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L. Herold

PJ HARVEY: Let England Shake


PJ HARVEY: Let England Shake
Genre: Folk-Blues
Verlag: Island
Vertrieb: Universal


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Eine driftende Gitarre, ein ungelenker Shuffle-Rhythmus, obendrauf die fiebrig-hohe Stimme einer etwas durchgeknallten Frau – wer ist das gleich? Dieser schräge Gestus, die Prise Postpunk, die Art der eindringlichen Melodie, immer nur soviel, dass es nicht schmerzt, aber dafür nach Wiederholung lechzt? Richtig, PJ HARVEY ist zurück!


Nach vier Jahren (zuletzt „White Chalk“, 2007) beehrt – nein „erscheint“ uns, wäre der passendere Begriff – diese Frau mit dem Charme eines knabenhaften, halb verrucht, halb abgehärmten Engels mit ihrem neuen Album „Let England Shake“.

Die zwölf unplugged arrangierten, wundervoll blues-folkigen Lieder, denen eine entrückte Melancholie innewohnt, wie man sie meist von ihren Alben oder ihren Kollaborationen mit NICK CAVE, TRICKY oder MARIANNE FAITHFUL kennt, wurden innerhalb weniger Wochen gemeinsam mit dem vertrauten Produzententeam FLOOD, JOHN PARISH und MICK HARVEY (BAD SEEDS, CRIME & CITY SOLUTION etc.) fast ausschließlich live in einer Kirche eingespielt.
Hier nun rückt PJ HARVEY auf ihre ganz eigene Art ihrer Heimat, vor allem einem England, das stets auch Kriegsmacht war und ist, dem England zerstörter Lieben und verlorener Jugendhoffnungen zu Leibe. Im altmodischen Wort „Maketh“ des Titels der ersten Singleauskopplung „The Words That Maketh Murder“ mag alles das aufgerufen und zur Ironie gebracht sein, fast meint man, UKs jüngere Kulturgeschichte der Eroberungen und solcher, die heute keine sein sollten, werde mitmemoriert. Schottisch gerolltes „R“ erklingt, Traditionelles („The Colour Of The Earth“), Amerika ist  natürlich vertreten („In The Dark Places“); der einstmals alliierte Misserfolg um Gallipoli, die Kriege in Afghanistan und Irak („The Glorious Land“), aktueller könnte es nicht sein.
Und immer ist da auch etwas Trotziges, Rebellisches, wenn z.B. NINEY THE OBSERVERs berühmtes „Blood And Fire“ zur Untermalung mit eingeblendet wird („Written On The Forehead“). Dabei ist „Let England Shake“ jenseits davon, gar kämpferisch, agitierend oder politisch zu sein. Es ist vielmehr ein persönliches Rühren an dem, was vermeintlich so souveräne Kulturen zu erschüttern vermag. Keine großen Mahnungen, eher beschwingte Verzweiflung und tanzbarer Sarkasmus. Leichtfüßig treibt die melancholisch durchschimmernde Gitarre die Stücke voran, in kauziger Manier holpern die Drums, die Autoharp streut etwas volkstümlichen Bluegrass und der Vintage-Sound bindet alles zusammen. PATTI SMITH oder MORARITY sind auch nicht weit. Über allem aber schwebt die mädchenhaft flirrende, manchmal hysterisch nörgelnde Stimme PJ HARVEYs, die in ihren schiefen Momenten den Songs zwar ein hochmelodisches aber auch meist leicht verrutschtes Kleid anzieht. Und wenn sie im schwellenden „On Battleship Hill“ schließlich in elfenhafte Höhen abhebt, weiß man, dass es mit „ .... Shake“ auch um das Erschauern über eigene, ganz tiefe Wurzeln geht. Eines der schönsten Alben, die dieses Jahr auf den Markt gekommen sind.


 
L. Herold für nonpop.de


Verweise zum Artikel:
» PJ Harvey - offizielle Webseite mit Hörproben des aktuellen Albums
» brit. Webseite über PJ Harvey


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