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Michael We.

BYETONE: Symeta

AG GEIGE im Rhythmusbad


BYETONE: Symeta
Genre: Minimal
Verlag: Raster-Noton
Erscheinungsdatum:
Oktober 2011
Medium: CD / LP
Preis: ~16,00 €
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Der Chemnitzer OLAF BENDER folgt der Spur des perfekten Rhythmus. Seit 1988 ist er Mitglied der – nie offiziell aufgelösten, soweit ich weiß – AG GEIGE, der RESIDENTS des Ostens mit lustigen Filzkostümen, dadaistischen Auftritten und vielen multimedialen Elementen. Schon damals hatte das Quartett, neben Punk- und New Wave-Charme, einige Hits im Gepäck, wie "Ich Bin Ihr Boy" (siehe Video unten). Alle vier – FRANK BRETSCHNEIDER, OLAF BENDER (der 1988/89 TORSTEN ECKHARDT ablöste) und JAN und INA KUMMER – bezeichneten sich nie als Musiker, sondern kokettierten mit dem Status der Autodidakten.
Mit BRETSCHNEIDER gründete OLAF BENDER 1996 das Label RASTERMUSIC, spezialisiert auf Minimal Electronic, welches nur drei Jahre später mit NOTON, dem Konzeptlabel von CARSTEN NICOLAI (ALVA NOTO) zu RASTER-NOTON verschmolz und heute als führend auf dem Gebiet der experimentellen Elektronik gilt. BENDER prägte das neue Label, immer noch ansässig in Chemnitz, unter anderem als Grafikdesigner, ist bis heute verantwortlich für das edle Produkt-Layout. Auch musikalisch blieb der Kontakt mit den AG GEIGE-Mitgliedern bestehen: SIGNAL und PRODUKT sind zwei der elektronischen Projekte von BENDER und BRETSCHNEIDER (SIGNAL noch mit CARSTEN NICOLAI, PRODUKT mit TILO SEIDEL). Auf dem aktuellen Album von BYETONE, BENDERs Moniker als Soloartist, spielt JAN KUMMER eine Rolle, wie wir gleich sehen werden. Ihm kommt auf dem ansonsten rein instrumentalen Werk der einzige stimmliche Einsatz zu.

Der Kunstname und Titel der neuen Veröffentlichung, "Symeta", gibt ein wenig die Richtung von BYETONE vor. Um Symmetrie geht es, um Rhythmus, der sich gleichbleibend ausdehnt, umkreist von anderen Bestandteilen; wie bei allen Künstlern auf RASTER-NOTON nicht nur ein Klangerlebnis, sondern auch eine beinahe wissenschaftliche Auseinandersetzung mit der Musik.
"Topas" (1) und "T-e-l-e-g-r-a-m-m" (2) eröffnen, zwei lange Stücke wie eines mit vielen Loops und Wiederholungen. Sehr rhythmisch natürlich, wie das gesamte Album. Eine langsame Steigerung, Verdichtung scheint sich ständig anzubahnen, der große Ausbruch erfolgt aber nie, was für erhöhte Wachsamkeit sorgt. Melodien spielen keine große Rolle, eher Mitschnitt aus der Beatstube als klassischer Song. Nicht zum letzten Mal auf "Symeta" erinnern mich die Keyboard-Layer an "Being Boiled" von HUMAN LEAGUE, außerdem fällt mir während der ersten paar Minuten das Theme von "Miami Vice" ein. "Neuschnee" (3) entspricht seinem Namen: ein reduzierter Track, dem noisigen Zirpen folgt ein langsamer Herzschlag, viele Sounds (ist da ein Fender Rhodes zu hören?) haben etwas Schimmerndes, Glitzerndes, Warmes, liegen zwischen Minimal Electronic und Ambient. "Opal" (4) zieht die Geschwindigkeit dann wieder an, der Beat tickert, um ihn schlingen sich Gebilde aus unterschiedlichen Rhythmen, die im letzten Drittel fast technoid stampfen; schnatternde Sequenzen wie von einem künstlichen Schlagzeug-Besen.
"Helix" (5) startet den zweiten, rockigeren Teil des Albums mit seinen schweren, aggressiven Beats Richtung Dub, APOLLO 440 inklusive noisigem Zwischenrauschen und einer Schiffssirene. Am Ende verdichtet sich alles zu beinahe Krach. "Black Peace" (6) ist noch etwas flotter, ich kriege "Being Boiled" nicht aus dem Kopf. Hypnotisierend, sehr gleichförmig, zwischendrin so kurz vor der Explosion wie nie. (Der Heavy Metal-Vergleich :-) aus der Promoinfo ist allerdings leicht übertrieben). "Golden Elegy" (7) bietet erneut das Schiffshorn, auf einem leicht ins Schwanken geratenen Kahn, der schleppende Rhythmus geeignet zum Freestyle-Rappen, dazwischen das Geräusch eines alten Modems auf Verbindungssuche. Zum ersten Mal taucht dann Sprache auf, krude Lyrik, wohl zum Teil basierend auf "Bei Goldhähnchens" von HEINRICH SEIDEL (1842-1906), dann aber zunehmend abdriftend, eine Persiflage des imperialistischen Eine-Welt-Traums. Präsentiert – hier schließt sich der Kreis – von JAN KUMMER, ebenfalls AG GEIGE.

OLAF BENDER beweist mit BYETONE wieder einmal sein Händchen für sich ins Gehirn fressende Rhythmen, für sich langsam entfaltende, elektronische Strukturen mit Beat und Spannungsbogen. Ein Genre lässt sich kaum (er)finden, irgendwas zwischen Minimal Techno und Ambient. Wer sich bei RASTER-NOTON zuhause fühlt, kann bedenkenlos zugreifen und entdeckt so rückwirkend vielleicht auch die eine oder andere Perle von AG GEIGE.




 
Michael We. für nonpop.de


Verweise zum Artikel:
» BYETONE @ discogs
» AG GEIGE @ Wiki
» youtube-Mix für AG GEIGE


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Zusammenfassung
OLAF BENDER beweist wieder einmal sein Händchen für sich ins Gehirn fressende Rhythmen, für sich langsam entfaltende, elektronische Strukturen mit Beat und Spannungsbogen, zwischen Minimal Techno und Ambient. Wer sich bei RASTER-NOTON zuhause fühlt, kann bedenkenlos zugreifen.

Inhalt
1 Topas
2 T-e-l-e-g-r-a-m-m
3 Neuschnee
4 Opal
5 Helix
6 Black Peace
7 Golden Elegy
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