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23-01-2003, 15:39 | Archivar

15 neue DAF-Lieder

Man tanzt wieder Mussolini: Die Elektronik-Legende Deutsch-Amerikanische Freundschaft bringt nach zwanzig Jahren in der Versenkung eine neue CD heraus. Bei der ersten Vorstellung vor ausgesuchtem Publikum waren Gabi Delgado und Robert Görl reichlich nervös. Doch das wäre gar nicht nötig gewesen.
Autor: Michael Hirschfeld

"Du bist schön und jung und stark. Nimm Dir, was Du willst. Verschwende Deine Jugend!" Eine atemlose Stimme, dazu übersteuernde Synthesizer und monotone Beats. So klang das 1981. Damals, als die Deutsch-Amerikanische Freundschaft, kurz DAF, auf dem Höhepunkt ihrer Karriere stand. Aus den jungen Punks Robert Görl und Gabi Delgado war das Avantgarde-Duo der elektronischen Musik geworden, das für seinen revolutionären Stil weltweit gefeiert wurde. Der minimalistische, aggressive und dabei zwingend tanzbare Sound verstörte eingefleischte Rock-Fans zutiefst und legte nebenbei die entscheidenden Grundlagen für House, Techno und Electronic Body Music. Zwei Jahre später trennten sich DAF.
"Wir dachten, dass wir unser Werk vollbracht haben", sagt Gabi Delgado heute, "dass wir unser Bild zu Ende gemalt hatten und nichts mehr reinkritzeln wollten". Er lehnt sich zurück, zündet eine Zigarette an und schaut aus dem Fenster des Hotelzimmers hinaus in den grauen Münchner Wintermorgen. Dann grinst er und fährt fort: "Tja, und jetzt wollen wir ein neues DAF-Bild malen. Genau so aktuell und brillant wie immer." Neben ihm sitzt Robert Görl und verkündet ganz gelassen: " Genau, so, als hätten wir nie aufgehört. Oh, DAF machen ne neue Scheibe, schau mal."

Einen Abend zuvor waren die beiden weniger gelassen. Sondern reichlich nervös. Schließlich war es eine Premiere: Im Fame-Studio in der Münchner Innenstadt stellten Delgado und Görl ihre neue CD mit dem schlichten Titel "15 neue DAF-Lieder" zum ersten Mal einer Handvoll Journalisten vor. Also Platz nehmen in einem Kinosessel, Delgado dimmt das Licht und dreht die Anlage auf. Ein kurzes elektronisches Vorgeplänkel, und dann zucken sie wieder, diese Beats, diese Synthesizer. Tatsächlich, das klingt, wie man sich Mitte der Achtziger die nächste DAF-Scheibe vielleicht vorgestellt hätte.


Denn Robert Görl, zuständig für die Musik, hat jene alten Geräte wie den Korg-Synthesizer wieder ausgepackt, mit denen DAF schon vor zwanzig Jahren beim legendären Produzenten Conny Plank ihre LPs eingespielt hatten. Aus gutem Grund, sagt Görl: "Die alten Geräte klingen menschlicher und damit auch aggressiver. Wenn man die neuesten Sachen verwendet, wirkt alles sehr perfekt. Bei alten Synthesizern dagegen kommen oft Schwankungen rein, wo es dann den Anschein hat, als würde der Sound gleich abschmieren." Dank moderner Mischtechnik und der Verwendung neuer elektronischer Beats klingen die neuen Songs trotzdem etwas gereifter und etwas kühler als früher.

Auch Gabi Delgado wirkt nicht mehr ganz so atemlos, er nimmt sich mehr Zeit für den Gesang und braucht schon mal mehr als vier Zeilen für den Text eines Liedes. Allerdings nicht viel mehr. Die Reduktion auf das Nötige bleibt das beherrschende Stilmittel bei DAF. "Keine Melodie" hat die Berliner Band Jeans Team einmal eine Hommage an die Deutsch-Amerikanische Freundschaft betitelt, und das trifft es sehr gut. Keine Melodie, aber ein Beat, ein Rhythmus und vier Minuten Hypnose.

