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ALBIN JULIUS / DER BLUTHARSCH

Im Bett mit DER BLUTHARSCH


 ALBIN JULIUS / DER BLUTHARSCH
Kategorie: Spezial
Wörter: 1932


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ALBIN JULIUS ist wie eine dieser Erscheinungen der Natur, in denen Menschen meinen, ein bestimmtes Gesicht zu erkennen. Amerikanische Kürbisse ähneln bekanntlich gern irgendwelchen alten Präsidenten oder Filmstars, in den schimmeligen Laken Italiens findet sich hin & wieder der Abdruck von Jesus, und wenn der Deutsche zum Arzt geht, sieht die Warze auch schon mal aus wie Adolf Hitler.

Damit ist der Rekord gebrochen, schon im zweiten Satz eines Textes über ALBIN JULIUS geht es um einen Nazi.

ALBIN würde sagen: Ihr Deutschen, ihr liebt eben eure Österreicher. Und er? Er liebt ELVIS. Er liebt seinen Garten, die Apfelbäume, den Wald. Er liebt es, auf Tontauben zu schießen. Und als DER BLUTHARSCH liebt er es, mit einem „gefährlichen Image“ zu spielen - nach anderer Lesart liebt er es, mit bestenfalls widersprüchlichen Zeichen und Bildern seine vermeintlich „politisch korrekten“ Mitmenschen zur Weißglut zu treiben. BOYD RICE hat in Amerika ein Beruf daraus gemacht, und Albin geht es eigentlich auch ganz gut. Der Unterschied ist: DER BLUTHARSCH. Zunächst sein Solo-Projekt, spätestens seit dem vorletzten Album „When Did Wonderland End?“ seine Band, zeigt er mit DER BLUTHARSCH immer mehr Facetten seiner seltsamen Persönlichkeit - Zeit, Albin, der alten Hitler-Warze, mit der Veröffentlichung des neuen Albums „The Philosopher's Stone“ ein paar Fragen zu stellen. 

Du giltst  vor allem wegen deines 1997 gegründeten Projekts DER BLUTHARSCH als Erfinder eines Genres, das landläufig als Military Pop oder auch Martial (Industrial) bezeichnet wird - du selbst hast deine Musik in der Vergangenheit eher selbstironisch als „Kinky March Music“ bezeichnet - hatte „Martial“ jemals eine Bedeutung für dich oder lehnst du den Begriff auch rückblickend kategorisch ab?
 
Albin Julius: Generell lehne ich Schubladen als Ausdruck kleingeistiger Etikettierungsfanatiker ab, sei es im realen Leben oder in der „Kunstwelt“ des Rock'n'Roll. Leider benötigen aber manche Menschen eben genau diese Schubladen, weniger um Musik zu charakterisieren, als sich selbst in eine Gemeinschaft zu stellen, von anderen abzugrenzen und dadurch wohl auch nicht selten, sich durch die Zuordnung zu einer Subkultur in einen auserwählten, elitären Zirkel zu stellen.

„Martial“ bedeutet für mich in diesem Zusammenhang rein gar nichts, denn das „Martial“ hier bezieht sich meines Erachtens lediglich auf Zusammenschnippseln von Tondokumenten in musikalisch und kompositorisch minderer Qualität und dazu zur Schau gestelltem Rumgepose in mehr oder weniger billigen Uniformen. So hart dies nun klingen mag, aber leider ist es so. Die einzige Band, die meines Erachtens am ehesten je an „Martial“ herangekommen ist, waren LAIBACH, bevor sie zu einer billigen Kopie ihrer selbst geworden sind, und vielleicht noch alte NON (zu Osaka-Zeiten).

Die  Bezeichnung „Kinky March Music“ war tatsächlich von Anfang an Persiflage auf diesen Etikettierungswahn – leider wurde es wohl von den wenigsten Menschen als solche verstanden.

Martial kann als deskriptiver Begriff verstanden werden, als Inhaltsangabe: Drin ist, was draufsteht. Woher stammt die Begeisterung für alles Kriegerische? Wie war das bei dir? Hast du als kleiner Junge gern mit Soldaten gespielt? Oder mit Rittern? Oder etwa mit Cowboys und Indianern? Waren Großvaters Geschichten von der Front für dich weniger langweilig als für viele andere Enkel deiner Generation? Habt ihr zusammen Marschmusik gehört?

 
Drauf steht nie genau, was drin ist! Da gibt es zu viele Zusatzstoffe und künstliche Aromen! Welcher kleine Junge spielt nicht gerne mit Soldaten, und ja, ich hatte ein riesengroßes Holzfort mit Plastikcowboys und Indianern, nein, die waren sogar aus Metall. Gewonnen haben bei mir aber immer die Indianer, die Figuren hatten einfach viel mehr Sexappeal!

