http://www.nonpop.de/nonpop/index.php?mkey=JAN-GARBAREK-GROUP-Dresden--Interv&type=review&area=1&p=articles&id=1794
NONPOP - Artikel > Rezensionen > Tonträger > JAN GARBAREK GROUP: Dresden (& Interv.)



Michael We.

JAN GARBAREK GROUP: Dresden (& Interv.)

Zum ersten Mal live auf CD


JAN GARBAREK GROUP: Dresden (& Interv.)
Genre: Jazz
Verlag: ECM
Erscheinungsdatum:
4. September
Medium: 2xCD
Preis: ~20,00 €
Kaufen bei: amazon


Schrift vergrößern Schrift verkleinern


An einige Musikbesprecher verteilte die GARBAREK-Plattenfirma ECM zur Veröffentlichung von "Dresden" eine Interview-CD mit Antworten des Norwegers auf elf Fragen. Selbstverständlich sind darauf keine exklusiven Knaller zu hören, dennoch ist viel Interessantes dabei, zum Beispiel die Definition von 'Jazz' oder das Verhältnis zwischen GARBAREK und seiner GROUP. Wir stellen Euch die Antworten deshalb (im Originalton = Englisch) zur Verfügung.

1) Besprechung des Livealbums (unten)
2) Standardinterview zum Nachhören (
nächste Seite)
3) Konzertkalender (
Seite 3)

Es braucht nur ein paar Töne, dann weiß auch der mäßig Musikinteressierte, was Sache ist: JAN GARBAREK spielt Saxofon. Der mittlerweile 62jährige Norweger hat mit seinem Instrument etwas erreicht, das nur ganz wenigen Instrumentalisten vergönnt ist: Einmaligkeit. Obwohl oft zwischen allen Stühlen und Stilen, ist sein Spiel unverkennbar. Egal, ob er nordischen Folk, World Music, Ambient, Kirchenmusik oder natürlich – als eine der letzten lebenden Ikonen, welche diese Musikrichtung noch hat – Jazz darbietet. GARBAREK ist der Meister der klaren, berückend einfachen Melodie, um die sich früher oder später eine ekstatische Improvisation rankt.
Die Doppel-Live-CD "Dresden" könnte nun einfach ein weiteres, gelungenes Album des brillanten Musikers sein, ist aber aus verschiedenen Gründen mehr: Aufgenommen im Oktober 2007 im 'Alten Schlachthof' ist sie das erste Livedokument überhaupt, das GARBAREK unter eigenem Namen veröffentlicht. Zweitens sind seit "Twelve Moons", dem letzten Album, an dem alle Mitglieder der GARBAREK GROUP beteiligt waren, sechzehn Jahre vergangen. Und drittens erlebte das Quartett wenige Monate vor dem Auftritt in Dresden eine einschneidende Änderung: Der seit drei Jahrzehnten mitmusizierende Bassist EBERHARD WEBER erkrankte schwer und wurde deshalb durch den in Portugal lebenden Brasilianer YURI DANIEL ersetzt. So erhalten Fans das lang erwartete Lebenszeichen des Ensembles, können es zum ersten Mal live im Wohnzimmer genießen und bangen vielleicht ein wenig ob der Umbesetzung. Aber keine Sorge: Die JAN GARBAREK GROUP wirkt frisch und lebendig wie eh und je, birst trotz hunderter Konzerte in den vergangenen Jahren vor Spielfreude, so als wäre es einer der ersten Auftritte vor Publikum. DANIEL reiht sich dabei nahtlos ein, klingt – und das ist absolut als Kompliment gemeint – verblüffend nach seinem Vorgänger.
Musikalisch bietet "Dresden" einen Querschnitt aus ungefähr 25 Jahren GARBAREK. Drei vertonte Fremdkompositionen sind vorhanden, alle auf der ersten CD: Eine Interpretation von "Paper Nut", einem Stück aus der Feder des indischen Geigers LAKSHMINARAYANA SHANKAR, "Milagre Dos Peixes" von MILTON NASCIMENTO, einem der prägenden Komponisten für zeitgenössische brasilianische Musik und "Rondo Amoroso", das GARBAREK-Arrangement einer Komposition von HARALD SÆVERUD, dem neben GRIEG wohl bekanntesten norwegischen Komponisten, der stark von norwegischer Volksmusik beeinflusst war. Ebenso sind drei Stücke von "Twelve Moons" vertreten, darunter der Titelsong. Einige Lieder sind auf der Doppel-CD zum ersten Mal zu hören, "The Reluctant Saxophonist" etwa oder "Nu Bein", das auf einem nubischen Rhythmus basiert, zu dem GARBAREK die norwegische Obertonflöte spielt. Jedes der GROUP-Mitglieder – neben DANIEL am Bass noch RAINER BRÜNINGHAUS (Deutschland, Piano und Keyboards) und MANU KATCHÉ (Frankreich, Drums) – durfte außerdem ein eigenes Stück beisteuern. Ein Best Of-Feuerwerk also, das den Namen verdient.

