Dieser Artikel wurde mit Musikbeispielen in der NONPOP-Hörschau Nr. 22 vertont!Die Geige von
MATT HOWDEN war in den vergangenen Jahren omnipräsent. Durch die vielen, inzwischen wohl üblichen gegenseitigen Gastauftritte – 'spielst Du bei mir, spiel ich bei Dir' – tauchte er mit seinem Instrument bei
NAEVUS,
PILORI,
FAUN,
IN GOWAN RING und anderen auf. Dadurch stellten sich gewisse Abnutzungserscheinungen ein, denn sein schneidendes, gelooptes Geigenspiel und die eindringliche Stimme sind immer und überall wieder zu erkennen. Vielleicht waren irgendwann keine Ideen mehr übrig; das letzte, eigene SIEBEN-Werk "Desire Rites" (2007) fiel seltsam blutleer aus. Einzig die häufige Erwähnung des Wortes "fuck" in "My Prize, My Punishment" blieb in Erinnerung. Nun ist mit "As They Should Sound" ein neues Studioalbum erschienen, ironischerweise das achte, das in der Zählung also den Projektnamen überholt hat. Und tatsächlich kommt es mit einem veränderten Klang und einer wunderbaren Idee daher. "I'm after a new sound with the next album, and a new feel", wie HOWDEN selbst sagt.
Die neue Veröffentlichung ist eine 'Best of' – und doch wieder nicht. Wichtige Songs aus der Karriere von SIEBEN sind darauf, "honed live by hundreds of concerts." Diese Lieder haben sich entwickelt, sind gewachsen, werden bei Konzerten längst anders gespielt, als sie vor Jahren auf CD gebannt wurden. Vermutlich macht jeder Künstler diese Entwicklung durch, aber nur wenige tragen ihr so Rechnung wie das Ex-
SOL INVICTUS-Mitglied: Viele der guten, auf der Bühne erfolgreichen Songs hat HOWDEN in dieser veränderten Fassung erneut festgehalten. Ältere SIEBEN-Stücke in neuem Gewand sind es also, manche nah am Original, manche weit entfernt. Der Hauptdarsteller nimmt sich und seine Geige dabei zurück, lässt die Musik wirken, was dem Album gut zu Gesicht steht und vielleicht der Intimität kleiner Konzerte geschuldet ist. Songs "As They Should Sound" eben. Wer im Detail wissen möchte, um welche Lieder und Veränderungen es sich handelt, kann die sehr ausführlichen Infos im Booklet oder auf der
Homepage nachlesen.
Generell lässt sich sagen, dass HOWDEN mit diesem Album seinem Ziel sehr nahe kommt, welches er einmal für Auftritte von SIEBEN formuliert hat – bei denen er ja in der Regel ganz allein auf der Bühne steht: Das Publikum soll erleben, wie die Musik wächst, sich ausbreitet. So intim, so organisch und wenig affektiert sind die Versionen auf dieser CD. Ein Klassiker wie "The Sun" ("Ogham Inside the Night") ist näher am Hörer, direkter, weniger esoterisch. Ebenso "Crimson Clover" ("Sex And Wildflowers"), dessen verwehter, sanfter Gesang an einen schmachtenden
MARC ALMOND erinnert. Tracks mit langen Instrumentalstrecken wie "Virgin In The Green" ("Sex And Wildflowers") klingen, als ob sie eine Reise durch ein Grammophon angetreten hätten, viel wärmer im Vergleich zum Original. Für die Neuauflage von "The Spirit" ("Ogham Inside the Night") wird HOWDEN wehmütig und melancholisch wie selten, für "Love's Promise" ("Sex And Wildflowers") pur und reduziert, selbst die Geige kommt ohne Loops aus. "Peterson's Seat" ("Our Solitary Confinement") schließlich steht für einige Stücke, die durch unterschwellige Percussion einen Schub bekommen, luftiger und lebendiger werden. Und mit der Neufassung von "Völkerschlachtdenkmal" (jetzt "Sacrifice Content", im Original auf "The Line And The Hook"), die fast ausschließlich vom warmen Gesang lebt, ist zum Schluss eines der schönsten HOWDEN-Stücke überhaupt entstanden. "The best [SIEBEN] album which has been captured in the studio for sure." Man ist sofort geneigt, MATT HOWDEN da zuzustimmen. Dringende Empfehlung für alle SIEBEN-, Neofolk- und Neoklassik-Fans.
Hohe Erwartungen weckt ein weiteres, gerade erscheinendes HOWDEN-Projekt: Für "The Matter Of Britain" hat KEITH HOWDEN, Vater und Schriftsteller, einige seiner Gedichte (unter anderem zu Teilen der Artus-Saga) illustriert und in einem Buch zusammengestellt. MATT liefert die Musik dazu. Besprechung folgt.