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Michael We.

RALPH WHITE: Atavistic Pillow

I was born under a wandering star...


RALPH WHITE: Atavistic Pillow
Genre: Weird Folk
Verlag: Sloow Tapes
Medium: Kassette
Preis: ~5,00 €
Kaufen bei: Sloow Tapes


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Viele der Songs auf "Atavistic Pillow" sollen im Freien, unter dem nächtlichen texanischen Sternenhimmel entstanden sein. Eine schöne Legende, die man beim Hören gerne glaubt: frei klingt die Musik tatsächlich, nach Erde, Luft und – natürlich – psychedelisch verspielt, sonst wäre sie nicht auf SLOOW TAPES erschienen, dem bunten belgischen Kassettenlabel.
Einige kennen den Banjospieler RALPH WHITE vielleicht noch als Mitglied der BAD LIVERS, einer frechen US-Bluegrass-Band, die ob ihres fehlenden Respekts vor großen Songs häufig den Zusatz 'punkig' verliehen bekam. Beinahe berühmt wurden die BAD LIVERS mit "Lust For Life", einer Coverversion des IGGY POP-Songs, von JOHN PEEL höchstpersönlich für ein Album mit seinen Lieblings-Coversongs ausgesucht. Seit 1999 ist der mittlerweile 58jährige WHITE zunehmend solo unterwegs und dabei 'independent' im besten Sinne. Er bespielt kleinste Bühnen quer durch die USA und Europa, produziert in Eigenregie und oft in Zusammenarbeit mit anderen Künstlern CDs in geringer Auflage, macht also kurz gesagt, was ihm Spaß bereitet.
Was WHITE mit diversen Instrumenten und seiner Stimme anstellt, passt streng genommen in kein Genre. 'Americana' – auch kein Genre, aber eine ungefähre Richtung – trifft es ganz gut, oder 'alternative Countrymusik', wie eine von vielen möglichen Übertragungen ins Deutsche lautet. Kalimba, Geige, Akkordeon und natürlich Banjo mischen Folk, Country, Blues und Rock'n'Roll, gewürzt mit Einflüssen der tausend in den USA diffundierenden Nationalitäten. Schon das 'atavistic' im Titel verweist auf diese Vergangenheit, auf Althergebrachtes, das WHITE mit Leben füllt. So liegen etwa die Wurzeln des Folksongs "The Cuckoo" auf der B-Seite dieser Kassette im 18. Jahrhundert, und auch "Ring Of Fire" von JOHNNY CASH hat immerhin schon mehr als 40 Jahre auf dem Buckel. Beide (Cover)Songs sind schon auf den CDRs "The Atavistic Waltz" (2008) beziehungsweise "A Kalimba Pillow" (2009) zu finden, das Tape vereint die nach Ansicht von RALPH WHITE besten Songs der beiden Alben.

"Gospel Plow" (A1) ist wie ein alter Schaukelstuhl, immer leicht schepprig und schief. Zunächst rein instrumental, sind die verträumten Melodiefolgen von einer 'weird folk'-Leichtigkeit und -Verschrobenheit. Es liegt die ganze Welt in diesen paar selbstvergessen anschlagenden Saiten. Dazu gesellt sich später die knödelige Westernstimme ("... ride on ...") des einsamen Cowboys. COCOROSIE ohne Show, oder eben JOHNNY CASH auf leichten Drogen. Im weiteren Verlauf (A2) nimmt die Ethno-Komponente zu, die Fiddle klingt irisch, die Kalimba orientalisch; WHITEs Countrytext erzählt eine Liebesgeschichte. "Stain On My Brain" (A3) zieht im Tempo an, so dass sich ein – immer wieder in Reviews auftauchender – Vergleich mit dem legendären Bluegrass-Duo THE STANLEY BROTHERS lohnt. Mystisch und schamanisch beendet der vierte Track ("Keep Your Lamp Trimmed And Burning") diese Seite, nur Schlaghölzer und versch(r)obener Gesang, badend in einem ganz eigenen Rhythmus.
So geht es auch auf Seite B weiter: Bilder von Lagerfeuern und nächtlichen Urwäldern drängen sich auf. Ein nachdenklicher RALPH WHITE spricht mehr, als dass er singt. Die exotische Perkussion und lange, fast improvisiert wirkende Instrumentalflächen tun ihr Übriges. "The Cuckoo" ist ein Duett mit der feenhaften Folksängerin AMY ANNELLE aus Portland; zunächst eine fröhliche, natürliche Country-Ballade, dann viele Tempowechsel und schräge Einlagen diverser Instrumente. "Spoonful / March Of The High Kings" (B3) bringt uns zum ersten Mal das Akkordeon, was gleich einen Hauch von Seefahrerromantik bedeutet. Der Gesang passt sich an, pendelt zwischen Western und Shanty, die Musik ähnelt einer modernen Komposition von ASTOR PIAZZOLLA. "Ring Of Fire" (B4) schließlich mutiert zu einer südländischen Improvisation auf Saiteninstrumenten mit einer Portion Knödelgesang, Ähnlichkeiten mit dem Original sind rein zufällig, was auch für die lange, lange Improvisation am Ende des Songs gilt.

"Atavistic Pillow" bietet eine rührende Mischung aus heim- und handgemachter Musik, die sich irgendwo zwischen Folk (weird), Country und Weltmusik bewegt. RALPH WHITE erscheint als verschrobener Cowboy, der ganz in seinem Singer/ Songwritertum aufgeht. Sehr atmosphärisch, nur die Instrumentalschleifen sind an ein, zwei Stellen etwas lang.

 
Michael We. für nonpop.de


Verweise zum Artikel:
» RALPH WHITE @ myspace
» Artikel über 'Americana'
» AMY ANNELLE @ myspace


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Zusammenfassung
"Atavistic Pillow" bietet eine rührende Mischung aus heim- und handgemachter Musik, irgendwo zwischen Folk (weird), Country und Weltmusik. RALPH WHITE erscheint als verschrobener Cowboy, der ganz in seinem Singer/ Songwritertum aufgeht. Sehr atmosphärisch, sogar mit einem JOHNNY CASH-Cover.

Inhalt
CAS 55 min.
lim. 100

A1 Gospel Plow
A2 Who'll Rock The Cradle / Bosco Stomp
A3 Stain On My Brain
A4 Keep Your Lamp Trimmed And Burning
B1 Fever
B2 The Cuckoo
B3 Spoonful / March Of The High Kings
B4 Ring Of Fire
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