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SYN/CUSSION (Festival)

5. Mai - 7. Mai 2017


SYN/CUSSION (Festival)
Kategorie: Spezial
Wörter: 1725
Erstellt: 01.06.2017
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Es sind immer erst dunkle und dann mehr oder weniger beleuchtete Bühnen, die darauf warten, dass jemand auf sie tritt, um darauf zu spielen. Es kommen Leute. Die schauen suchend umher, finden Plätze, setzen sich, plaudern und werden still, sobald die Scheinwerfer angehen – genau wie im Theater. Der Unterschied ist, dass hier im „Radialsystem V“ Musik gespielt wird. Keine die herkömmlich zu nennen wäre. Nein. Es ist eher eine, die so gut wie nie in den herkömmlichen Medien auftaucht.
Hier wurden Musiker aus unterschiedlichen Welten zusammengeführt. Auf der einen Seite befanden sich jene, die im Bereich der Elektronik, auf der anderen im Bereich der Perkussion ihr Zuhause haben. Da trafen Modular-Synthesizer und anderes schweres Gerät auf Unmengen von Gongs, Hats und Bass-, Snare- und Stand-Toms. Beides wurde räumlich voneinander getrennt. Links die Elektronik, rechts das Schlagzeug, welches, je nach dem, mal größer, mal bescheidener ausfiel.
Kuratiert wurde das Festival von HANNO LEICHTMANN, der ja nicht unbekannt sein dürfte. Selbst im Elektronik-Bereich tätig, spielte er Unmengen von Alben ein. Das letzte hier besprochene Album war das „Unfinished Portrait Of Youth Today“, auf dem Fragmente von alten Tapes mit Musik aus früheren Zeiten zu Collagen geformt wurden, welche weder nach Tape noch altbacken klingen ...
An zwei Tagen (Freitag und Samstag) war ich zugegen und konnte teilweise wirklich Beeindruckendes hören.

Freitag, 5.Mai

HANNO LEICHTMANN eröffnet den Abend mit einer Ansage und weist darauf hin, dass in der oberen Etage eine Installation mit Sounds aus dem SY-1, einem Synthesizer-Klassiker, zu sehen und zu hören ist. Es handelt sich um eine abstrakte und doch eher puristisch zu nennende Installation. Da sind dann Sinustöne, weißes Rauschen, Zufallsgenerator-Melodien und Sub-Bässe zu hören. Vorher aber kündigt er das erste Konzert des Abends an. Es handelt sich um die Perkussionistin KATHARINA ERNST und ANDREW PEKLER, der einen Modular-Synthesizer bedient.
Sowohl das Licht als auch ein stehender Ton blenden sich ein. Da steht auch ein Gong. An diesem hängen kleine Nägel, die durch die Vibrationen in Bewegung geraten und bald damit beginnen, gegen den Gong zu klimpern. Dazu breitet sich wenig später ein Bass-Teppich aus. Auf und ab, leise und laut, brummendes Knistern und der Wechsel vom Gong hin zum Schlagzeug. Währenddessen war moduliertes Glockengeläut zu hören. Es bleibt zunächst alles noch eher spärlich – so wie das Licht ... Das Schlagzeug wird dann mit allerlei Schalen, Sticks, Blechen und Rasseln bespielt – Trommel-Fell über Fell. Dann beginnt die Bass-Drum einen Rhythmus aufzubauen. Hohes Becken, E-Drum dazu und eines mit einer Schale, auf die geschlagen wird – es grooved. Der Synth moduliert. Zikaden-Geräusche und metallisches Tonwerk. Alles sinkt in blaues Licht. Nebel steigt auf. das Schlagzeug bricht ab. Das Licht blendet aus. Die Zikaden verstummen. Dann Knirschen und Rascheln und Glockengeläut ... Das Spiel von KATHARINA ERNST – grad weil ihr ab und an die Dämpfer vom Trommel-Fell springen – besticht.
Dann ist Pause. Nebenan steht die Bar. Draußen darf geraucht werden. Manch ein Besucher löffelt gar ein Suppe. Und schon geht es weiter ...
 
