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Michael We.

ARCHON ORCHESTRA: Pong

J.S. BACH und sein Soundchip


ARCHON ORCHESTRA: Pong
Genre: Ambient
Verlag: Muzyka Voln
Erscheinungsdatum:
Sommer 2010
Medium: CD
Preis: ~13,00 €
Kaufen bei: Tesco


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Als am 28. April 2007 die sterblichen Überreste von JAMES DOOHAN alias SCOTTY ("Star Trek") ins All geschossen wurden, war ein Teil von ARCHON ORCHESTRA mit an Bord. Neben verschiedenen Nachrichten der Hinterbliebenen beinhaltete die Rakete auch die CD "Celestis: Space Ceremonial Music" von CYCLOTIMIA, einer russischen Dark Ambient-Band mit starker Affinität zum Weltraum. Der erste Hinweis auf die Musik, um die es hier geht, ist also 'Space'. Denn das 1998 gegründete Duo CYCLOTIMIA besteht wiederum aus zwei Moskauer Musikern, die sich hinter ihren Initialen verstecken: MK (Keyboards, Samples) und LM (Drums, Programmierung). MK könnte einigen Elektronik-Freaks nun bekannt sein als SPHERE REX, und wer hier forscht, stößt schließlich auf den – weithin unbekannten – MAX KHACHMANUKYAN, welcher nun endlich bei ARCHON ORCHESTRA, einzige namentliche Erwähnung, als 'Producer' geführt wird. Eine ähnlich erfolglose Verkettung ließe sich mit den Moskauer Klein- und Kleinstlabeln anstellen, die alle irgendwie an dieser Veröffentlichung beteiligt sind, aber das lassen wir lieber.
Hinweis Nummer zwei und drei befinden sich unmittelbar auf dem Cover. Es zeigt einen Ausschnitt aus einem Renaissance-Gemälde, nach oben schauende Menschen. In der Kirchenmusik der Renaissance (ja, ich musste das auch nachschlagen) wurde die Orgel als Instrument zunehmend wichtig. Außerdem sind links und rechts die zwei Balken des wohl berühmtesten Videospiels der Welt abgebildet, was uns schlussendlich zum Titel der CD führt: "Pong", so hieß der Konsolenklassiker von ATARI aus dem Jahr 1972. Das Debüt von ARCHON ORCHESTRA ist also eine Mischung aus kosmischen Klängen, Kirchenorgel und uraltem Gamesoundtrack.

"Orpheus" (1) steht am Anfang und stellvertretend für viele der acht Stücke. Irgendwie liturgische, perlende, auf- und absteigende Klangfolgen. Die Orgel, auf der gespielt wird, ist vermutlich synthetisch oder zumindest sehr verfremdet, obwohl im Hintergrund ab und zu auch einige klare, starke Orgeltöne zu hören sind. Zwischen Etüde von BACH und Soundtrack zu "The Last Ninja"; traurig, melodramatisch und kosmisch weit. Die Töne formen eine Blase, in der wir zwischen Planeten umherschweben. Auch "Golconda" erinnert an eine Toccata von BACH, "A Stone Among Stones" (3) an den Soundtrack für eine Wissenschaftssendung. "Counterpoint" (4) ist sehr computeresk, das 'technischste' Lied des Albums, strukturiert und auf sich wiederholenden Elementen basierend. Etwas aus dem (Orgel)Rahmen fällt das "Adagio" (5), eine traurig-romantische und unverfälschte Pianomelodie, knapp zu gut für Fahrstuhlmusik und im besten Falle an Klavierwerke von SATIE gemahnend.
Moderner wird dann wieder "Canto" (6), Kammermusik aus Synthie-Läufen wie Badeperlen, mit Streichern und kurzer Ethno-Vocoderstimme, zum ersten und einzigen Mal. Wie der Zusatz "For Electronic Harp" verrät, ist auch die "Fantasie" (7) metallen und elektronisch, Future-Wellen werden von melancholischen Improvisationen eines synthetischen Cembalos begleitet. "Pong", der letzte Track (8), ist zumindest von der Zeit her (rund 20 Minuten lang) ein Epos und das erstaunlichste Stück, denn obwohl es sehr einfach gehalten ist, lässt es sich gut komplett durchhören, ohne langweilig zu werden. Eine Art Funksignal fliegt wie ein Pixelball zwischen imaginäre Strichschlägern hin und her. Schade nur, dass am Ende wie auch an einigen anderen Stellen ausgeblendet wird.

Einige Namen wie BACH oder SATIE sind schon gefallen, andere wie ENO oder GLASS kämen auch in Frage. Natürlich geht es nur um entfernte Ähnlichkeiten, nicht um wirkliche Vergleiche. ARCHON ORCHESTRA bieten minimalistischen Ambient. Manchmal eben nur knapp am Fahrstuhl vorbei, dennoch äußerst sympathisch, weil trotz klarer und teils technischer Strukturen immer voll analoger Wärme. Beam me up, SCOTTY!

 
Michael We. für nonpop.de


Verweise zum Artikel:
» CYCLOTIMIA @ myspace


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Zusammenfassung
Namen wie BACH, SATIE, ENO oder GLASS könnten fallen. Es geht allerdings nur um entfernte Ähnlichkeiten, nicht um wirkliche Vergleiche. Minimalistischer Ambient, manchmal knapp am Fahrstuhl vorbei, dennoch äußerst sympathisch. Trotz klarer und teils technischer Strukturen immer voll analoger Wärme.

Inhalt
1 Orpheus (5:44)
2 Golconda (5:10)
3 A Stone Among Stones (5:44)
4 Counterpoint (5:43)
5 Adagio (Mechanical) (5:06)
6 Canto (2:49)
7 Fantasie (For Electronic Harp) (3:51)
8 Pong (20:23)

Gesamt 54:30
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