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Rückblick WGT 2005




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Autor: Richard

Zum vierzehnten Mal lockte das schwarze Mekka Freunde im weitesten Sinne dunkler Musik aus aller Welt nach Leipzig. Auch für Freunde nonkonformer Tonkunst gab es dieses Jahr genügend Lohnendes zu erleben. Aber lest selbst.
FREITAG:

Den Anfang der auch nur halbwegs anhörbaren Gruppen machten DIE KRUPPS kurz nach Mitternacht in der Agra-Halle. Das wiederauferstandene deutsch-amerikanische Projekt zelebrierte auf dem WGT sein 25-jähriges Gruppenbestehen und bot einen Querschnitt aus allen Phasen ihres Schaffens. Ob alte Gassenhauer wie "Germaniac", "Metal Machine Music", die NITZER EBB-Kollaboration "Machineries of Joy" oder neuere Titel wie "Fatherland" oder "To the Hilt". Das nach dem Auftritt von APOTPTYGMA BERZERK unerhört geschrumpfte Publikum feierte die alten Helden gebührend und hinterließ einen glücklich dreinschauenden Jürgen Engler und Band.

SAMSTAG:

Der Samstag-Abend führte in den Anker im Norden der Stadt, der als Bühne für die folkigeren Vertreter des Festivals auserkoren wurde. Die Italiener INNER GLORY waren schon im vollen Gange als wir ankamen. Ihr Auftritt wirkte sehr kraftvoll, punkig und rock’n’rollig. Also alles, was Hau Ruck-Gruppen ausmacht. Besonderes Aug- und Ohrenwerk war ein Hüne am Kontrabass. So würden MAD SIN klingen, wenn sie sich an Neofolk versuchen würden!

Den totalen Kontrast dazu bildeten DARKWOOD. Auf Scheibe zählen sie zu meinen absoluten Lieblingen des Genres aus Deutschland, aber ein Live-Musiker war Henryk Vogel irgendwie nie, dafür ist die Darbietung stellenweise etwas arg trocken. Bei mir wollte der Funke jedenfalls nicht überspringen. Am Applaus zu Liedern wie "Lied der Kämpfer", "Der Falken Flug" oder dem abschließenden "Night" konnte man aber erkennen, daß ich mit dieser Meinung alleine dastand.

Es folgte IN MY ROSARY mit ihrer gelungenen Mischung aus Folk und Wave. Auch wenn das Saxophon stellenweise etwas penetrant eingesetzt wurde und ein leichter Publikumsrückgang in den ersten Reihen zu bemerken war: Mir hat ihre Darbietung gefallen und es war auch ein netter Farbtupfer und Kontrast zum Restprogramm.

SONNE HAGAL präsentierten sich personell deutlich geschrumpft mit nur einem Gitarristen und Andreas Ritter (FORSETI) als Gastmusiker und präsentierten ihr neues Mini-Album "Nidar". Auch Kritiker, die die Scheiben der Formation nicht mögen, müssen zugeben, daß sie live eine Macht sind. Zeitweise waren neben Andreas Ritter auch Henryk Vogel und eine Sängerin mit von der Partie. Abgerundet wurde das Konzert mit den beiden Coversionen "Sonnenwende" (ERNTE) und "Ewigkeit" (FORSETI).

Da ich SOL INVICTUS dieses Jahr schon zur Genüge gesehen habe und hoffentlich noch sehen werde nutzte ich die Pause zwischen SONNE HAGAL und ACTUS, um mir meine Jugendidole LAKE OF TEARS anzugucken, zumal mir die beiden ersten Lieder „We are the dead men“ und „Twa Corbies“ ohne Trompetenwunder Eric Roger etwas dünn geraten wirkten.
Die Schweden wurden im nahe gelegenen Haus Auensee mit ihrem ehrlichen und erdigen Rock mit vollkommen inakzeptablen Plastik Goth-Metalkombos auf eine Bühne gezerrt. Sie stellten sich als der „See der Tränen aus dem Land der magischen Pilze“ vor und eröffneten mit "Boogie Bubble" und "Cosmic Weed" vom Überalbum „A Crimson Cosmos“. Das Publikum reagierte zunächst reserviert und ich hatte das Gefühl, das die Meisten den Co-Headliner des Abends gar nicht kannten. Stück für Stück eroberten sich aber Daniel Brennare und Co. mit Titeln wie "Raven Land" oder "The Greyman" die Gunst des Publikums. Die Jungs aus Borås verzichteten auf Orgel- oder Hammondklänge, was den Stücken leider etwas vom psychedelischen Siebziger-Charme stahl, deren Rockattitüde aber unterstrich. Für mich ein Höhepunkt des Festivals.

Anschließend eilte ich zurück ins Anker, gerade rechtzeitig, um den Beginn der Ungarn ACTUS zu erleben. Geboten wurde größtenteils orchestraler Bombast, der manchmal von ruhigeren, folkigen Passagen unterbrochen wurde. Neun Jahre nach ihrem letzten Auftritt und acht Jahre nach ihrer letzten Veröffentlichung war die Spannung unter den Anwesenden groß. Musikalisch gab es dann auch nichts zu meckern. Der Gesang der Sängerin und des Keyboarders war stellenweise aber echt gewöhnungsbedürftig. Ihr neues Werk „Mandala“ konnte den guten Eindruck zu Hause nur bestätigen.