Großvater war nie an der Front, sondern wurde mit 17 als Flakhelfer eingezogen, und von dem, was er mir erzählt hat, war seine Zeit als Koch bei den Amerikanern (als Kriegsgefangener) und die Tätigkeit als Schwarzmarktschieber im besetzen Wien der Nachkriegsjahre wesentlich spannender. Wenn man „Der Dritte Mann“ gesehen hat, weiß man, wovon ich spreche. Und mein Vater war Dolmetscheroffizier und auch nie an der Front, er wuchs in der Schweiz auf und rückte erst nach der dritten Einberufung ein, weil er Angst hatte, die Deutschen würden die Schweiz ebenfalls annektieren, er war kein begeisterter Soldat, daher habe ich als Kind auch nie Geschichten von der Front gehört.
 
Ich sehe Krieg aber als wesentlichen Bestandteil der Menschheit, und es wird immer Kriege auf unserem Planeten geben, zum Glück sind wir hier in Mitteleuropa davon seit einigen Jahrzehnten verschont geblieben, aber gerade der Krieg in Ex-Jugoslawien zeigt uns, wie schnell ein sinnloser Bruderkrieg entstehen kann. „Niemals wieder Krieg!“ ist zwar eine nette Parole, aber ich fürchte, es wird eine Illusion bleiben...vielleicht nicht in 20, 30 oder 40 Jahren, aber wer weiß, was in 50 oder 100 Jahren sein wird, wenn die Ressourcen knapp sind...!!??

Immer wieder hast du in der Vergangenheit eine Faszination für die Zeichenwelt des Dritten Reiches unter Beweis gestellt - meine Frage ist nicht, warum man bestimmte Zeichen nicht benutzen sollte, sondern warum du sie benutzt (hast)? Welche Bedeutung hat in diesem Zusammenhang das „Corporate Design“ für DER BLUTHARSCH?
 
Ich habe ja nicht nur Zeichen des Dritten Reiches verwendet, sondern eine gewisse Ästhetik, die mir persönlich sehr gut gefällt. Das Cover der „When all else fails!“ z.B. ist ein Detail eines Russischen Antinaziplakates. Das Cover der „Der Gott der Eisen wachsen ließ!“ ist ein Relief an einem sozialistischen Gemeindebau in Wien aus den 60er Jahren, das ich zufällig gefunden habe.

Das Corporate Design ist natürlich für eine Band sehr wichtig, als Musiker „verkaufst“ du ja nicht nur deine Musik, du verkaufst ein Image, und ich denke ohne dieses Image hätte DB nie so funktioniert wie es funktioniert hat, es gibt genug gute Bands, die ein lausiges oder gar kein Image haben und einfach nicht wahrgenommen werden. Es ist traurig, aber so ist es nun mal, und ich finde Bands, die ein anspruchsvolles Artwork und Konzept zur Musik liefern, einfach spannender. Und wenn es ein „gefährliches“ Image ist, finde ich es doppelt spannend! – „Keep rockmusic dangerous!“

Letzteres sehe ich ähnlich, aber hast du es nicht zumindest zeitweise bewusst darauf angelegt, „falsch“ verstanden zu werden? Oder meinst du wirklich, dass du beispielsweise mit den Artworks von „When all else fails!“ und „Der Gott der Eisen wachsen ließ!“  gegenteilige Signale ausgesendet hast? Ich kann mir vorstellen, dass es dir gar nicht so unrecht war, dass diese gegenteiligen Signale nicht als solche verstanden wurden... Oder wie hältst du es mit der zumindest in (Post)Industrial- und Neo Folk-Kreisen oft beschworenen „Ambivalenz“?
 
Ich finde es gerade ganz lustig, wie Leute immer wieder in ihnen gestellte  Fallen laufen. Es hängt aber wahrscheinlich mit deren mangelhafter Kenntnis der Materie zusammen! Am Besten finde ich dann immer, wenn sogenannte „Hüter der Moral“ sich einmischen und aufspielen und dann hin bis zu Verboten fordern, ohne überhaupt zu merken, welcher Mechanismen sie sich bedienen.

Im Prinzip ist es auch egal, ob ich falsch verstanden werde, oder gar nicht, und was die Leute denken. Intelligente Menschen wissen, was sie von mir zu halten haben, dumme fallen halt immer wieder auf die „unter Google“ zu findenden Halbwahrheiten und Verleumdungen herein.

So what, that`s life!

Bereust du mittlerweile irgendetwas von dem, was dazu beigetragen hat, dass DB auch heute noch als Neonazi-Band bezeichnet werden darf? Im Gerichtsurteil heißt es:  »Wer sich so nach außen in eine bestimmte politische Richtung präsentiert (…), muss sich einer kritischen und polemischen Würdigung seines öffentlichen Wirkens stellen« - auch im NONPOP-Forum wurde das Thema kontrovers diskutiert, ein User hat es mit  "Play with matches and you might get burned!" umschrieben,... Und wo wir gerade dabei sind, wie stehst du in diesem  Zusammenhang zu den Vorwürfen, du würdest auf deinem Label HAURUCK! politisch dubiose Bands veröffentlichen?
 
