In einem kurzweilig zu lesenden und auch sehr preiswerten Interviewbüchlein namens „Unsere Zeit kommt“ beschreibt Karlheinz Weißmann, ein natürlich umstrittener Vielschreiber und „Vordenker“ der „rechten Intelligenz“ in Deutschland (der allerdings auch in renommierten Verlagen veröffentlichte), sehr gut, warum es seiner Meinung nach Schwachsinn ist, wenn sich Gruppierungen, deren Anliegen es ist, über die (gefährdete) Identität Europas nachzudenken, allzu tief auf ein „Neu-Heidentum“, ganz gleich welcher Ausprägung, einlassen: Mit (und eigentlich auch gegen) Nietzsche argumentierend beschreibt er dort, wie das Christentum einen Spalt im europäischen Bewusstsein geschaffen habe, den man nicht mehr zudecken dürfe: „Dieser Spalt hat unser Gewissen entstehen lassen und unsere Schamkultur, alles was mit „Innerlichkeit“ zusammenhängt. Wenn man diesen Spalt wieder schließt – und vielleicht werden wir das erleben – dann verschwindet nur der europäische Mensch, aber es ersteht kein Heidentum auf.“ Er fürchtet eine allzu große Beliebigkeit, eine, die einher geht mit einer reinen Diesseitigkeit, die das Wesen des Religiösen, so wie es sich in Europa entwickelt hat, völlig verkennt, und die letztlich sowieso nur ein Teil des modernen Wunsches nach „Selbsterfahrung“ und „Selbstverwirklichung“ ist, die auch all den anderen, nicht traditionsgebundenen, modernen Angeboten auf dem Rummelplatz der Weltanschauungen eigen sind. Grundsätzlich ist die Idee des Samplers zu begrüßen, zumal ein kleines Büchlein mitgeliefert wird, das einige Gedanken der beteiligten Künstler zum Thema enthält. Es ist der erste Neofolksampler, der explizit "christlich" ist und man kann sagen, das wurde langsam Zeit. Auch wenn man selbst religiös anderer Ansicht ist, kann man doch objektiv erstaunt darüber sein, mit welch bilderstürmerischer Selbstverständlichkeit und auch etwas naiv die Mehrzahl der Neofolkprojekte sich einen neuheidnischen Anstrich geben und dies dann noch als einen Ausdruck einer betont „unzeitgemäßen“ Haltung verstehen. Ihre wirkliche „Andersartigkeit“ an dem Punkt zeigen hier dann u.a. die „üblichen Verdächtigen“ wie VON THRONSTAHL, THORN AGRAM, KRIEGSFALL-U, LONSAI MAIKOV und PARZIVAL, ebenso wie eher neue Namen z.B. ODA RELICTA aus der Ukraine, KAYNO YESNO SLONCE aus Bulgarien, HIDDEN PLACE aus Italien oder MILITIA, natürlich nicht die Belgier, sondern ein Nebenprojekt der italienischen Goth- White-Metaller von MAGNIFIQUAT. Die Künstlerauswahl und natürlich irgendwie auch das Thema (weil so wahrhaft avantgardistisch) lässt die Befürchtung entstehen, dass dem Ganzen ein gewisser „Nerd-Charakter“ innewohnt. Und tatsächlich, dieser ist nicht ganz zu leugnen, wenn auch weniger ausgeprägt als befürchtet. LONSAI MAIKOV liefern mit „Regnum“ eines ihrer besten Lieder überhaupt ab. Siebenminütig fängt es zunächst und im sehr positiven Sinne geprägt von SOL INVICTUS zu „The Blade“-Zeiten mit Fanfaren an, steigert sich dann zwischenzeitlich zu einem klassischen Doom-Metalrock Hammer, der Erinnerungen an CANDLEMASS oder SOLITUDE AETERNUS weckt, um dann in eine schnelle, gar nach Black Metal (!) klingende Passage überzugehen. Danach wendet sich der Song wieder zum typischen LONSAI MAIKOV-Stil, den manch einer als etwas fad empfindet. Wirklich Klasse und der Höhepunkt des Samplers! Für den Witz des Samplers sorgen einmal mehr die MONTY PYTHON-Brüder von PARZIFAL, bekanntlich „ultratraditionale“ russische Gralsucher im dänischen Exil. Es mag durchaus sein, dass ihnen der Überbau eine ernsthafte Angelegenheit ist, aber die Musik wirkt nun mal wie eine gekonnte LAIBACH-Verarschung. Diesmal sind auch sie eher kontemplativ, aber die Tendenz geht so stark Richtung LAIBACH (vom Gesang eher wie die LAIBACH der Gegenwart, jedoch ohne Dance oder Metaleinfluss), dass bei dem Stück sogar der Veräppelungseffekt wegfällt. Nein, vielleicht sind sie einfach LAIBACH? Und zwar LAIBACH, die hier ein schlechtes Stück abgeliefert haben. Fazit: Vier bis fünf Stücke sind richtig schön, der Rest tut zumindest nicht weh, und man kann ihn gut anhören. Der Sampler ist mit Liebe gemacht, all das ist irgendwie nerdig, aber auch sympathisch, nachdem sich Christen immer so beschimpfen lassen müssen von diversen Neuheiden und Black Metallern. Christians have feelings too...! Und ein Europa ohne Christentum? Wer es nicht schon tut, bitte wenigstens mal nachdenken!
Dominik T. für nonpop.de
Verweise zum Artikel: » Christliche Leitbilder-Die Tradition im Abendland
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...und nur so nebenbei oder für eine Diskussion im Forum:
Mensch kann der Religion nicht entgehen.
Macht doch nichts, ich lasse mich dann weiterhin
(& lieber) von David Eugene Edwards vergiften.
@Nemesis,
lustig, dachte mir, daß ein Kommentar der Art kommt, aber Opium ist ersteinmal alle, wüßte keine weitere Neuerscheinung mit vergleichbarem Opiumgehalt. Mea Culpa
Opium, gebt mir mehr Opium!