Als Zweites spielen an diesem Abend NICHOLAS BUSSMANN an einem Klavier-Automaten und MARTIN BRANDLMAYR am Schlagzeug. Ersterer tritt im Anzug barfuß auf. Sein Klavier, das eigentlich ein Flügel ist, wird von einem Computer gesteuert. Er steht davor und beginnt. Eine ganz andere Klangwelt. Diese ist eher in der Nähe des Jazz angesiedelt. Auch wirkt das Set zerrissener als das vorangegangene. Der Flügel spielt rasch viele Tonfolgen ab. Das Schlagzeug hat Mühe, der Maschine zu folgen. Die Geschwindigkeit ist ziemlich hoch. Vielleicht wirkt deshalb das Ganze mehr improvisiert. Vielleicht liegt das am Computer, der die Tonabfolgen und deren Geschwindigkeit steuert ... Dann aber, nach einem kurzen Innehalten, einzelne Tieftöne aus dem Flügel. Das Tempo ist nun moderater. Die Struktur allerdings bleibt gebrochen ... Auch hier wird allerlei zum Schlagzeug hinzugezogen. Kleinere Bleche – das schnelle Wechseln der Sticks inklusive. Der Flügel ist zum Teil präpariert. Manchmal beugt sich BUSSMANN nach vorne und dreht oder schraubt. Er wirft etwas auf die Saiten. Zwischendrin ein Solo des Klavier-Computers. Dann setzt das Schlagzeug wieder ein. Man hört immer wieder das Wegwerfen eines Sticks auf das Trommel-Fell daneben. Vorher wird damit auf Becken geschlagen. Und zum Schluss noch ein Solo des Computers. Eine Zugabe. Dann ist Schluss, das heißt wieder Pause.
Die Pausen sind mit etwa zwanzig Minuten doch recht kurz bemessen. Es ist voll und die Gäste strömen in Scharen nach draußen oder an die Bar in den nebenliegenden kleinen Saal. Man muss sich entscheiden. Entweder nach draußen zum Frische-Luft-Holen beziehungsweise Rauchen oder anstellen, um ein Bier auch austrinken zu können – denn auf den Rängen sind Flaschen verboten ...

Als drittes Duo spielen an diesem Abend MARK FELL (einer der doch recht Großen im Bereich der elektronischen Musik) am Computer und WILL GUTHRIE am Schlagzeug ... Wieder ein Gong und ein Schlagzeug. Daneben ein Tisch, auf dem sich ein Laptop befindet. FELL sitzt dahinter. Das Laptop beginnt rhythmisch. Zaghaft folgt das Schlagzeug nach – zunächst nur mit Glocken, Blechen und Gongs. Die werden infolge häufiger und intensiver gespielt. GUTHRIE wirft die Sticks nicht auf ein Trommel-Fell, er hat sie unter die Achseln gesteckt und wechselt bei Bedarf. Ab und an setzt ein tiefes Brummen ein. Es wird nun etwas lauter. Die Instrumente finden zusammen – was sicher auch daran liegen dürfte, dass der Computer die Bass-Drum mehr oder weniger gleich mit übernimmt. Es wird dann noch einmal lauter. Es kracht. Und es donnert. Eine Soundwand, die an industriellen Lärm erinnert oder auch an ein Mantra, das vielstimmig schreit, baut sich auf. Eine synthetische Trance. Spitz sticht es ins Ohr. Dazu unterschwellig Fanfaren-Töne. Und Glockengeläut. Geschwindigkeit und Intensität fallen dann etwas ab. Aus dem Computer Spieluhrensound. Dazu eine Bass-Drum und ein eher fragmentierter Einsatz des Schlagzeugs ... Es endet schließlich wie es anfing: Ein Computer, der rhythmische Geräusche von sich gibt und ein Schlag auf den Gong ... Ein furioser Abschluss des Abends, der dann im nebenliegenden Saal mit einem DJ-Set ausklingt.

Samstag, 6.Mai

Als erstes Duo dieses Abends betreten wieder nach Ansage LE QUAN NINH, der klassisch an der Percussion ausgebildet ist und THOMAS ANKERSMIT, der eigentlich aus dem Bereich des Saxophonspieles kommt, hier aber einen Modular-Synthesizer und einen Computer nutzt, die Bühne. Und sofort beginnt der Synthesizer wie ein Helikopter zu dröhnen. Dazu auf dem Trommel-Fell Bälle, die mal durch das Spiel und mal durch das Abdecken mit einer Schale bewegt werden. Es poltert. Dann kommt eine Klangschale zum Einsatz. Es läutet. Auf der Schale dann ein Wirbel. Nägel werden dazugelegt und etwas später auf dem Fell gerieben. Sie erzeugen eine Art Knarren – so als ließe jemand die Luft aus einem Ballon und kneift dabei in den Gummi ... Danach wieder Klangschalen. Brummen und das Reiben der Rückseite des Sticks auf dem Fell. Die Lautstärke nimmt zu. Moduliertes Schranktürknarren, Abbruch und daraufhin Tonimpulse. Dazu eine Bass-Fläche und das Reiben eines Beckens auf dem Trommel-Fell. Getöse, Abbruch, leises Quietschen vom Becken. Dumpfes Brummen. Das ist so tief, dass das Bindegewebe der Zuhörenden wackelt und schlackert. Die Nägel reiben, das Fell scheint zur Leinwand eines Malers geworden zu sein – als würde auf ihm gepinselt. Es folgt ein ziemlich hoher Ton, während das Becken bearbeitet wird. Dann bricht alles ab und es ist Pause.

