Bei allen Vorschusslorbeeren, die AUSTRA in der Presse erhielt (vgl. auch die Albumreview bei NONPOP), war es gut, relativ zeitnah zum Erscheinen des Albums auch ihre Live-Präsenz testen zu können.
(Austra, Quelle: Electronic Beats)
Ort: Berlin, Berghain, Beginn 20.00 Uhr.
Man kann vom Berghain, dem nach unbestätigten (und selbstbefeuerten) Erhebungen immer noch „angesagtesten Club Europas“, halten was man will, gute und aktuell(st)e Acts zieht der Ort beinahe ununterbrochen an sich wie ein Magnet, was ihm stets gute Besucherzahlen beschert, aber nicht automatisch bedeuten muss, dass er die beste Wahl als Location für ein Konzert ist. So vielleicht ebenso bei AUSTRA, die, im Vorfeld wegen der stark angewachsenen Nachfrage von der Kantine des Berghains in dessen Panorama Bar verlegt, am 9. Juni den Berliner Pflichttermin ihrer aktuellen Tour wahrnehmen sollten.
Als unbedarftem Hörer wie mir war bis dato der Umstand noch nicht so augenscheinlich, dass AUSTRA auch und vor allem in der lesbischen Community offenbar große Resonanz findet (bei besserer Vorabrecherche hätte der Rezensent es freilich wissen müssen, gibt die Band auf ihrer Webseite oder in Interviews die nötigen Hinweise, oder bedürfen Stücke wie "Young And Gay" von der "Beat And The Pulse" E.P. sicher nicht großer Interpretationen). Dementsprechend war natürlich die Gesellschaft strukturiert, in der ich mich an diesem Abend wiederfand, was jedoch ganz und gar nicht negativ gemeint sein soll, mir nur witziger- oder interessanterweise das Gefühl verlieh, ich sei ob der Fülle an östro-testosteronem Szenehabitus und eindeutiger „Non-Straightness“ um mich herum vielleicht etwas fehl am Platz, potentielle, sich daraus ergebende Unsicherheiten im eigenen männlichen Gebaren an diesem Abend mit eingeschlossen (so können sich Verhältnisse im 21. Jahrhundert ändern). Aber egal, die Musik war ja der Hauptgrund für mein Dasein. Diese wurde zunächst dargeboten vom angekündigten Support KOOL THING, mir völlig unvertraut, laut diverser Netzinfos aber momentan ein im lokalen Berlin recht hippes Duo, bestehend aus – selbstredend – zwei Damen, die mit laptopgesteuerten Maschinen- und Rhythmusloops und waviger E-Gitarre etwas zauberten, das entfernt an eine Mischung aus THE XX, Asiapop und, zumindest den harmonischen, lautmalerischen Gesang betreffend (wer hätte es erraten) an den Hauptact erinnerten. Die punkig-schnöde Unbedarftheit der beiden auf der Bühne hatte im Zusammenhang mit der Musik, die zwar nicht wirklich Bahnbrechendes, dafür aber Hypnotisches zu bieten hatte, durchaus einen Reiz, dem man sich nicht entziehen konnte. Schön, dass man damit zudem auf den „neuesten“ Stand gebracht wurde, was u.a. in den Clubs gerade so geht. Gute Resonanz von Seiten des offensichtlich eingeweihten Publikums.
(Kool Thing, Quelle: Myspace)
Nach ca. einer Stunde Umbau erschienen AUSTRA in Form einer Drummerin, zweier Backgroundsängerinnern und KATIE STELMANIS herself, begleitet von zwei männlichen Kollegen, einem brustentblösten, androgynen Tastenmann und einem Bassisten. Schnörkellos, ohne große Attitüde und Optik, ohne Showeffekt begannen sie ihr Set in beinahe identischer Reihenfolge wie auf der CD. Bemerkenswert vor allem der Gesang, – ungleich zur massiv hallgebetteten Albumversion – fast pur und trocken, was der Darbietung eine sehr direkte und ungeschliffene Note verlieh. Alles wirkte währenddessen stets leicht verwirrt-naiv, erinnerte an Proberaumästhetik, ungelenker Tanz, frei von Allüren, stimmliche Natürlichkeit. Dadurch und wegen der verschrobenen, theatralen Gestik der blondmähnigen STELMANIS, die, jegliche modische Geschmackssicherheit mit ihrer undefinierbaren Stonewashed-Jeans(?)-Robe völlig ignorierend etwas Schamaninnenhaftes innehatte, wurde einem entweder klar, wie wohltuend wenig diese Band trotz des Erfolgs bis jetzt unter dem Einfluss popindustrieller Trends und professionellem Stargestus steht, oder aber man musste sich fragen, inwieweit nicht das bereits schon Teil des trendigen Programms war.
(Austra live, Quelle: cphdistortion)
Die zwei holden Backgroundgirls zur linken und rechten, mit ihrem schulmädchenhaften Glitzerstaub an den Augen, den schwarzen, sauber gescheitelten langen Haaren, beide je einen Kopf kleiner als ihre Frontfrau, in hippieeske Konvulsionen versunken, hatten soviel Ausdruckskraft wie zwei anrührende Spielzeugpuppen, stimmlich wunderbar harmonisch, optisch sich ergänzend mit der retrobebrillten, stur geradeaus spielenden Schlagzeugerin (die Herren in der Unterzahl blieben bescheiden im Hintergrund), alles in allem eine halbgeniale Mischung aus Secondhandbohème, dillettantischer Liebenswertigkeit, Gaydisco und musikalischer Brillianz. Die Musik selbst klang dazu erstaunlich originalgetreu, der Synthesizer wurde wirklich gespielt, die Melodien so sauber wie nur irgend möglich, das Publikum – optisch weit mehr eine Achtzigercelebration als ihre Bühnenheldinnen – mehr als begeistert.
Ein interessantes Konzerterlebnis, das mich aber auf Grund der seltsam gewollten (Un)Ästhetik etwas ratlos zurückließ. Schade war, und das ist eine Feststellung, die ich nach diversen Erlebnissen im Berghain inzwischen machen musste (u.a. LUSTMORD, SUNN O ))) etc.), der für einen Liveact nur mäßige Sound, was vielleicht bestätigt, dass die „lauteste“ Anlage der Welt für reine Clubnächte zwar gut sein mag, aber nicht für jede Musik, vor allem live und handgespielt, gleichermaßen geeignet scheint.
(verwendete Artikelbilder aus Gründen der Verfügbarkeit vgl. jeweils Quellenangaben)
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