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Michael We.

JACK OR JIVE: Tenshou

Himmlische Stimmen


JACK OR JIVE: Tenshou
Genre: Dark Ambient
Verlag: Cynfeirdd
Vertrieb: Ultra-Mail...
Erscheinungsdatum:
November 2011
Medium: CD
Preis: ~14,00 €
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Das japanische Ehepaar hinter JACK OR JIVE haben wir schon häufiger vorgestellt. Mittlerweile sind CHAKO (Stimme) und MAKOTO HATTORI (Instrumente) seit mehr als 20 Jahren (1989) aktiv und müssen immer noch viele 'Heavenly Voices'-Vergleiche ertragen, was rein äußerlich zunächst angemessen scheinen mag. Die Grundstimmung ihrer Musik, die Themen, mit denen sich die beiden beschäftigen, sind allerdings wesentlich dunkler und mystischer als bei Bands wie zum Beispiel CHANDEEN. Ein Vergleich mit DEAD CAN DANCE wiederum, in einer asiatischen, schamanischen Variante, würde ganz gut passen.
In 2011 hat das Paar mit "Kagura" schon ein Album veröffentlicht; es handelte sich um die Wiederauflage eines längst vergriffenen Konzertmitschnitts von 1994, als die Band bei einem ihrer generell sehr seltenen Auftritte in Kyoto spielte. Mit "Tenshou" schoben sie Ende des Jahres noch ein offizielles Album mit neuen Stücken nach.

"Tenshou" bedeutet so viel wie 'in den Himmel aufsteigen', dahinter steckt die einfache Philosophie, dass man umso höher steigt, je mehr negative und dunkle Gedanken man abwirft. Wendet man diese Idee auf JOJ an, dürften diese nicht allzu weit steigen, denn sie beschäftigen sich auch auf dem neuen Album wieder einmal mit genug bedrückenden Dingen. Einige der Lieder erklärt das Ehepaar ausführlich. So ist der Opener "The Girls Of Shiraume" (01) einer Gruppe von jungen, 15- und 16jährigen Hilfskrankenschwestern gewidmet, die im Zweiten Weltkrieg zur Versorgung von verwundeten Soldaten eingesetzt wurden und von denen die meisten auf der Flucht oder bei Kämpfen ums Leben kamen. Die Idee kam CHAKO, als sie das Shiraume-Mahnmal in Itoman besuchte.
Der Song "Hayabusa" (03) stellt ein Requiem für die gleichnamige japanische Raumsonde dar, welche 2003 zu einem Asteroiden startete und bei ihrem Wiedereintritt in die Erdatmosphäre planmäßig verglühte. JACK OR JIVE glauben, dass diese Sonde eine Seele hatte und während ihrer Reise versuchte, mit den Menschen auf der Erde zu kommunizieren.

"The Girls Of Shiraume" (01, siehe dazu auch den mit Fotos unterlegten Song am Ende des Artikels) startet mit einem Gong und, nun ja, weihnachtlichen Glöckchen, also Schellen, die an Aufführungen chinesischer Opern erinnern. Der Gesang ist gedoppelt und ein Stückchen weniger sphärisch und geheimnisvoll wie gewohnt, im Gegenteil überraschend klar. Tatsächlich bewegt sich das gesamte Lied zwischen Ambient und Heavenly Voices, die Flöte ist ungeheuer beruhigend, alles passt zum Bild des 'In-den-Himmel-Aufsteigens'. "Be Selfless" (02) macht einen ähnlichen Eindruck, mit sehr dezenter, ambienthafter Instrumentierung, die hier durch ganz leise Snare Drums in Richtung 'military' geht. Der Gesang wirkt wie insgesamt auf "Tenshou" sehr authentisch und zerbrechlich, beinahe live. Dem Titel entsprechend 'spacig' ist "Hayabusa" (03) mit seinen Synthiesounds, mit Zischeln und eingespielten Sprachsamples, die möglicherweise aus der Raumfahrtzentrale stammen. Wesentlich wehmütiger und eher wie die gewohnten JOJ klingt dann "Cherry Blossoms" (04).
Auf "Kokorobito 2" (05) ertönt zum ersten Mal ein Piano (und nur ein Piano), auch hier kommt der Gesang zweifach: ein silbenhafter Operngesang im Hintergrund, und die Klarlyrics im Vordergrund. Ein sehr packender, durch die spartanische Instrumentierung besonders berührender und trauriger Song; die Studioversion des 2008 live aufgeführten "Kokorobito". Die nächsten beiden Tracks gehen wieder mehr in Richtung Ambient, lassen sich mit den COCTEAU TWINS vergleichen. "Tenshou" (08) prägt sich sofort ein, der Titeltrack ist der kraftvollste, vielleicht aufgrund der starken Marschtrommeln. Auch der Gesang scheint eine Spur schärfer, dazu eine Art Geisterchor im Hintergrund. Das sehr lange, fast rein instrumentale Schlussstück (09) ist sehr ungewöhnlich; beim ersten Hören hätte ich es eher einem spacigen Dark Ambient-Projekt wie FIRST HUMAN FERRO zugeordnet. Lange Drones, sowohl aus Klängen als auch aus Vocals, vermitteln das Gefühl von Räumlichkeit und Universum; wunderschön und zum Schluss mit typischem Acapella-Gesang von CHAKO.

"Tenshou" ist ein an manchen Stellen für JOJ-Verhältnisse eher ungewöhnliches Album. Einerseits, weil es sehr ambienthaft wirkt, ohne schamanische Elemente. Andererseits, weil es oft besonders 'asiatisch' klingt, was vielleicht an der Reduktion der Instrumentierung und der dadurch besonders zur Geltung kommenden Flöte liegt. Gleichwohl haben JACK OR JIVE wieder einmal eine wunderschöne, träumerische CD produziert, die besonders gut in der Ruhe und Dunkelheit der jetzigen Jahreszeit zur Geltung kommt.
Das Album ist auf 500 Stück limitiert und als erstes JOJ-Album beim französischen Label CYNFEIRDD erschienen, welches mit einem aufklappbaren, aus starkem Karton bestehenden und mit asiatischen Motiven bedruckten Package das Übrige zu einer gelungenen Veröffentlichungen beiträgt.




 
Michael We. für nonpop.de


Verweise zum Artikel:
» JACK OR JIVE @ myspace

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Zusammenfassung
Ein an manchen Stellen für JOJ-Verhältnisse eher ungewöhnliches Album. Einerseits wirkt es an manchen Stellen sehr ambienthaft. Andererseits klingt es oft besonders 'asiatisch', was vielleicht an der spartanischen Instrumentierung und der dadurch besonders zur Geltung kommenden Flöte liegt.

Inhalt
Cyn 048
lim. 500

1. The Girls Of Shiraume (7:20)
2. Be Selfless (5:22)
3. Hayabusa (5:17)
4. Cherry Blossoms (4:44)
5. Kokorobito 2 (6:13)
6. The Last Day (5:46)
7. Blue Landscape (4:06)
8. Tenshou (4:06)
9. Seiryu (18:17)
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