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Thomas L.

HILDUR GUDNADOTTIR: Saman


HILDUR GUDNADOTTIR: Saman
Genre: Ambient
Wörter: 511


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Musiker aus Island müssen sich seit jeher mit dem Klischee auseinandersetzen, dass ihre Musik zwangsläufig eine akustische Verarbeitung überwältigender Naturgewalten sei. Banales erwarten wir nicht aus Island und wenn es dann doch einmal so kommt, dann hat es nicht einmal beim ESC eine Chance. Vielmehr wollen wir psychedelische Gitarren und verzweifelte Schreie wie von SOLSTAFIR, die über einen herfallen wie ein eisiger Sturm oder die tongewordene Winternachtsmelancholie von HILMAR ÖRN HILMARSSON oder das Weltfremde und Bizarre von BJÖRK. Wer dies ähnlich sieht, der dürfte auch unweigerlich grenzenlose Freude (falls das in dem Kontext der richtig Ausdruck ist) am musikalischen Schaffen der isländischen Cellistin HILDUR GUDNADOTTIR haben, die mit „Saman“ nun ihr viertes Solo-Album vorlegt. Was ist zu HILDUR GUDNADOTTIR zuvor zu sagen? Studierte Cellistin, in Reykjavik und Berlin schaffend, im Umfeld von THE KNIFE/FEVER RAY aktiv und auch zusammenarbeitend mit den reformierten THROBBING GRISTLE.
Der Titel, der soviel wie „Resonanz“ bedeutet, gibt dann auch gleich das Konzept des Albums wieder: Cello und Stimme in Reaktion aufeinander. Das dabei keine Songs im herkömmlichen Sinne entstehen, ist naheliegend. Es entstehen vielmehr Stimmungsbilder und Klanglandschaften; HILDURs ätherische Stimme, die in der Presseinformation nicht umsonst als sylphenhaft beschrieben wird, thront weltfern – und fremd über den meist melancholischen Melodiebögen des Cellos. Will man populäre Musik als Vergleich heranziehen um das Einordnen leichter zu gestalten, so würden sich zweifelsohne die Landsmänner von SIGUR RÓS anbieten, auch wenn HILDURs Musik minimalistischer daherkommt. Tatsächlich zeichnet sie für alles selbst verantwortlich, sieht man einzig und allein von einem Gastbassisten bei dem Stück „Heima“ ab. Und so ist diese CD auch nichts, was sich schnell erschließen lässt. Die Musik fordert Zeit und Aufmerksamkeit, Ruhe und Rückzug ein. Wenn man dem nachkommt, gewinnt sie dafür umso mehr. Schließt man die Augen und lässt sich darauf ein, dann schwebt man, begleitet von fragilen Klängen durch die – und jetzt wird wieder das eingangs erwähnte Klischee bemüht – eisigen Weiten und Gletscher Islands. Wie ein Soundtrack für Naturstimmungen kommt diese CD daher... „Rennur Upp“ verfügt über Rhythmik und eine dezent bedrohliche Stimmung, gleich der Ankündigung eines drohenden Unwetters... Mich hat dieses Stück ein wenig an die mongolischen Musiker von HOSOO und ihre Pferdegeigen erinnert. Auch bei HOSOO ist die Natur der primäre Impulsgeber für die Musik...
„Baer“ hingegen ist voller Melancholie, das Cello mitunter kaum noch von einer Geige zu unterscheiden. Aber es fällt schwer, hier einzelne Stücke aus dem Gesamtwerk herauszunehmen, denn man hört aus einem solchen Album keine einzelnen Stücke. „Saman“ hört man von Anfang bis Ende durch, man spielt nicht ein bestimmtes Stück an. Eine solche Herangehensweise ist in unserer Zeit natürlich immer ein Wagnis und ein kommerzieller Suizid, aber das dürfte eine Künstlerin mit ernsten Ambitionen kaum stören. Und so bleibt mir nur, allen Freunden der musikalischen Naturmalerei dieses Album wärmstens zu empfehlen. „Saman“ ist ein tiefgründiges und bewegendes Werk, das Zeit fordert, aber den Hörer dann auch entsprechend belohnt.
Gemastert wurde das Album übrigens von keinem geringeren als DENIS BLACKHAM, der wohl bis in alle Ewigkeit als Hausproduzent von WORLD SERPENT in Erinnerung bleiben wird.

 
Thomas L. für nonpop.de


Verweise zum Artikel:
» HILDUR GUDNADOTTIR

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