 |
  Um es kurz zu machen: Weder HANS JOACHIM IRMLER (FAUST) noch F.M. EINHEIT (Ex-EINSTÜRZENDE NEUBAUTEN) wird man vermutlich großartig vorstellen müssen, so dass man sich in erster Linie mit dem beschäftigen kann, was aktueller Ausfluss ihrer Kollaboration ist – dem Album „Bestandteil“.
Schaut man sich IRMLERs Aktivitäten in den letzten Jahren an, so zeigt sich eine weithin kreative Offenheit, die dazu führt, dass er mit verschiedenen Musikern in Sessions Material erarbeitet und dieses anschließend veröffentlicht. Allein im letzten Jahr wurden Kollaborationen mit GUDRUN GUT (Ex-MALARIA) und JAKI LIEBEZEIT veröffentlicht, wobei ich persönlich gerade die Zusammenarbeit mit dem CAN-Schlagzeuger als leider etwas inspirationslos empfand. Mit F.M. EINHEIT hat IRMLER dagegen schon 2009 („No Apologies“) und 2011 („Spielwiese Drei“) zusammengearbeitet und die beiden sind auch schon des Öfteren zusammen live aufgetreten.
Hört man sich in die neue Zusammenarbeit namens „Bestandteil“ ein, die mittels Jam-Sessions über drei Jahre entstanden ist, dann begegnet dem Hörer ein klangliches Abbild, das mich ungeachtet jeder vielleicht zugrunde liegenden Intention an ein nächtliches, urbanes Szenario erinnert. Da ist das lauernde, mit Unruhe ausgestattete „Brooks“, das dynamisch-hektische „Streetlife“ und das zunächst geheimnisvoll ruhige und später auffahrende „M“, das einen anhand des Titels an den FRITZ LANG-Film denken lässt. Neben den zumeist verfremdeten oder bearbeiteten Orgel- oder sogar schwer zu erkennenden Xylophon-Klängen wird dieses Bild vor allem durch die Sounds der elektrifizierten Bassfeder, die von F.M. EINHEIT gespielt wird, sowie durch zahlreiche andere Klangeffekte imaginiert und dynamisiert. Dabei wirkt die Bassfeder zumeist als Rhythmusgeber oder als Quelle elektrischer Geräusche, wie von einem Synthesizer erzeugt. Aus dem Gemisch ergeben sich spannende tiefschichtige Ambient-Texturen, die wie ein Streifzug durch diese urbane Szenerie wirken. So hört man in „The Taking“ zerhackte Schlagzeuggrooves im Hintergrund, Schnipsel von Frauengesang und Big-Band Sounds, während „Treat“ und „Thaler“ eher eine unwirkliche, ruhigere Atmosphäre als zu Beginn des Albums und eine vielschichtige Flächigkeit auszeichnet.
Der Titeltrack „Bestandteil“ lässt den EINSTÜRZENDE NEUBAUTEN-Hörer natürlich unweigerlich an „Kein Bestandteil sein“ von „Fünf auf der nach oben offenen Richterskala“ denken – und tatsächlich lassen sich im Vergleich Teilstücke entdecken, die an genau dieses Stück erinnern, wobei dadurch natürlich der Interpretation Tür und Tor geöffnet sind. Bei „Kein Bestandteil sein“ geht es um Negation, um die Zerstörung, die erfolgen muss, damit etwas Neues entsteht. Somit wäre „Bestandteil“ die Beschreibung eines Status Quo, die Teilnahme an etwas – vielleicht auch die Abkehr von der Radikalität der Zerstörung? Mit „Bestandteil“ ist HANS JOACHIM IRMLER und F.M. EINHEIT jedenfalls ein gelungenes, beschreibendes und abwechslungsreiches Werk geglückt, das mit seiner elektronischen aber doch warmen, organischen Klangsprache zu begeistern weiß.
Tony F. für nonpop.de
Themenbezogene Artikel: » IRMLER/OESTERHELT: Gesänge Des Maldoror
Anzeige:
Namentlich gekennzeichnete Beiträge spiegeln ausschließlich die Meinung des jeweiligen Verfassers bzw. Interviewpartners wieder. Nachdruck (auch auszugsweise) nur mit schriftlicher Genehmigung durch den Betreiber dieser Seite.
|
Zusammenfassung
-
Inhalt
Reset
Brooks Streetlife M The Taking Bestandteil Treat Thaler Brooks (reprise) |