Dazu liefert Delgado gern die eine oder andere Provokation. Die Hymne "Tanz den Mussolini" landete einst auf dem Index verschiedener Radiosender, weil Jesus Christus und Adolf Hitler in einem Atemzug genannt wurden. Nun heißt die erste Single "Der Sheriff", Untertitel: "Ein anti-amerikanisches Lied". Erscheinen wird sie am 10. Februar, und vielleicht fallen dann gerade die ersten Bomben auf den Irak. Das wäre, zynisch gesprochen, ein guter Marketing-Coup. "Stimmt", grinst Görl, "das haben wir ja vor einem Jahr auch schon alles gewusst und genau geplant."

Tatsächlich aber haben die beiden, so Delgado, "klare politische Aussagen in der heutigen Independent-Szene vermisst" - und das sei ein Grund, warum es DAF den jungen Hüpfern noch mal zeigen wollten. Zumal beide in der Zwischenzeit lange Jahre in der Techno- und House-Szene eher verborgen, aber an entscheidenden Stellen aktiv waren, aber, noch mal Delgado, diese "eskapistische und konsumorientierte Bewegung" nun als ausgebrannt und ausgefeiert hinter sich lassen wollen.


Deswegen sitzen sie nun also nervös im Münchner Fame-Studio. Robert Görl hat sich gleich in die hinterste Ecke verzogen, Gabi Delgado gibt den Conferencier, das heißt, er brüllt zwischen den Liedern Bemerkungen durch den Raum, lacht hysterisch und greift dann schnell wieder zur Bierflasche. Oder dreht sich eine gut gefüllte Zigarette. Oder rennt ruhelos hin und her, reißt die Tür auf und erzählt der Pressebetreuerin irgendwelche Belanglosigkeiten. Es ist beinahe spannender, ihm zuzusehen, als der neuen CD zuzuhören. Aber nur beinahe.

Denn "15 neue DAF-Lieder" kann zwar die elektronische Musik nicht noch einmal neu erfinden, aber dennoch vermittelt die CD viel von jener Kraft und Energie, die Görl und Delgado einst berühmt machte. Sie sind nicht mehr so jung und stark und schön, aber - auch äußerlich - verdammt gut in Form, voller Biss und zugleich abgeklärt genug, um keines ihrer Lieder über Tod, Liebe, Politik und Verbrechen oberflächlich erscheinen zu lassen. "Wenn der Sheriff reiten geht, dann reiten alle mit", singt Delgado, und das trifft es genau so wie damals die Zeile "Tanz den Adolf Hitler, tanz den Jesus Christus, tanz den Kommunismus". DAF bringen Musik und Text auf den Punkt. Das können nicht viele.

Trotzdem gehen Delgado und Görl mit ihrer neuen CD das Risiko ein, die eigene Legende zu zerstören. Jene Legende, die durch den Bestseller "Verschwende Deine Jugend" von Jürgen Teipel samt darauf folgendem Film gerade noch einmal überhöht wurde. Doch was kümmert das Gabi Delgado, der drei Zigaretten später im Hotelzimmer nur einen Satz dazu anmerkt: "Eine Legende ist ein Märchen." Außerdem gebe es zwei Rollen in der Gesellschaft, die er bewundere: "Den Verbrecher und den Künstler. Verbrechen lohnt sich. Die Raubritter von früher sind die Adligen von heute." Warum dann noch Musik? Delgado lacht: "Wir machen nicht nur Musik."

"15 neue DAF-Lieder" (Superstar Rec./Universal) erscheint am 24. Februar 2002. Im April treten DAF in Berlin, Hamburg, Düsseldorf und München auf.

(Quelle: spiegel.de)
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