Da steht er im Raum, der erste von vielen melancholischen Tönen des Saxofons. Der lässig jazzende Opener "Paper Nut" weist den Weg für den mehr als zweistündigen Rest. Zwar sind auch die häufigen Bass- und Tastensoli kreativ, aber "Dresden" lebt vom Dialog zwischen dem pulsierenden Schlagzeug und dem oft nachdenklichen Saxofon. KATCHÉ, eigentlich eher ein Rockdrummer, legt mit einem dezenten Trommelwirbel los, treibt GARBAREK an, schließt auf, überholt ihn und wird von einer warmen, flirrenden und schillernden Sax-Improvisation wieder eingefangen. Der Sound ist ungeheuer dicht, erinnert oft an eine Jamsession von in sich versunkenen Musikern. Wie so häufig starten die Lieder bei dem Norweger als lockerer Spaziergang, mit einer einfachen Melodie oder einem simplen, den Song stützenden Rhythmus. Von da aus werden sie aber schnell zu Bergtouren, mal strömend und kraftvoll, mal – in den 'saxofonesken' Momenten – von einer ruhigen, meditativ schwebenden Traurigkeit. Keine Ausfälle, viele Highlights, auf der ersten CD zum Beispiel der Klassiker "Twelve Moons", der improvisierter und freier klingt als in der Studioversion, als hätte die GROUP das Bett gelüftet, in dem die Noten lagen. "Rondo Amoroso" kann seine klassische Herkunft nicht verleugnen und wächst in der für die Musik fremden Instrumentierung zu einer kühlen Schönheit heran. Die fast fünfminütige Bassimprovisation "Tao" ist außerordentlich unterhaltsam, aber am stärksten strahlt "Nu Bein" auf CD 2, wirklich abgefahren, um ein Modewort zu gebrauchen. Das Stück wird lediglich zusammengehalten vom Rhythmus, die schrille Obertonflöte ist exaltiert, losgelöst von Songstrukturen, pure, inständige, bebende Experimentalmusik.
"Dresden" erscheint kurz vor Beginn eines weiteren Tourabschnitts der JAN GARBAREK GROUP. Es ist ein unbedingt hörenswertes Stück zeitgenössischer Jazz, oder besser: zeitgenössischer GARBAREK in technisch hervorragender Qualität. Das Publikum zerklatscht die Stücke dankenswerterweise nicht, sondern wartet – wie bei klassischen Konzerten – auf die offenbar dafür vorgesehenen Pausen. Was auch immer die Gründe sind: Fan-Sein, musikhistorisches Interesse oder Leidenschaft für das Instrument Saxofon – dieses Doppelalbum gehört in jeden Plattenschrank!

Interview =>

 
Michael We. für nonpop.de


Verweise zum Artikel:
» Jubiläumsseite des ECM-Labels
» GARBAREK @ myspace
» GARBAREK @ discogs


Anzeige:
Namentlich gekennzeichnete Beiträge spiegeln ausschließlich die Meinung des jeweiligen Verfassers bzw. Interviewpartners wieder. Nachdruck (auch auszugsweise) nur mit schriftlicher Genehmigung durch den Betreiber dieser Seite.
Link-Code zu diesem Artikel:
Wöchentliche Artikelübersicht per Mail
Werde NONPOP- Redakteur...
» Diesen Artikel bewerten
» Kommentar zum Artikel verfassen
Zusammenfassung
JAN GARBAREKs erstes Livealbum unter eigenem Namen. Nicht nur deshalb lohnt der Kauf: Die GROUP ist trotz Umbesetzung in einer Spiellaune, als wäre es ihr erstes Konzert. Eine lebendige, pulsierende, kraftvolle Definition von zeitgenössischem Jazz auf zwei CDs.

Inhalt
Disk 1

1. Paper Nut
2. The Tall Tear Trees
3. Heitor
4. Twelve Moons
5. Rondo Amoroso
6. Tao
7. Milagre Dos Peixes

57:48

Disk 2

1. There Were Swallows
2. The Reluctant Saxophonist
3. Transformations
4. Once I Dreamt A Tree Upside Down
5. Fugl
6. Maracuja
7. Grooving Out!
8. Nu Bein
9. Voy Cantando

1:04:33
NONPOP RADIO
Nonpop Radio starten:

Hier Popup
Ebay- Angebote zum Thema:
Garbarek