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Michael We.

ATOM™: Winterreise

Gelungene Fortsetzung von "Liedgut"


ATOM™: Winterreise
Genre: Ambient
Verlag: Raster-Noton


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Hier mit "Wellen Und Felder" ein Track aus dem Vorgängeralbum "Liedgut":


Vor zwei Jahren kombinierte UWE SCHMIDT sehr beeindruckend Elemente des romantischen Kunstliedes mit harter und unbestechlicher Technik. Diese Mischung aus Wärme und Künstlichkeit betitelte der in Chile lebende Frankfurter mit "Liedgut" (Besprechung). Nun ist - erneut bei RASTER-NOTON und wieder unter dem Namen ATOM™ - ein Nachfolger erschienen. "Winterreise" verweist allein durch den Titel noch viel deutlicher auf das Kunstlied, auf den gleichnamigen Zyklus von FRANZ SCHUBERT mit 24 Liedern (unter anderem "Am Brunnen Vor Dem Tore"), welcher als einer der wichtigsten Liederzyklen überhaupt gilt. Insofern könnte auch für "Winterreise" die 'Mensch und Maschine'-Thematik von SCHMIDTs Favoriten KRAFTWERK Pate gestanden haben.

Die Musik begleitete ursprünglich eine Fotoserie (mit Winterbildern), die das Multitalent unter anderem in Japan ausstellte. Neben seinem Soloauftritt mit ATOM™ ist SCHMIDT an zahllosen Projekten beteiligt und führt eine der längsten 'Aliases'-Listen bei DISCOGS, die ich kenne. Unter anderem war er Mitglied bei LASSIGUE BENDTHAUS, remixte für DEPECHE MODE oder fertigte Latinsongs aus KRAFTWERK-Originalen.
Obwohl der Titel die Vermutung nahe legt, dass es bei "Winterreise" noch ein Stück romantischer zugeht als auf "Liedgut", ist das Gegenteil der Fall: Diese Gratwanderung zwischen Romantik und Wissenschaft fällt deutlich abstrakter, theoretischer aus.

Der Titeltrack "Winterreise" (01) beginnt mit einem treibenden, aber smarten Beat, dazu ein rhythmisches, holzähnliches Klopfen, was für ein gewisses überraschendes Dschungel-Flair sorgt. In der kalten Luft hängen lange Synthie-Drones, und die Melodie ist langsam, besteht immer nur aus wenigen Tönen am Stück; dazwischen fügt sich eine Reihe von technischen Tönen und Geräuschen. Trotz der überwiegenden Synthetik macht sich wohlige, winterliche Wärme breit. Das "Voralpenthema" (02) ist ganz typisch für dieses Album, fließt ruhig, majestätisch und flächig dahin, die perlenden Töne der Natur nachempfunden, ähnlich wie in impressionistischen, klassischen Stücken. Die drei ersten Teile von "Streuung" (03-05) drängen das melodisches Fließen in den Hintergrund, hier entspricht der Klang eher einer technischen Versuchsanordnung mit Geigerzähler, kippt teils auch ins Noisige mit Flirren und Fiepen, erinnert an den Röntgenaufbau von FELIX KUBIN ("TXRF", Besprechung).
Bei den "Schneewalzern" (06-09) klopft der Walzertakt in Zeitlupe an, steht immer in den Startlöchern und zerfasert dann, bevor er zum ausgewachsenen Walzer wird. "Teil II" (08) weist aber dann doch eine Nähe zum Walzer auf, ist eine kleine und charmante Spieluhr-Melodie. "Winterabend" (11) startet zwar noisig, wandelt sich dann aber zur Neoklassik mit technischen Mitteln, zum Beispiel einer sehr angenehmen Variante der elektronischen Zither. "Tiefebende" (12) ist wieder majestätischer Zeitlupenambient, und die "Gauß"-Teile (14-16) wechseln wieder ins Technische, bieten gleichmäßige Wiederholungen einzelner Sounds oder ganzer Geräuschpakete, wobei "Teil III" (16) mit synthetischen Schellen und Klängen, die Field Recordings nachempfunden sind, sogar besonders organisch wirkt.

ATOM™ klingt auf "Winterreise" wie eine Mischung aus BAD SECTOR und ANTLERS MULM, erzeugt mit ausschließlich maschinellen Mitteln einen oft sehr warmen Ambient mit viel Tiefe - dieses Mal übrigens komplett ohne Vocals. Eine starke Verbindung zur Klassik, zum Kunstlied und zum Impressionismus ist stets hör- und fühlbar, in den "Voralpen" zum Beispiel fällt eindeutig Schnee. Kluge Ambientmusik in gewohnt hochwertiger RASTER NOTON-Verpackung!

 
Michael We. für nonpop.de


Verweise zum Artikel:
» ATOM™ @ myspace
» Steckbrief ATOM™
» Fotoblog ATOM™

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