Es folgen YING-HSUEH CHEN, eine Perkussionistin aus Taiwan, die auch Solistin beim „Taiwan Symphony Orchestra“ ist und SOS GUNVER RYBERG, eine dänische Komponistin und Produzentin, die mit ihren elektronischen Werken bereits beim „Berlin Atonal“ auftrat ... Wie bereits bei anderen Darbietungen am Vorabend werden Klangschalen benutzt. Leises synthetisches Summen im Hintergrund. Dazu erneut ein Gong. Der wird auf das Fell der Trommel gelegt. Davon gibt es viele. Auch eine Pauke und etliche Sticks – einige nur aus Holz, andere filzumwickelt. Die elektronischen Sounds sind sehr sägend. Als würden hupende Busse heranrollen und wieder verschwinden. Aber auch recht Sphärisches ist da zu hören. So als ginge grad die Sonne auf. Hier sind dann sogar gleich vier Gongs auf der Bühne. Die werden punktuell gespielt. Es wechseln mehrfach die Sticks. Der Sound atmet dazu. Dann wird es etwas bewegter. Ein E-Bass, der leicht übersteuert wirkt, tritt in Wettstreit mit dem Schlagwerk. Ein Donnerwetter. Die Intensität hält über mehrere Minuten ohne Nachlass an. Dann bricht alles ab. Wieder eine zwanzigminütige Pause.

Als letztes Duo dieses Abends betreten zwei Personen die Bühne, die als Vertreter des Post-Rocks sicher einigen bekannt sein dürften. Da wäre zum einen SAM PREKOP. Er ist der Sänger der Band THE SEA AND THE CAKE. Sein aktuelles Album hat er komplett mit einem Modular-Synthesizer eingespielt. Auch hier nutzt er einen. Zum anderen betritt JOHN MCENTIRE die tiefliegende Bühne. Er ist der Schlagzeuger der Post-Rock-Band schlechthin: TORTOISE. An diesem Abend bedient er ein E-Schlagzeug. Man kennt die Teile aus den späten 1980er Jahren. Die Bedienflächen sehen aus, als wären es Bienenwaben ... Es geht dann auch etwas populär-musikalischer, doch nicht minder interessant zur Sache. Da werden regelrechte Tonfolgen moduliert. Darunter elektronische Handclaps. Die geben den Takt vor. Dazu dann das Spiel des klassisch zischenden Schlagzeugs, inklusive leichtem Hall. Nach einigen Minuten bewegen sich im Publikum die Köpfe und Beine. Sie schwingen im Takt. Das modulierte Pulsen bricht nicht ab. Es variiert und hält den Sound in Bewegung. Das Schlagzeug klingt nun wie ein Xylophon oder nach karibischen Blechtonnen-Trommeln. Die Tonfolgen werden spitzer, dann flächig. Die Fläche wird Kling-Klang. Darüber läuft eine weitere Fläche. Dann kommen Becken dazu. Das Schlagzeug spielt nun konventioneller – was nicht heißen soll, dass das Ganze dröge wäre. Nein, es geht alles eher in eine Art Schwebezustand über. Und am Schluss lächeln einige Leute ... Danach wieder ein DJ-Set im kleinen Saal nebenan.

Zwei wirklich spannende Abende mit sechs Duos, die mit jeweils angenehmen dreißig bis vierzig Minuten Spielzeit keine Müdigkeit aufkommen ließen. Die Mischung der Leute, die Bühne und der Saal waren passgenau auf das Festival zugeschnitten. Die Akustik war fein. Und stilistisch gab es genügend Überraschungen, um das Ganze nicht nur in Erinnerung zu behalten, sondern im Kalender zu vermerken. Denn eines ist sicher, hier kamen nicht nur Leute auf ihre Kosten, die sich der Hochkultur verschrieben haben, sondern auch alle, die Interesse an außergewöhnlichen Klängen, die mal leise mal laut, mal brüllend, brummend oder flüsternd fließen, haben.

 
awk für nonpop.de


Verweise zum Artikel:
» Festival-Seite


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