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Endsal

BRAINBOMBS: Inferno

Sick Psychedelic Death Noise Rock vom Feinsten!


BRAINBOMBS: Inferno
Genre: Noise Rock
Verlag: Skrammel
Vertrieb: Skrammel
Erscheinungsdatum:
9. Mai 2017
Medium: Vinyl LP & 7"
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Hurra, hurra, die BRAINBOMBS sind wieder da! Und das neue Album kredenzen sie dem geneigten Publikum unter einem Titel, der sich ganz vortrefflich in die derzeitige globale Gemengegelage fügt: "Inferno" heißt das gute Stück und wird, so man die Scheibe denn direkt beim schwedischen Label SKRAMMEL RECORDS bestellt, obendrein auch noch von der einseitig bespielten 7" "Trust Me" flankiert. Nachdem es die Herren aus Hudiksvall mit der Veröffentlichung neuer Werke bislang nie sonderlich eilig hatten und sich zwischenzeitlich durchaus kreative Pausen zwischen drei und neun Jahren gönnten, konnte es diesmal offenkundig gar nicht schnell genug gehen, und so liegen zwischen dem vorliegenden Album und "Souvenirs" von 2016 gerade mal zehn Monate. In programmatischer Hinsicht wird – wer hätt's gedacht! – weiterhin unbeirrt jener ganz spezielle, misanthropische Ultra-Extrem-Nihilismus abgefeiert, der für die Band konstitutiv und für die treue Anhängerschaft zentraler Gegenstand kultischer Verehrung ist; und auch auf musikalischer Ebene verfolgt man selbstverständlich konsequent die altbewährte Linie weiter, reichert diese jedoch mit einer amtlichen Prise – ja, man kann's nicht anders nennen: psychedelischer Komponenten an, welche dem Album zusätzliche Schmissigkeit und bisweilen geradezu erstaunlichen Charme verleihen.


BRAINBOMBS (c) ANDERS BRYNGELSSON [www.instagram.com/diskad/]

Dass die BRAINBOMBS in punkto ... äh ... Substanzengebrauch mit hoher Wahrscheinlichkeit keine Kostverächter sind (oder immerhin waren) hat der aufmerksame Rezipient wohl schon immer geahnt – Plausibilität vermittelt dieser Annahme beispielsweise der Titel "After Acid" von der 1992er Debüt-LP "It's A Burning Hell", eine selten gelungene musikalische Innenansicht paranoider psychedelischer Ausnahmezustände –, lässt man indes "Inferno" eine Weile auf sich wirken, so kommt man kaum noch umhin, in Fragen der stilistischen Zuordnung irgend so etwas wie Psychedelic Noise Rock vor sich hinzumurmeln, vielleicht noch mit einem Death oder Sick oder so irgendwo dazwischen, in jedem Fall aber: Psy-che-de-lic! BRAINBOMBS On Acid wie niemals zuvor sozusagen. Ein Faible für exzessives, wenn auch reichlich dreckiges und krankes Gegniedel hat die Band auf allen bislang erschienen Alben – neun an der Zahl laut discogs – bewiesen, selten vorher jedoch wurde ein solch großzügiger Gebrauch vom Effektgerät gemacht wie auf dem vorliegenden. Auf "Souvenirs" gab's mit "A Darker Shade Of Pain" bereits einen kleinen Vorgeschmack in dieser Richtung – und es war keineswegs nur die Wahl des Titels, eine Verballhornung des PROCOL-HARUM-Klassikers "A Whiter Shade Of Pale", die einen stilistischen Rückgriff auf die psychedelische Ära signalisierte, nein, auch die bisweilen nachgerade ekstatisch abheulenden Gitarren stützen den sicko-hippiesken Gesamteindruck nach Kräften.