SONNTAG:

Im Werk II malträtierten GREYHOUND das Publikum. Leider wurden ihnen nur eine halbe Stunde Spielzeit gewährt, aber diese reichte auch vollkommen aus, um das schon reichlich vorhandene Publikum zum Tanzen zu bewegen. Nicht schlecht für eine „Vorgruppe“. Wer GREYHOUND sieht, weiß, was er bekommt: Typischen, unbarmherzigen Noise der Hands-Prägung. Nur ein bisserl lauter hätte es sein dürfen.

Leider musste ich mich im Anschluß schon in Richtung Heidnisches Dorf aufmachen: Die Eislicht-Entdeckung NEBELUNG war bereit, zum zweiten Mal in ihrer Karriere eine Bühne zu betreten. Im direkten Vergleich zu ihrem ersten Konzert in Bonn die Woche davor wirkte der Vierer souveräner. Die Gruppe trat sehr viel sicherer auf und Sänger Stephan Otto kommunizierte mit dem Publikum. Anfangs hatte ich die Befürchtung, daß der eher ruhige Folk von NEBELUNG eingequetscht zwischen eher partyorientierten Mittelalter-Gruppen wie OMNIA und FAUN hoffnungslos untergehen würde, aber dies erwies sich trotz der Tatsache, daß viele Kiltträger fluchtartig das Geschehen verliessen, als Trugschluß. Die Steigerung war wirklich beachtlich, in Zukunft sollte die Gruppe aber vielleicht im Stehen spielen, da von hinten kaum was zu sehen war. Neben allen Titeln der MCD „Mistelteinn“ kamen auch neue Stücke zum Einsatz, die auf positives Echo stießen. Vor allem "Sturm" ist hier zu nennen. Da genügend bereits Abgewiesene uns davor abrieten, noch unser Glück bei der Loki-Nacht zu versuchen, ließen wir den Abend notgedrungen mit FAUN ausklingen.

MONTAG:

Vor dem abschließenden Abend im Anker hieß es der NEBELHEXE auf der Parkbühne Gehör zu schenken. Keine Frage, Andrea Haugen verfügt über eine beeindruckende Stimme, über viel Charisma und mit „Laguz – Within The Lake“ auch über ein gutes „Debüt“-Album. Aber wenn man sich entschließt, sein Heil in Richtung Rock zu suchen, sollte man auch auf eine gewisse Authentizität Wert legen. Stattdessen kamen Schlagzeug und Teile des Gesangs vom Band und die Keyboarderin hatte sich für einige arg billige Sounds entschieden. Neben Liedern von der „Laguz“ wie "Reverse", "Celtic Crows" oder eben "Laguz" gab man auch die Lene Lovic-Huldigung "Bird Song" zum Besten. Das eingeschobene HAGALAZ RUNEDANCE-Stück "When The Trees Were Silenced" war leider nur noch ein Schatten seiner selbst.

Anschließend wieder zurück in den Anker, wo das WGT für dieses Jahr standesgemäß beendet wurde. Den Anfang machten GRAUMAHD aus Wien. Obwohl sie bisher nur einen Siebenzöller und diverse Samplerbeiträge vorzuweisen haben, konnte die junge Formation auf Anhieb begeistern. Schneller, treibender Folk, dargeboten mit drei Gitarren, Trommeln, Querflöte und Klarinette. Besonders der Leadgitarrist wußte durch seine spielerischen Läufe zu begeistern und nicht nur durch ihn hörte man den musikalischen Hintergrund der Musiker im Rock- und Metalbereich gut heraus. Leider gingen Klarinette und Querflöte im Trommelwirbel und der Gitarrenwand etwas unter.

HEKATE widmeten ihr Konzert dem 14. Dalai Lama und der andauernden Unterdrückung des tibetanischen Volkes durch China. Man kann, wie ich, mit der Entwicklung der Rheinland-Pfälzer in Richtung elektronischer Tanzmusik seine Probleme haben, unbestritten ist aber, daß HEKATE immer ihren eigenen künstlerischen Visionen gefolgt sind und sich nie in ein Korsett einengender Genre-Kategorisierungen haben zwängen lassen. Und der Zustrom an Besuchern, die scheinbar nur wegen HEKATE den Weg in den Anker fanden, gibt ihnen Recht.

Ritualistische Elektronik boten VOXUS IMP. Obgleich seit vielen Jahren nicht mehr mit einer neuen, eigenen Veröffentlichung in Erscheinung getreten wurde dieses Projekt nie wirklich vergessen und feierte mit den Wiederveröffentlichungen von „Runen“ und „Idafeld“ und der Teilnahme am „Secret Lords“-Sampler eine kleine Renaissance. Auch konzertal konnte VOXUS IMP, unterstützt durch Henryk Vogel (DARKWOOD) begeistern und waren für mich sicherlich eine der großen Überraschungen des Festivals.

NOVALIS aus dem Erzgebirge erwiesen sich, an Zuschauerzahlen gemessen, als heimlicher Headliner des Montagabends, konnten sie doch offensichtlich mehr Leute ziehen als später AIN SOPH. Mir war dann ihr keyboardgeschwängerter Folk doch eine Spur zu harmlos.

Den krönenden Abschluß bildeten AIN SOPH, die sicherlich bestgekleideste Gruppe des diesjährigen Festivals. Optisch einem Bud Spencer-Film entsprungen rockten sie das immer noch recht gut gefüllte Haus. Der eine und die andere mäkelte am Ende über die fehlende technische Finesse herum, aber eine eingeschworene kleine Gemeinde ließ sich von den vier Herren und der Magie von Liedern wie "Io & Te", "Pistolet Automatique" oder "White Guard" widerstandslos gefangen nehmen. Als Zugabe wurde noch das frenetisch umjubelte "Cuore Nero" geboten.

Ein lohnendes Festival.

 
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