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Michael We.

PIERRE SCHAEFFER: Le Trièdre Fertile

Wiederveröffentlichung der letzten Arbeit des Franzosen


 PIERRE SCHAEFFER: Le Trièdre Fertile
Genre: Avantgarde
Verlag: Editions Mego


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Was der französische Komponist und Klangforscher PIERRE SCHAEFFER für die moderne Musik geleistet hat, ist oft und ausführlich dokumentiert worden; zuletzt tauchten rund um den 100sten Jahrestag seiner Geburt im Jahr 2010 eine Reihe von Artikeln und Wiederveröffentlichungen auf.
Mit seinem aus fünf Etüden bestehenden "Concert De Bruits", dem 'Geräuschkonzert' – uraufgeführt 1948 vom französischen Rundfunk –, begründete der gelernte Toningenieur die Musique concrète. Referenz ist bis heute die "Etude Aux Chemins De Fer", die 'Eisenbahn-Etüde' (siehe unten), die mit verfremdeten Aufnahmen von Waggons und Lokomotiven arbeitete. 'Concrète' symbolisierte nach SCHAEFFERs Ansicht den Weg der Musik: vom konkreten Alltagsgeräuschen hin zum verfremdeten Abstrakten, in Abgrenzung zur klassischen Musik, wo seiner Meinung nach durch Komposition der Weg vom Abstrakten ins Konkrete beschritten wird.
In den 1950er-Jahren widmete sich SCHAEFFER der Erforschung elektroakustischer Klänge, erarbeitete parallel zusammen mit dem französischen Komponisten PIERRE HENRY ein experimentelles Hörspiel ("Symphonie Pour Un Homme Seul", 1949/50), ein Vorgriff auf heutige Klanginstallationen. Später konzentrierte er sich auf seine Lehrtätigkeit als Professor am Pariser Konservatorium und auf theoretische Arbeiten. SCHAEFFER unterrichtete bis 1980, erkrankte später an Alzheimer und verstarb im Alter von 85 Jahren (1995). Soweit ein minimaler Abriss seines Schaffens, der schon deutlich macht, dass der Franzose Wegbereiter für die Verwendung von Field recordings, für elektroakustische Musik und vieles andere war.

Die – klanglich verbesserte – Wiederveröffentlichung von "Le Trièdre Fertile", im Original entstanden 1975/76, ist nun gleich aus mehreren Gründen spannend: Zum einen ist es das letzte Werk SCHAEFFERs, zum anderen ist es seine erste und damit auch einzige rein elektronische Komposition. Zusammen mit dem wesentlich jüngeren Komponisten BERNARD DÜRR – verantwortlich für die synthetischen Sounds – widmete sich SCHAEFFER den drei physikalischen Möglichkeiten, Töne zu messen: Frequenz, Dauer und Intensität.
Der Einstieg erinnert spontan an eine Mischung aus physikalischer Versuchsanordnung und altem Computerspiel: Hüpfende, springende, vibrierende Töne unterschiedlicher Dauer und Klangfarbe durchqueren ohne erkennbare Struktur den Raum. Kein Rhythmus, Abstände unterschiedlich, ebenso die Anzahl der gleichzeitigen Sounds. Beim Hören könnte man SCHAEFFER auch zuschreiben, dass er der Vater der heutigen Drone-Musik ist, denn viele Töne stehen lange in der Luft, ohne erkennbar an Intensität zu verlieren. Spätere Strecken der ersten Seite klingen erstaunlich organisch, erinnern gar an ein Orchester bei der Probe, bevor weitere Einzelklänge mit unterschiedlichen Eigenschaften folgen, dann wieder dronige Phasen, durchbrochen von einer Mischung aus Klangkörper und Soundtest. Das dritte und vierte Stück schließlich kommen stellenweise den einige Jahre später agierenden Industrialbands wie THROBBING GRISTLE sehr nahe.
Die zweite Seite beginnt überraschend rhythmisch, die quäkenden Töne – eine MIDI-Trompete? – geben ein wenig Struktur, bevor das Stück ins Noisige kippt. Teilweise klingt es, als würden die Klänge sprechen wollen, wie eine Art Alienkommunikation. Im Mittelteil dann eher klassische Synthesizer-Sounds, wabernd und zitternd, überlagert vom Dröhnen großer Maschinen. Später fast eine Melodie, eine aus den Fugen geratene Nationalhymne eines vergessenen Staates. Das letzte Viertel des Albums kehrt dann wieder zum unrhythmischen, nicht fassbaren Gesamtsound eines riesigen, in seinem Ablauf geheimen Tests zurück.

Dieses Album ist kein Hörspaß, aber das dürfte jedem klar sein, der bis hierher gelesen hat. Ganz im Sinne von PIERRE SCHAEFFER, der seine Musik stets als Training für die vom standardisierten Hören versauten Ohren sah. Scheinbar zufällige Improvisationsmusik, die sehr physikalisch klingt und die man sich erarbeiten muss. Sofort spürbar ist aber auch auf "Le Trièdre Fertile" die Bedeutung von SCHAEFFERs Werk, wenn man sich den Zeitraum vor Augen führt, in dem er aktiv war. Selbst diese letzte Arbeit ist schon knapp 40 Jahre alt und noch vor sämtlichen Industrial-, Dark Ambient- und Noise-Projekten entstanden. Musikhistorisch unbedingt empfehlenswert und vielleicht ein Anstoß, um sich vom letzten Werk aus rückwärts durch die außergewöhnliche Musik des Franzosen zu arbeiten – bis hin zur Eisenbahn-Etüde.


 
Michael We. für nonpop.de


Verweise zum Artikel:
» EDITIONS MEGO (Label)


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