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Roy L.

MARISSA NADLER: Little Hells

...you can feel the beat of yesterday...


MARISSA NADLER: Little Hells
Genre: Singer/Songwriter
Verlag: Kemado Records


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Es war nicht schwierig vorauszusehen, denn alles Gute dieser Erde gerät ja irgendwann in die falschen Hände: Die einst so unscheinbare MARISSA NADLER wird dieser Tage mit ihrem neuen Album „Little Hells“ nun auch in Deutschland von Zeitschrift zu Zeitschrift gereicht. Es gibt – zurecht – viel Lob, und Häme nur vom bekannten Berliner JOANNA NEWSOM-Freundeskreis, der auf seinen Hochglanzseiten mal wieder bemitleidenswert ahnungslose Spekulationen über moderne und, haha, konservative Folklore zum Besten gibt.
In ihren alten Platten und handgemachten CD-Rs stöbernd, fällt mir gerade auf, dass ja all das légere Journalistengeschwafel so vollkommen überflüssig ist und die NADLER da ohnehin Welten drüber steht, also was soll's auch? Sie hatte das ja von Anfang an: das Übersinnliche, Überirdische. Mit ihren ersten beiden Alben „Ballads Of Living And Dying“ und „The Saga Of Mayflower May“, die damals noch in ganz kleiner Auflage über ECLIPSE RECORDS erschienen, drang die kühle Bardin von der Ostküste in längst verloren geglaubte Folk-Reiche vor: Geheimes Neuengland, Dixhuitième, nur sie und die bedächtig gezupften Saiten. Da war ein Charme und ein Adel, so gar nicht aus dieser Zeit und auch völlig entfernt von all den banalen, blutarmen Bedroom-Songwritern, diese unsinnig inszenierte „lo-fi“-Welle, die zuletzt vor sechs, sieben Jahren über Amerika schwappte und deren letzte Ausläufer leider noch heute in deutschen Studenten-WGs vernommen werden können. Auch GREG WEEKS muss das unheimlich sympathisch gewesen sein, als er ihr 2006 mit seinen ESPERS im Hexham Head Studio ein Denkmal für die Ewigkeit setzte. „Songs III“ wurde von einer ganz altmodischen Produktionstechnik veredelt: die Stimme glasklar im Vordergrund, die Instrumente reich aber zurückhaltend und nur je und je den Gesang akzentuierend. So etwas war beinahe seit den alten FOLKWAYS- oder TRANSATLANTIC-Platten aus den 60ern nicht mehr zu hören und schien genau der richtige Weg, ein solches Phänomen wie MARISSA NADLER noch überragender ins rechte Licht zu setzen.

Und nun „Little Hells“ – was soll man sagen? Ja, es ist ein gutes Album, aber ein verbindliches Urteil fällt mir schwer. Die Produktion wirkt etwas verwaschen und taucht an manchen Stellen („Rosary“, „Mistress On A Sunny Day“) schnell in den endlos zelebrierten Indie-Pop-Einheitsbrei ab. Da verblüfft es auch kaum, dass Produzent CHRIS COADY schon bei den erfolgsverwöhnten TV ON THE RADIO, CAT POWER und YEASAYER seine Finger im Spiel hatte. MARISSA tut dabei einen kleinen Schritt in den Hintergrund, es geht nun insgesamt mehr um einen richtigen, strukturierten Bandsound, wenn auch nicht übermäßig breitwandig. An manchen Stellen gelingt das dann sehr gut, die Texturen sind sanft und warm und gehen eher mit MAZZY STAR als mit CALEXICO auf traumtrunkene Streifzüge durch den mittleren Westen, die besten Titel („The Whole Is Wide“, „Loner“) enden in einer donnernden, sirrenden Orgel- und Theremincoda. Trotz allem, und trotz der überraschend quirligen New Wave-Nummer „Mary Come Alive“ bleibt „Little Hells“ aber im Grunde immer ein sehr braves Album, das nie so richtig an die Grenzen des Möglichen geht. Also doch nur erbauliche, „nur-schöne“ Musik von einer schönen Frau, alles nur ein bisschen Fassade?
Aber nein, so einfach ist es nicht, dahinter liegt's: in den Songs selbst liegt es, weil aus ihnen immer noch die edle, beschwörende Kraft spricht, die Geschichten, die sich so sacht vor einem aufbauen, dieses „you can feel the beat of yesterday“. Ja, immer noch und vielleicht noch nie so selbstsicher der Mut und das Bekenntnis zu den Vergangenheiten, zum Gescheiterten, zum Unglücklichsein und zur Trauer. Und wie wunderbar das alles in diese Songs eingeschrieben ist, dass man selbst das düsterste Lamento noch für Tage im Ohr behalten kann. Darin ist die NADLER virtuos: das Schwierige, Unsagbare mit leichten, tänzelnden Bewegungen einzufangen, für einen Moment ein bisschen die Last zu nehmen, von sich und vom Hörer. Ihre Stimme, das ist ein beinahe substanzloser Hauch, den sie nur flüchtig von Wort zu Wort schickt, und kaum etwas damit ertastet und doch alles und jeden damit berührt. Wo sie in den Vordergrund tritt, da ist auch alles Umliegende göttlich angeweht.
Auch wenn sich die Verantwortlichen bei der Produktion die größte Mühe gegeben haben, dieses Ding von einem Album für einen größeren Markt tauglich zu machen, der Schaden hält sich gottlob in Grenzen. „Was aber schön ist, selig scheint es in ihm selbst“, wie Mörike sagt. Und wenn der Erfolg von „Little Hells“ auch dazu beiträgt, ein paar unbedarfte Ohren an die heimlichen Meisterwerke „Songs III“ und „The Saga Of Mayflower May“ heranzutragen, so möchte ich der letzte sein, der dagegen etwas einzuwenden hätte.




 
Roy L. für nonpop.de


Verweise zum Artikel:
» Marissa Nadler
» Marissa Nadler via MySpace
» Kemado Records

Themenbezogene Artikel:
» MARISSA NADLER: Diamond Heart
» M. NADLER: The Saga of Mayflower May


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Kommentare
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Maik L. (28-02-2009, 15:15)
*lol* Sie ist halt sehr exakt und offeriert somit viele Ansatzpunkte.
...
Dominik T. (26-02-2009, 20:49)
selten hat mir eine rezension ein album so abspenstig gemacht, was aber natürlich für die rezension spricht.

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