Diesen Faden nimmt der Titeltrack "Inferno" nun entschlossen und unmissverständlich auf: Es bratzt, groovt und gniedelt mit dezidiert rockiger Attitüde geschlagene acht Minuten vor sich hin, dass es nicht mehr und nicht weniger als eine wahre Freude ist. Der Sound ist dreckig, schmierig, hat bisweilen etwas irrlichternd Fieberndes, was durch die typische BRAINBOMBS-Trompete noch verstärkt wird, schmiegt sich dessen ungeachtet aber mit unwiderstehlicher Penetranz dem Gehörgang an und weist sämtliche Eigenschaften auf, die für einen waschechten Ohrwurm erforderlich sind. Auf diesen grandiosen Einstieg folgen mit "They All Deserve To Die" und "Rock Your World" zwei Titel, die im Vergleich nur abfallen können, obwohl sie durchaus solide Kost im Rahmen des typischen Band-Menüs bieten: Relativ monotone, durch repetetive Rhythmusstrukturen geprägte Noise-Rock-Nummern, die beide insbesondere in der zweiten Hälfte deutlich an Zug gewinnen, während sie in der Anfangsphase für Menschen mit geringer Aufmerksamkeitsspanne eine gewisse Herausforderung darstellen können. Mit "If You See My Face" folgt allerdings gleich das nächste Highlight, und hier gibt es für die instrumentale und effektgenerierte Ekstase dann auch endgültig kein Halten mehr: Hypnotisch kreisende Gitarren variieren ein endloses Thema und dominieren den Sound vollständig, während die sonst so exponierten Vocals immer weiter im Hintergrund verschwinden; die herrliche Schmierigkeit des Sounds bleibt dessen ungeachtet selbstverständlich zu jeder Sekunde gesichert, möglicherweise gar drohende Abgeschmacktheiten werden ebenso souverän wie weiträumig umgangen. Der B-Seiten-Einstieg "An Eye For An Eye" kommt irgendwie unerfreulich rumpelig und monoton daher, ist obendrein mit sieben Minuten Spielzeit gut doppelt so lang als vertretbar und so gesehen wohl der einzige Track der LP, der nicht wirklich zu überzeugen weiß, wird mit "Just An Ordinary Fuck" allerdings von dem ultimativen "Hit" der Scheibe abgelöst: wenn man bislang nicht in der Lage war, sich von den BRAINBOMBS so etwas wie ein zwar bratziges, doch leicht sentimentales, geradezu schwelgerisch-mitreißendes Autofahrlied für den Sommer vorzustellen – hier kriegt man's um die Ohren geballert. Wären nicht der gewohnt prosaische Titel und die noch prosaischeren Lyrics, die das Ganze wieder ins rechte Zwielicht rücken, man könnte es glatt für ein euphorisches Liebeslied halten – großartig! "Malfunction" ist eine eher ruhigere,  trompetenlastige und insgesamt subtil angejazzte (sic!) Nummer, die ihren speziellen Reiz aus dem für die BRAINBOMBS eher ungewöhnlichen Arrangement und der mantraartig im Hintergrund kreiselnden – einzigen – Textzeile "Look inside my brain ..." bezieht. Mit "Wanted To Kill You" gibt’s abschließend nochmal einen schööön zünftig hingerotzten Wall Of Sound auf die Ohren, der sämtliche Wah-Wah-Geräte an ihre Grenzen und den Hörer in mystische Ekstase peitscht. Womit die LP ihr glorreiches Finale erreicht hätte.


BRAINBOMBS (c) ANDERS BRYNGELSSON [www.instagram.com/diskad/]

Doch wie eingangs bereits erwähnt, gibt’s für diejenigen, die "Inferno" direkt bei SKRAMMEL bestellen, noch die einseitig bespielte und auf 300 Stück limitierte 7“ "Trust Me" als Bonbon obendrauf – der gleichnamige Track ist eine paradigmatische BRAINBOMBS-Nummer wie aus dem Bilderbuch: Bratzig, dreckig, verwaschen, Lo-Fi und zweifelsohne insbesondere durch seine rohe Primitivität so ungemein bestrickend. Was soll man noch groß sagen? Die BRAINBOMBS sind für den, der ihre Musik mag, ohnehin eine sichere Bank. Trotzdem wusste "Inferno" den Rezensenten noch etwas mehr zu überzeugen als das Vorgängeralbum, insbesondere seiner vergleichsweise virtuosen Ambitionen wegen – doch das dürfte im Vorangegangenen ja hinreichend deutlich geworden sein. Fazit: Super Scheibe, für Novizen wie Veteranen auf der illustren Spielwiese der BRAINBOMBS gleichermaßen einschränkungslos zu empfehlen.


 
Endsal für nonpop.de


Verweise zum Artikel:
» ANDERS BRYNGELSSON-Homepage
» ANDERS BRYNGELSSON @ Instagram
» BRAINBOMBS-Homepage (unofficial)
» BRAINBOMBS @ facebook (unofficial)
» BRAINBOMBS @ SoundCloud
» BRAINBOMBS @ discogs
» SKRAMMEL RECORDS-Homepage

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» BRAINBOMBS: Disposal Of A Dead Body


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Zusammenfassung
Gewohnt souverän hingerotztes Noise-Rock-Opus mit starker Psychedelic-Affinität, will heißen: Mehr schmierig-dreckiges Gegniedel & exzessiverer Effektgerätegebrauch war selten vorher - herrrlich schmissige Scheibe für sommerliche Autofahrten mit anderen misanthropischen Nihilisten!

Inhalt
A1: Inferno (8:05)
A2: They All Deserve To Die (4:35)
A3: Rock Your World (4:57)
A4: If You See My Face (7:09)
B1: An Eye For An Eye (7:06)
B2: Just An Ordinary Fuck (5:19)
B3: Malfunction (5:12)
B4: Wanted To Kill You (6:13)
C1: Trust Me (5:03)

LP (lim. 1000) & 7" (Single-Sided, lim. 300)
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