchmal metallen und extrem empfehlenswert.

Inhalt
CD lim. 500

01. Marrasvirsi
02. Kalmonsäie
03. Otsontanssi
04. Lumelleluvattu
05. Huolainniekka
06. Ylisillä
07. Saattaja

39:13
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