Nein, ich bereue nichts. Scheinbar kann man in Deutschland ungestraft als Neonazi bezeichnet werden, also was soll's!?  Dann bin ich halt Neonazi, wenn sich das manche Leute einbilden. Obwohl, wie Jörg immer sagt, genau dadurch der Begriff Neonazi verharmlost wird. Wenn wir schon Neonazi sein sollen, was ist dann der Rest, die wirklichen Neonazis? Drum tangiert es mich auch nicht wirklich... Und, wie ein guter Freund von mir immer sagt: Kunst darf alles! Und wenn das der Preis dafür ist, dann soll es soviel kosten! – Armes Deutschland! Und zu HAURUCK! – ich veröffentliche ausschließlich Bands, deren Musik mir gefällt und zu denen ich ein persönliches Verhältnis habe...“music I like from people I love“ ...

Ich frage mich aber dennoch, warum du plötzlich meintest, gegen die Jungle World vorgehen zu müssen - wo du Jahre lang mit dem, was du „gefährliches Image“ nennst, dem Affen Zucker gegeben hast...?

Es war einfach mal an der Zeit, „Schluss damit!" zu sagen, da ich ja nie Neonazi war, sein wollte und sein möchte... und die dauernden Verleumdungen gehen mir halt irgendwann auf den Geist. Zumal sich DB ja gewandelt hat.

Zum Prozess, es war ja kein Prozess, sondern nur eine Verhandlung einer Unterlassensklage, möchte ich nicht allzu viel sagen, nur dass ich im Laufe der Argumentationen mit solcher Dummheit konfrontiert wurde, dass es schon weh tut und ich jetzt den Deutschen Charakter besser verstehe. Abgesehen davon war es auch wieder Promotion, und wie wir im „Musicbusiness“ sagen, „There is no bad promotion, there is only promotion". Aber ich merke generell, dass gerade außerhalb Deutschlands die „Faschismuskeule“ eine sehr stumpfe Waffe geworden ist.

Wenn du sagst, dass du auf HAURUCK! ausschließlich Bands veröffentlichst, deren Musik dir gefällt und zu denen du ein persönliches Verhältnis hast, ändert das natürlich wenig an deren politischer Verortung, die ist dir dann einfach egal?
 

Im Prinzip ja, solange die Leute intelligent sind und strafrechtlich nichts Relevantes dagegenspricht. Ich kann im Gegensatz zu anderen Zeitgenossen auch andere Meinungen akzeptieren, auch wenn sie u.U. nicht den meinen entsprechen und gut argumentiert sind. Allerdings weiß ich nicht wirklich, auf welche Band du anspielst? TERRORITMO? Die aus dem anarchistischen Hausbesetzerumfeld kommen?

Genau. Aber apropos Hausbesetzer-Szene: Die sich aus ehemaligen Skinheads und Mods zusammengesetzten ZetaZeroAlfa scheinen mir nun wirklich einen an der Waffel zu haben, um es mal salopp auszudrücken -  die gehören ja wohl zum Umfeld der Casa Montag bzw. Casa Pound. Zumal ist das musikalisch auch noch in etwa so attraktiv wie der Stumpfsinn  ihrer politischen Freunden der RIF (Rock Identitaire Français).  Überhaupt: Identitätsrock, how low can you go?! Siehe dazu auch das  ZZA-Interview auf
 http://www.hatedivisionrecord.org/zza.htm
 

Na ja, ZZA SIND die Casa Montag- und Casa Pound-Leute... und ich finde ehrlich gesagt nicht, dass die einen an der Waffel haben, im Gegenteil sind es sehr bedachte und äußerst intelligente Leute, und sehr offen allem gegenüber, auch anderen politischen Meinungen, wenn diese sich gut artikulieren.

Aber darüber zu diskutieren, wäre jetzt wieder ein ganz anderes Thema. Ich bin mit den Leuten befreundet und abgesehen davon finde ich ZZA einfach eine extrem geile Band. Wie auch SOTTO FASCIA SEMPLICE, mit denen ich demnächst eine Split 7'' machen werde.
 
Okay, das klären wir dann in unserem Taz-Interview. Weiter: Die 90er werden u.a. als das Jahrzehnt der Postmoderne in die Kunstgeschichte des 20. Jahrhunderts eingehen - inwieweit verstehst du deine alten, sehr zitierfreudigen  Arbeiten als Teil einer größeren Bewegung? Siehst du Gemeinsamkeiten zu anderen Musikern und/oder Künstlern, die verstärkt mit Zitaten arbeiten oder gearbeitet haben? Fühlt sich DER BLUTHARSCH irgendeiner Tradition verpflichtet?
 
Die EINZIGE Tradition, der ich mich – als Der Blutharsch – verpflichtet fühle, ist es, keine zu haben. Ich habe mir nie Grenzen gesetzt, weder privat noch musikalisch, erlaubt ist was gefällt. Ich fühle mich auch in keiner direkten „Verwandtschaft“ zu Künstlern, die mit Zitaten arbeiten, es ist heute halt nun mal so, dass man als Musiker das Rad einfach nicht mehr neu erfinden kann. Und besser gut zitiert, als schlecht kopiert!

 
für nonpop.de


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